Kurs Katholische Soziallehre Autor: Ernst Leuninger

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Katholische SozialLehre
Catholic Social Teaching
Autor: Ernst Leuninger
Träger: Bildungswerk der Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Diözese Limburg

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Kurs Katholische Soziallehre: 1. Einheit, die Hoffnung auf Gerchtigkeit

 

 

 

Gerechtigkeit schafft Frieden
- Ein Kurs zur Einführung in die Katholische Soziallehre

Als Internetkurs

Autor: Ernst Leuninger

 

 

Einheit 1

Die Hoffnung auf Gerechtigkeit

 

Impressum

Gerechtigkeit schafft Frieden - Ein Kurs zur Einführung in die Katholische Soziallehre

Einheit 1: Die Hoffnung auf Gerechtigkeit

1. Auflage Limburg 2000 Fassung 15.12.2000

Als Internetkurs www.kath-soziallehre.de dort auch alle weiteren Einzelheiten

Es gibt auch einen Einführungsbrief

Autor: Dr. Ernst Leuninger, Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmer.Bewegung KAB Limburg,

Mail: ernst@leuninger.de

Mitarbeit und Organisation: H. G. Arnold, A. Egenolf, M. Rompel

Als Manuskript gedruckt. © Copyright auf alle Teile: Ernst Leuninger

Träger des Kurses: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung
KAB-Bildungswerk Diözesanverband Limburg
Roßmarkt 12, 65549 Limburg, Fon 06431 295 358 Fax 06431 295513

Mail: KABLimburg@t-online.de

Preis pro Einzelexemplar ohne Versand DM 15.00

Inhaltsverzeichnis

 

Hinführung

Kapitel 1  Erste Welt: Arbeitslosigkeit in Deutschland

Kapitel 2 Zweite Welt: Kriege in Südosteuropa

Kapitel 3 Dritte Welt: Zum Beispiel die Verschuldung der armen Länder

Kapitel 4 Die Umwelt und die Zukunftsfähigkeit

Kapitel 5 Reich Gottes, schon und noch nicht

 

Gerechtigkeit schafft Frieden - Ein Kurs zur Einführung in die Katholische Soziallehre *

Die Hoffnung auf Gerechtigkeit *

Inhaltsverzeichnis *

Die Hoffnung auf Gerechtigkeit *

0 Hinführung *

0.1 Literatur- und Netzhinweise *

0.2 Hinführende Fragen *

0.2.1 Das Vorgehen *

0.2.2 Fragen zum Überlegen: *

0.2.3 Die vorgesehenen Felder *

1 Erste Welt: Arbeitslosigkeit in Deutschland *

1.0 Hinweise und Frage zum Überlegen *

1.0.1 Hinweise *

1.0.2 Frage zum Überlegen *

1.1 Der Stand der Arbeitslosigkeit in Deutschland *

1.1.1 Die Situation *

1.1.2 Die Gründe dieser Entwicklung *

1.2 Arbeit eine Menschenwürde *

1.2.1 Der Wert der Arbeit in Offenbarung, Kirche und Theologie *

1.2.1.1 Der Wert der Arbeit in der heiligen Schrift *

1.2.1.2 Texte der Kirche *

1.2.1.3 Vermenschlichung der Arbeit - eine sozialethische Forderung *

1.3 Wege zur Beschäftigung *

1.3.0 Hinführung *

1.3.1 Schaffung von Arbeitsplätzen *

1.3.1.1 Kurzfristige Maßnahmen *

1.3.1.2 Mittel- und langfristige Maßnahmen *

1.3.2 Abschließende Anmerkungen *

1.4 Fragen zu Kapitel 1 *

1.4.0 Vorbemerkung *

1.4.1 Sehen (Die Arbeitslosigkeit in Deutschland) *

1.4.2 Urteilen (Arbeit eine Menschenwürde) *

1.4.3 Handeln (Wege aus der Arbeitslosigkeit) *

2. Zweite Welt: Kriege in Südosteuropa *

2.0 Hinführung und Fragen *

2.0.1 Hinführung *

2.0.2 Frage zum Überlegen *

2.1 Zwei Kriege im ehemaligen Jugoslawien *

2.1.1 Bosnien-Hercegovina, der Krieg bis zum Waffenstillstand von Dayton *

2.1.1.1Einige geschichtliche Anmerkungen *

2.1.1.2 Der Krieg und seine Folgen *

2.1.1.3 Waffenstillstand und der Vertrag von Dayton *

2.2.1 Die Entstehung des Krieges im Kosovo und seine Folgen *

2.2.1.1 Vorbemerkung *

2.2.1.2 Zur Geschichte des Kosovo *

2.2.1.3 Die Lage nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft *

2.2.1.4 Der Krieg im Kosovo *

2.2.1.5 Nach Beendigung des Krieges *

2.3 Die Lehre vom Frieden *

2.3.0 Hinführung zum Thema *

2.3.1 Das Verständnis der Bibel vom Frieden *

2.3.1.1 Schalom ist der umfassende Begriff für Wohlergehen *

2.3.1.1.1 Schalom im Alten Testament *

2.3.1.1.2 Die Friedensbotschaft im Neuen Testament *

2.3.1.1.3 Schon und noch nicht *

2.3.2 Die Entwicklung der Lehre vom Frieden in der Kirche *

2.3.2.1 Hinführung *

2.3.2.2 Die ersten drei Jahrhunderte *

2.3.2.3 Die Entwicklung der Lehre vom gerechten Krieg *

2.3.2.4 Kriegsethik der Aufklärung und der folgenden Zeit *

2.3.2.5 Die Entwicklung seit dem 2. Weltkrieg *

2.3.2.6 Ergebnisse *

2.3.3 Kriterien für das Friedenshandeln *

2.4 Schritte auf dem Weg zum Frieden *

2.4.0 Vorbemerkung *

2.4.1 Partner für den Frieden in Bosnien *

2.4.1.1 Der Wiederaufbau und die Zukunft *

2.4.1.2 Hilfe beim Wiederaufbau von Pfarreien und Dörfern *

2.4.2 Wiederaufbau im Kosova *

2.5 Tun was dem Frieden dient *

2.6 Fragen zum Kapitel 2.2 *

2.6.0 Vorbemerkung *

2.6.1 Sehen (Krieg in Südosteuropa) *

2.6.2 Urteilen (Die Lehre vom Frieden) *

2.6.3 Handeln (Schritte auf dem Weg zum Frieden) *

3 Dritte Welt: Zum Beispiel die Verschuldung der armen Länder *

3.0 Hinführung und Frage zum Überlegen *

3.0.1 Hinführung *

3.0.2 Frage zum Überlegen? *

3.1 Die Situation der Dritten Welt und die Schuldenkrise *

3.1.1 Die besonderen Probleme der Dritten Welt *

3.1.1.1 Das Bevölkerungswachstum *

3.1.1.2 Der Ressourcenverbrauch und die Ökokrise *

3.1.1.3 Verteilung von Armut und Reichtum *

3.1.1.4 Die Folgen der Armut *

3.1.1.5 Ursachen der Armut *

3.1.1.6 Zusammenfassende Bewertung *

3.1.2 Die Schuldenkrise *

3.1.2.1 Die Situation der Verschuldung *

3.1.2.2 Der Glaube an das unbegrenzte Wachstum *

3.1.2.3 Vergabe von Krediten aus politischen Motiven *

3.1.2.4 Externe Ursachen der Schuldenkrise *

3.1.2.5 Interne Ursachen der Schuldenkrise *

3.1.2.6 Folgen der Schulden *

3.1.2.7 Auswirkungen der Schuldenkrise auf den Norden *

3.2 Gerechtigkeit für alle *

3.2.0 Hinführung zum Thema *

3.2.1 Gerechtigkeit und Frieden küssen sich (Psalm 85,11) - Gerechtigkeit nach der Bibel *

3.2.2 Gerechtigkeit im antiken Verständnis *

3.2.3 Gerechtigkeit in der Theologie des Mittelalters und von da ausgehend *

3.2.4 Entfaltung in der Moderne *

3.2.5. Die Entfaltung des Gerechtigkeitsbegriffes in der katholischen Soziallehre bis hin zur sozialen Gerechtigkeit *

3.2.5. Eine Handlungsmaxime für Christen *

3.3 Am Beispiel Schuldenerlass *

3.3.1 Eine Idee wird auf den Weg gebracht *

3.3.2 Der Schuldenerlass *

3.3.2.1 Was bringt er für die betroffenen Länder *

3.3.2.2 Der Weg zum Erlass *

3.3.2.3 Deutschland hat selbst beste Erfahrungen mit Schuldenerlass *

3.3.2.4 Wer wird entschuldet? *

2.3.3.2.4 Die Bildung von Gegenwertfonds *

3.3.2.5 Aktivitäten der verschuldeten Länder am Beispiel Bolivien *

3.3.2.6 Beispielland Sambia *

3.3.2.7 Ein internationales Insolvenzrecht muss her *

3.3.2.8 Ein gangbarer Weg zu mehr Gerechtigkeit *

3.4 Fragen zum Kapitel 3 *

3.4.0 Vorbemerkung *

3.4.2 Urteilen (Gerechtigkeit für alle) *

3.4.3 Handeln (Am Beispiel Schuldenerlass) *

4 Die Umwelt und die Zukunftsfähigkeit *

4.0 Hinführung und Frage zum Überlegen *

4.0.1 Hinführung *

4.0.2 Frage zum Überlegen *

4.1 Die Zerstörung der Lebensräume *

4.2.1 Die Zerstörung des Lebensraumes weltweit *

4.2.2 Die Belastung des Lebensraumes in Deutschland *

4.2.1 Die Bedrohung eine Herausforderung *

4.3 Zur Verantwortung gerufen *

4.3.0 Hinführung *

4.3.1 Alle sind wir Geschöpfe, Aussagen der Bibel *

4.3.2 Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung *

4.3.4 Für eine nachhaltige Entwicklung unseres Umgehens mit der Natur *

4.4. Erste Erfolge - Ermutigung zum Handeln *

4.4.3 Ein Umdenken hat begonnen *

4.5 Zukunftsfähigkeit *

4.6 Fragen zum 4. Kapitel *

4.6.0 Vorbemerkung *

4.6.1 Sehen (Die Zerstörung der Lebensräume) *

4.6.2 Urteilen (Zur Verantwortung gerufen) *

4.6.3 Handeln (Erste Erfolge - Ermutigung) *

5 Dein Reich Gottes komme *

5.0 Hinweise und eine Frage zum Überlegen *

5.0.1 Hinweise *

5.0.2 Frage zum Überlegen *

5.1 Vom gelingenden Leben *

5.2 Das Reich Gottes im Alten (Ersten) Testament *

5.2.1 Der Bund als verheißene Zukunft *

5.2.1.1 Ein großes Volk wird im Land wohnen *

5.2.1.2 Ein Bündnis auf Gegenseitigkeit *

5.2.1.3 Die Botschaft vom Reich Gottes *

5.3 In Jesus ist das Reich Gottes angebrochen *

5.4. Unser Auftrag eine Option in unserer Zeit für das Reich Gottes *

 

 

Die Hoffnung auf Gerechtigkeit

0 Hinführung

0.1 Literatur- und Netzhinweise

Zu der folgenden Einheit und zum Kurs selbst sind folgende Bücher wichtig:

Vollständige Bibel möglichst mit Einheitsübersetzung bei verschiedenen Verlagen (sehr preiswerte Ausgaben), es gibt natürlich auch Bibel-CD’s (empfehlenswert die Einheitsübersetzung von Elbikon aber teuer), Sie finden auch Online-Bibeln, z.B. Lutherbible Ausgabe 1912  http://www.nordem.com/bibel/start.htm   mit entsprechenden Suchmaschinen.

Die Ausgabe der wichtigsten Sozialenzykliken Herausgeber Bundesverband der KAB, Köln 1992 (Ketteler-Verlag). Sie finden diese auch Online http://www.stjosef.at/CSL/. Viele Fragen können Sie aus Büchern erarbeiten. Hier wird als Hilfsmittel das Internet empfohlen. Bedienen Sie sich zum Suchen entsprechender Begriffe einer Suchmaschine z.B.

Viele weitere Hinweise und Anschriften finden Sie

Bei Kath. Sozialakademie Österreich http://www.ksoe.at/ksoe/

Christliche Gesellschaftslehre im Internet http://www.obing.de/zenz/links5.htm

Unter verschiedenen Stichwörtern http://www.leuninger.de

0.2 Hinführende Fragen

0.2.1 Das Vorgehen

Die erste Einheit will an einigen Problemen der Welt, an Ländern und Erdteilen beispielhaft dargestellt, das Konzept der Soziallehre entwerfen, das im wesentlichen diesem Kurs zugrunde liegt. Diese Probleme werden dann im Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln bearbeitet, wie er vom Gründer der CAJ (Christliche Arbeiterjugend) Kardinal Joseph Cardijn (1882-1967) (Für alle Links gilt, dass für ihren Inhalt keine Verantwortung übernommen wird) entwickelt wurde. Am Anfang steht jeweils die Analyse der Situation, das Sehen. Dann folgt die Bewertung aus der Sicht der Soziallehre, das Urteilen und dann werden konkrete Handlungsschritte entwickelt Als Abschluss folgt dann als Endergebnis eine Konzeption der Soziallehre von der Botschaft des in Christus angekommenen Reiches Gottes her.

Im folgenden sollen Sie selbst oder in Gruppenarbeit eine erste Analyse der aus Ihrer Sicht sozialen Schräglagen in der Welt versuchen um sich eine erstes Bild der Situation zu verschaffen. Darüber wäre ggf. in eine erste Gesprächsrunde durchzuführen

 

0.2.2 Fragen zum Überlegen:

Sie können durchaus mehrere Antworten geben.

1. Welche wichtigen sozialen Herausforderungen stehen in der Ersten Welt und damit auch

bei uns an?

 

 

 

 

 

2. Wo liegen in der Zweiten Welt (dem ehemaligen Ostblock) besondere Schwierigkeiten?

 

 

 

 

 

3. Nennen Sie einige er für Sie die herausragendsten Probleme in der Dritten Welt?

 

 

 

 

 

4. Wo liegen besondere Probleme in der Zukunft von Mensch und Natur?

 

 

 

 

 

0.2.3 Die vorgesehenen Felder

Sie haben jetzt ein Szenario der sozialen Problemen in der Welt gezeichnet. Sie bedrängen uns und fordern uns heraus. Deshalb müssen wir uns damit auseinandersetzen. Erste, Zweite, Dritte Welt sind hier eine geografische Bezeichnung, wir gehören natürlich alle zu Einer Welt und haben Verantwortung für die gesamte Welt.

Für die Weiterarbeit wurden vier Problemfelder ausgewählt, die stellvertretend auch für viele andere stehen.

Erste Welt: Arbeitslosigkeit in Deutschland (Thema Menschenwürde)

Zweite Welt: Krieg in Südosteuropa (Thema Frieden)

Dritte Welt: Zum Beispiel die Verschuldung der armen Länder Zukunft: Die Umwelt und die Zukunftsfähigkeit (Thema Gerechtigkeit)

Eine Welt und Zukunft: Am Beispiel der Zukunft der Menschen auf ihrer Erde (Thema Zukunftsfähigkeit)

Zum Abschluss wird ein erstes Konzept der Soziallehre vorgestellt, das auf Menschenwürde, Frieden, Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit aufbaut. Dieses wird am biblischen Thema der Gerechtigkeit aufgearbeitet.

1 Erste Welt: Arbeitslosigkeit in Deutschland

1.0 Hinweise und Frage zum Überlegen

1.0.1 Hinweise

Siehe dazu die Powerpointereihe und den Vortrag "Wohin geht die Wirtschaft" und den Reader zum Thema: "Geht uns die Arbeit aus". Dort sind umfangreiche Literaturangaben und weitere Ausführungen dazu. Die Arbeitslosenstatistiken finden Sie unter nebst einem ein Zugang zur Bundesanstalt Arbeit unter http://www.leuninger.de/sozial/arbeitsl.htmwww.leuninger.de/sozial/arbeitsl.htm. Den Zukunftsbeschluss der KAB-Westdeutschlands 1999 zu "die Zeichen der Zeit erkennen - Arbeit und Leben neu gestalten, erhalten Sie in 50670 Köln, Bernhard-Letterhaus-Straße 26. Dazu gibt eine Powerpointreihe. Aus Nord-Rhein-Westfalen liegen Thesen vor. Literaturhinweis z.B. IG Metall (Hrsg), Denkschrift fair teilen, Schwalbach Ts 2000. Joachim Sikora hat beim Erzbistum Köln 1999 eine Studie veröffentlicht mit dem Thema: Visionen einer Tätigkeitsgesellschaft, Neue Tätigkeits- und Lebensmodelle im 3. Jahrtausend.

1.0.2 Frage zum Überlegen

Welche Fragen verbinden Sie mit dem Thema "Arbeitslosigkeit"

1.1 Der Stand der Arbeitslosigkeit in Deutschland

1.1.1 Die Situation

In Untersuchungen wird die Arbeitslosigkeit vor allem zur Zeit von den meisten Menschen als das bedrückendste Problem unserer Gesellschaft genannt. Ende September 2000 waren in der gesamten Bundesrepublik Deutschland 3.684.790 Menschen arbeitslos. Dies ist eine Arbeitslosenquote von 9 %, 7.2 % in den alten (2.382.513) und 16.6%in den neuen (1.302.277) Bundesländern Deutschlands aller ziviler Erwerbspersonen. Ende Juni 1999 lag die Quote bei 10,1 % (für ganz Deutschland). Ende März 1998 waren dies 12,1%. Zählt man noch die verdeckte Arbeitslosigkeit (1997 wird bei 4,4 Millionen Arbeitslosen mit einer stillen Reserve von 1,9 Millionen gerechnet) hinzu, so kommt man auf erheblich höhere Zahlen, die weit über 5 Millionen gehen dürften. Durch die Arbeitslosigkeit kommt der Sozialstaat in Schieflage und die Armut in unserem Lande wächst.

Diese hohe Massenarbeitslosigkeit dauert nun schon einige Jahre an. Im Zukunftsbeschluss "Die Zeichen der Zeit erkennen – Arbeit und Leben neu gestalten" von Bottrop Juni 1999 führt die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Westdeutschlands dazu aus: "(3) Die anhaltend hohe Massenarbeitslosigkeit ist nur ein Indiz dafür, dass wir uns in einer tiefgreifenden Umbruchsphase befinden und die erwerbsarbeitszentrierte Gesellschaft in sich tief gespalten ist. Millionen von Arbeitsuchenden nämlich finden unter den derzeitigen Bedingungen überhaupt keine Erwerbsarbeit mehr und werden zu "Menschen ohne Erwartungen". Normalarbeitszeitverhältnisse werden abgebaut; Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden gegeneinander ausgespielt. Ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu. Erwerbsarbeit stellt so für eine immer größer werdende Zahl von Menschen keinen sozialen und gesellschaftlichen Integrationsfaktor mehr dar. Zukunftsangst macht sich breit."

Dies alles geschieht in einer Zeit höchster Exportraten. Nach den USA sind wir Weltmeister im Export. In vier Bereichen sind wir Spitze: Autos, Chemie, Eisen und Stahl, Textilien. Die hohen Exportquoten sind aber nicht nur Ausdruck der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, sondern hängen auch mit dem schlechten Eurokurs (10/2000) gegenüber dem Dollar zusammen.

Der Verlust der Arbeit ist ein Verlust an Anerkennung. Dies macht sich auch bei Arbeitslosen bemerkbar, sie erfahren es selber so. Oft werden sie noch für ihre Situation schuldig erklärt. Arbeitslosigkeit ist von einem erheblichen Rückgang des Einkommens gekennzeichnet, dies bedeutet auch, dass viele Dinge für einen Arbeitslosen nicht mehr möglich sind. Die hohe Arbeitslosigkeit führt zu gesellschaftlichen Verwerfungen zwischen Arbeitsbesitzern und Arbeitslosen. Die innergesellschaftliche Spannung wächst, die Segmentierung schreitet voran. Wirtschaftlich ist die Arbeitslosigkeit eine große Belastung für die Volkswirtschaft. Wenn auch die Betriebe nur durch höhere Sozialabgaben betroffen werden, so muss doch die gesamte Volkswirtschaft zusätzliche Aufgaben übernehmen. Hingewiesen sei auch darauf, dass die Masseneinkommen zurückgehen und damit die Kaufkraft geringer wird.

Von 1973 - dem letzten Jahr der Vollbeschäftigung - bis auf 1993 hat sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger verdreikommasiebenfacht. Es sind 5 Millionen Personen, die in diesem Jahr von der Sozialhilfe wenigstens teilweise abhängig waren. 40 Prozent davon sind durch Arbeitslosigkeit bedingt. Die Sozialhilfe hat sich inzwischen (Ende 1995) auf 52 Milliarden DM gesteigert. Davon sind als Hilfe zum Lebensunterhalt 33,3 Milliarden DM. Diese Steigerung beträgt gegenüber den 70er Jahren 3 Milliarden. Das sind schon massive Verschiebungen. Wir müssen uns aber auch noch die Sozialausgaben betrachten. Hier kann keine umfassende Analyse gemacht werden, abgesehen von der Einführung der Pflegeversicherung, die in ihrer Struktur umstritten ist, werden die Leistungen in den einzelnen Versicherungsbereichen dauernd abgebaut, weil die Beiträge die Leistungen nicht mehr decken. Der Kernpunkt für diese Entwicklung ist sicher die Arbeitslosigkeit, die sich in diesem Jahr im Schnitt (2000) auf über 3,5 Millionen festschreiben wird.

Reichtum und Armut wachsen in unserem Land gleichermaßen. Es gibt in unserem Land eine wachsende asymmetrische Vermögensverteilung.

Darüber gibt es noch die wachsende Spitzenklasse der Einkommensmillionäre 1992 25.275 mit Steuererklärung, Wachstumsrate jährlich 10%.

Dagegen steht das Ansteigen der Sozialhilfe. Von 1973 ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger (nur Hilfe zum Lebensunterhalt) von 918.000 (alte Bundesländer) bis heute auf 2,7 Millionen (darunter 23,6% Nichtdeutsche) gestiegen.

10 Prozent der Einwohner unseres Landes leben unter der Armutsgrenze, die die Europäische Union definiert hat, nämlich unter 50 Prozent des pro Kopf Einkommens für den Kopf der Familie.

Ein besonderes Problem ist die Sockelarbeitslosigkeit. Die Erwerbstätigkeit baut sich zu 80% in die Arbeitslosigkeit ab Erwerbstätigkeit baut sich überwiegend aus Nichterwerbstätigkeit (60%) auf. Davon kommen etwa viele aus Schulen und Universitäten oder sind BerufsrückkehrerInnen. Daher resultiert aus jeder Arbeitslosenwelle eine erhöhte Sockelarbeitslosigkeit, die nicht abgebaut wird, das ist auch jetzt zu erwarten. Dies ist meist ein Austausch älterer und weniger qualifizierter Kräfte durch jüngere und besser ausgebildete Kräfte. Anfang der 80er Jahre traten 3% der Rentner in die Arbeitslosigkeit ein, jetzt sind es 15%, wenn die Altersstruktur der Erwerbstätigen und der Arbeitslosen identisch wären, wären 2% zu erwarten. In den Rezensionswellen ab den 70er Jahren wurde im Aufschwung die Sockelarbeitslosigkeit immer höher, das wird wohl auch jetzt so sein. Fachleute rechnen mit einer Höhe von 3 Millionen auch in der Zukunft. Der Abbau geschieht zumeist in die Verrentung.

Auch die fiskalischen Kosten sind immens. Die "Welt" schreibt am 25.5.1998: "Die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit kostete die Steuer- und Beitragszahler nach neuesten Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit im vergangenen Jahr 166 Mrd. DM – ein Rekord seit der Wiedervereinigung. Die gesamtfiskalischen Kosten der registrierten Arbeitslosigkeit beliefen sich im Jahr 1997 insgesamt auf 166 Mrd. DM. 1996 lagen die Kosten noch bei 150 Mrd. DM."

55 Prozent der Kosten resultieren vor allem aus den Ausgaben für Arbeitslosengeld und -hilfe, 45 Prozent ergeben sich aus Mindereinahmen, und zwar jeweils zur Hälfte bei Steuern und Sozialbeiträgen.

Dem Fiskus und den Sozialhaushalten entstanden 1997 pro 100 000 Arbeitslose Ausgaben in Höhe von 2,1 Mrd. DM und entgingen Einnahmen in Höhe von 1,7 Mrd. DM.

Neben den Kosten der registrierten Arbeitslosigkeit sind aber auch Ausgaben für die "verdeckte Arbeitslosigkeit" angefallen. Allein für ABM-Maßnahmen und Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung wären im vergangenen Jahr 20 Mrd. DM ausgegeben worden. Zudem seien den Sozialversicherungen durch verschiedene vorruhestandsähnliche Regelungen Belastungen in Milliardenhöhe entstanden."

1.1.2 Die Gründe dieser Entwicklung

Die entscheidenden Gründe dieser Entwicklung sind:

die Änderung der Märkte im Zuge der Globalisierung

die fortschreitende Rationalisierung

die weltweit dominierende Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus

Ein Scheingrund ist z.B. der Sozialbetrug. Es liegen keine exakten Zahlen vor, 10% Prozent schätzt die Bundesregierung. Was sind das für Zahlen gegenüber dem Vielfachen von Steuerhinterziehung und ähnlichen Phänomenen. Viel größer als der Sozialbetrug ist auch die Summe, die an Sozialhilfe oft aus Scham nicht in Anspruch genommen wird und nicht unerheblich sind die Summen, die durch Fehlberechnungen gespart werden.

Als Standortdebatte ist die Globalisierung ungeeignet. Alle Untersuchungen weisen darauf hin, dass Deutschland nach wie vor ein ausgezeichneter Standort ist. Der Begriff wird aber als Totschlagargument oft in die Tarifdebatten eingebracht. Es läuft weltweit eine Konzentration der großen Unternehmen. Letztlich geht es darum, als Anbieter in allen wichtigen Wirtschaftsbereichen präsent zu sein und dies möglichst zu den günstigsten Bedingungen. Diese Märkte sind vor allem Europa, USA und Japan und Südostasien.

Globalisierung zeigt sich z.B. in fünf Phänomenen:

Die weltweiten Ein- und Ausfuhren haben sich von ca. 2000 Milliarden US-Dollar 1980 auf ca. 5000 Milliarden US-Dollar 1995 gesteigert

Der Bestand an Auslandsinvestitionen hat sich seit 1980 versechsfacht

Der Export von Kapital wuchs dreimal so schnell wie der Handel mit Waren und Dienstleistungen

Die Spekulation hat extrem zugenommen, täglich setzen die Börsen 1300 Milliarden US-Dollar um, 30 würden für die laufenden Geschäfte genügen

Die weltweite Verflechtung wächst.

Sicher werden dadurch Konkurrenten aus dem Weg geschafft, aber auch neue Arbeitsplätze geschaffen. Deutschland wird eher zu Gewinnern gehören. Es ist anzunehmen, dass die Globalisierung auch zu erheblichen Rationalisierungsschüben führt. Weiterhin entzieht sich eine weltweite Wirtschaft mehr und mehr nationalem wirtschaftlichem Einfuß und kann unbeschwerter von Reglementierungen der Politik agieren. Das größte Problem ist die große Spekulation, die Gelder der Investition entzieht. Dieser weltweite Markt agiert relativ frei und investiert dort, wo alle Bedingungen am günstigsten sind. Eine soziale Komponente kennt er nicht. Arbeit ist hier relativ ungeschützt. Die Politik versucht sogar im Interesse der großen Industrienationen Beschränkungen zu reduzieren, denken Sie an die Welthandelsabkommen. Die Gobal Players (weltweiten Spieler = gleich auf Weltebene wirtschaftlich handeln) sind wirtschaftlich stärker als viele Nationalstaaten. Die Global Players agieren weltweit, überwinden spielend Ländergrenzen und sprechen Kunden in der ganzen Welt an.

Die fortschreitende Rationalisierung führt zum Verlust von Arbeitsplätzen im herkömmlichen Produktionsbereich. Es suchen auch mehr Menschen Arbeit. Der Produktivitätsfortschritt wird immer wieder genannt. Dies ist richtig und er wird auch in den kommenden Jahren zunehmen. Hier hilft nur das konsequente Mittel der Arbeitszeitverkürzung. Es fällt Wirtschaftswissenschaftlern oft ungeheuer schwer einzusehen, dass Investitionen eben nicht mehr unbedingt zu neuen Arbeitsplätzen führen. In vielen Fällen ist das oft umgekehrt.

Während sich seit 1970 die Produktivität mehr als verdoppelt hat, ist die Zahl der Beschäftigten nur unerheblich angestiegen und seit 1992 rückläufig. Nahezu 40 Prozent der für 1998 vorgesehenen Investitionsabsichten sind Rationalisierungen. Das dürfte der Grund für den weiteren Arbeitsplatzabbau sein. Um mehr zu produzieren wird immer weniger Arbeitskraft benötigt. Seit 1992 nehmen Produktivität und Produktion zu, Beschäftigte ab. Seit 1980 haben die Lohnstückkosten weniger zugenommen als in allen Industrienationen außer Japan. Wir sind also nicht zu teuer. Unserer Beschäftigten können gut bezahlt werden, weil sie eine hohe Produktivität haben. Zuwächse gibt es nach Aussagen von Fachleuten in der Computerbranche und in der Dienstleistung. Abwärts geht es weiter in der Landwirtschaft und im produzierenden Gewerbe einschließlich Automobil- und Maschinenbau.

Der Gang in die Dienstleistung in den USA muss sicher vorwärts getrieben werden, aber nicht um den Preis dessen, wie es die Amerikanischen Bischöfe gesagt haben, dass die Armut in den USA in den letzten 10 Jahren erheblich zugenommen hat. Die Zahl der Armen ist von 33 auf 37 Millionen gestiegen. Über 18 Prozent der Menschen sind trotz Vollbeschäftigung nicht in der Lage, mit ihrem Einkommen die Familien zu ernähren. Das sind die Fakten. Das kann bei uns nicht angestrebt sein. Der Weg zur Vollbeschäftigung kann nicht über in Armut führende Arbeitsverhältnisse gehen.

Die Entwicklung wird weiter gehen. Die Arbeitskraft verliert auf dem Arbeitsmarkt immer mehr an Bedeutung. Vor wenigen Jahren wurde einmal ein großer Softwareproduzent gefragt, der etwa 15.000 Mitarbeiter hat, wie viele er eigentlich benötigte, meinte er, vielleicht ein Dutzend. Prognosen besagen, dass Ende dieses Jahrhundert alle wesentlichen Produktionsfunktionen von Robotern wahrgenommen werden. Der Arbeitsplatzabbau wird weiter gehen.

Dazu tragen auch die Fusionen bei. Es gehört dazu, zu den fünf größten weltweit zu gehören. Man ist heute schon froh, wenn der Standort gesichert wird, dass nahezu bei jeder Fusion erheblicher Arbeitsplatzabbau betrieben wird, ist selbstverständlich.

Außerdem werden heute schon Standort geschlossen, die durchaus noch rentabel sind. "Just in time (Zur richtigen Zeit an der entsprechenden Produktionsstätte)" macht es möglich, die Produktion auf wenige Standorte zu reduzieren. Das führt dann auch dazu, dass ein Yoghurt mehrere tausend Kilometer unterwegs sein kann, bis er auf meinen Tisch kommt.

Nach einer Vorausschau des Prognosinstitutes wird es auch im Jahre 2020 noch über 3 Millionen Arbeitslose geben. Ein noch größere Arbeitslosigkeit wird dadurch vermieden, dass aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung mehr Arbeitskräfte ausscheiden als neu hinzu kommen.

Die Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus herrscht seit einigen Jahren. Sie hat das, was strukturell in unserer Gesellschaft immer vorgegeben war, die hohe Absicherung des Eigentums und die geringere Absicherung der sozialen Gerechtigkeit, noch einmal verstärkt. Dieser Prozess läuft ja praktisch schon seit Anfang der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Er wurde nur nicht so deutlich, weil in Phasen genügender Umverteilung keine größere Spannungen entstanden. Dies haben alle mitgemacht und aus der Sicht des Verfassers ist es ein Versagen der politisch Beteiligten, dass wir keine breitere Eigentumsstreuung am Produktivvermögen in unserer Gesellschaft bekommen haben.

Der herrschende Neoliberalismus kennt eigentlich nur ein ethisches Prinzip, und das ist die Gewinnmaximierung. Soziale Kriterien werden unter wirtschaftlicher Rücksicht gesehen. Wann ist denn ein Standort von sozialen Spannungen her so erschüttert, dass nichts mehr geht, weil es wirtschaftlich günstiger ist, im sozialen Bereich zu investieren? Die soziale Gerechtigkeit ist für dieses System eigentlich ein Fremdwort. Die Gleichrangigkeit von Freiheit und Solidarität wird nicht anerkannt. Es wird eine uneingeschränkte Autonomie für die Besitzer von Geld und Realkapital verlangt. Alles, was dieser freien Entfaltung entgegensteht, ist wirtschaftlich schädlich. Dazu gehören die ordnenden Aufgaben des Staates, dazu gehören die Gewerkschaften, dazu gehört die ganze Sozialstaatlichkeit. Das einzige Prinzip was gilt, ist die Gewinnmaximierung. Ging es in der klassischen Wirtschaftstheorie noch um den Wohlstand der Nation, wird im Neoliberalismus deutlich betont, dass eine Volkswirtschaft frei zu sein habe. Der einzige Schutz besteht in der Gewähr des Privateigentums, das für die persönlichen Zwecke eingesetzt werden muss. Der Neoliberalismus hat neben diesem Prinzip der Gewinnmaximierung folgende Ansatzpunkte:

Den Management- und damit Arbeitsplatzabbau

Größere Freiheit und damit Deregulierung

Abbau von Sozialstaatlichkeit

Das einzig ethische Prinzip ist die Gewinnmaximierung. Hier kommt Arbeitslosigkeit erst gar nicht in den Blick.

In fünfzig Jahren haben wir Arbeitskräftemangel. Die Frage ist aber, ob dies eine Veranlassung ist, diese weiterhin hohe Arbeitslosigkeit heute zu akzeptieren.

 

1.2 Arbeit eine Menschenwürde

1.2.1 Der Wert der Arbeit in Offenbarung, Kirche und Theologie

In der katholischen Soziallehre geht es nicht zuerst um das was ist, sondern um das was sein soll. Sie ist eine kritische Handlungstheorie. Deshalb kommt es hier darauf an, aus der Soziallehre, die als Sozialverkündigung auch die Offenbarung mit heranzieht, heraus Maßstäbe zur Beurteilung des Wertes der Arbeit zu finden und sie auf die Situation der Massenarbeitslosigkeit anzuwenden.

1.2.1.1 Der Wert der Arbeit in der heiligen Schrift

Das Alte Testament hat ein grundsätzlich positives Verständnis von der Arbeit. Es hat dafür eine Reihe hebräischer Begriffe, die mit Tun, Handeln, Arbeiten, Leisten usw. zu umschreiben sind. Dies ist etwa die gleiche Bedeutung wie die griechische Vokabel "ergon" hat, mit dem sie in der Übersetzung zumeist wiedergegeben werden. Dieser griechische Begriff ist also umfassend. Er meint im Gegensatz zur Faulheit alles nützliche Tun und Treiben und Werktätigkeit jeder Art. Die ganze Schöpfung ist in all ihren Teilen ein Werk Gottes. Das ist der durchgängige Glaube der Bibel.

Nach dem Priesterschriftsteller (AT-Text, der Priesterkreisen zugeschrieben wird) ruhte Gott aus, nachdem er das Werk der Schöpfung vollendet hatte (Gen 2,2 f.). Nach dem Jahwisten (AT-Text der als Gottesname in der Regel Jahwe verwendet, da scheint auf einen speziellen Schriftsteller oder ein Schule schließen zu lassen) "machte" Gott der Herr Erde und Himmel (Gen 2,4 b). Gott wirkte, Gott arbeitete. Schaffen, Arbeiten, Wirken ist göttliches Tun. Er setzte den Menschen in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und hüte (Gen 2, 15). Das Arbeiten als Bebauen und Bewahren gehört zum paradiesischen Zustand.

Zur Mühe und Plage wird es erst aufgrund des Verstoßes der Menschen gegen Gottes Gebot. Verflucht wird durch seine Sünde nicht der Mensch, sondern der Ackerboden. Er wird ihm Mühsal machen. Der Mensch muss im Kampf gegen die widersetzliche Natur seinen Lebensunterhalt erwerben. In Psalm 90 wird die Mühsal und Beschwer des Lebens dargestellt, auch gebetet, dass über den Menschen die Güte des Herrn komme, dass das Werk seiner Hände gedeihe; dies wird noch einmal wiederholt: "Ja, lass gedeihen das Werk unserer Hände!" (Ps 90,17).

Zur Arbeit gehört im Alten Testament auch die Sabbatruhe, die nicht einfach gleichzusetzen ist mit Arbeitspause und Erholung, sondern festgemacht ist in der Ruhe Gottes. Sie ist ein strenger Hinweis darauf, dass alles unter dem Gesetz Gottes steht, über das der Mensch nicht verfügen kann und dass auch seiner Arbeit Grenzen von Gott her gesetzt sind, ebenso seinem Umgehen mit der Natur.

Aber auch in seiner Sündhaftigkeit macht der Mensch Gott Arbeit. So wird es bei der Beschreibung der Schuld des Volkes deutlich (Jesaja 43, 24 b).

Im Neuen Testament wird berichtet, dass Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hört (Matthäus 11,2). Das Wirken Jesu Christi ist begründet im Wirken des Vaters: "Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn. Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles was er tut, und noch größere Werke wird er ihm zeigen, so dass ihr staunen werdet." (Johannes 5,19). Im folgenden wird mit dem größeren Werk die Auferweckung Jesu bezeichnet. Die Gemeinde ist ein Werk Gottes (Römer 14,20). Durch Handeln und Tun wird der Mensch nun selig, wenn er dies im Gesetz der Freiheit tut und daraus handelt (Jakobus 1,22 ff.). Alles, was in christlicher Gemeinde Werk ist, ist Gottes Werk durch die Menschen (2,21).

Die grundsätzliche Hochschätzung des Handwerks setzt sich auch im Neuen Testament fort. In Exodus 31,1-5 heißt es von dem Handwerker, der die Verantwortung für die Errichtung der Stiftshütte hat, dass der Herr ihn "mit dem Geist Gottes erfüllt, mit Weisheit, mit Verstand und mit Kenntnis für jegliche Arbeit; Pläne zu entwerfen und sie in Gold, Silber und Kupfer auszuführen und durch Schneiden und Fassen von Steinen und durch Schnitzen von Holz allerlei Werke herzustellen." Auch hier ist ein umfassendes Bild von Arbeit, nicht von entfremdeter (z.B. Sklavenarbeit) Arbeit gezeichnet, denn vom Planen bis zum Ausführen ist alles mit Arbeit gemeint. Diese Hochschätzung handwerklicher Arbeit ist für das Neue Testament selbstverständlich, da Jesus als Handwerker gearbeitet hat und viele der Apostel Fischer waren und Paulus auch während seiner Verkündigungstätigkeit ein Handwerk ausübte.

Völlig ungriechisch sagt er, dass der, der nicht arbeiten will, auch nicht essen soll (2 Thessalonicher 3,10). Ganz im Gegenteil: wer nichts arbeitet, wandelt nach seiner Meinung unordentlich (2 Thess 3,11). Nun gibt es viele Stellen, in denen die Arbeit positiv dargestellt wird, bis hin, dass das Abmühen in Wort und Lehre Arbeit ist (1 Timotheus 5,17 f.) , oder der Hinweis darauf, dass die Ernte groß ist, aber der Arbeiter wenige sind (Mt 9,37 f.).

Die Heilige Schrift hat einen umfassenden Arbeitsbegriff: arbeiten, schaffen, tun, wirken, Werk, dürften die Übersetzungen sein. Dies deckt sich auch mit der Bedeutung des griechischen Begriffs "ergon" , sowohl in der Septuaginta als auch im Neuen Testament. Werk, Wirken im umfassenden Sinn, meint Arbeit, Handeln und Tun, körperliche Arbeit, Auferbauung der Gemeinde und Predigt, alles ist letztlich begründet im umfassenden Wirken Gottes. Wenn Gott arbeitet, dann ist es auch der Menschen würdig zu arbeiten. Er hat dadurch Anteil an Gottes Wirken und Kraft, auch wenn dieser Anteil unter der Last der Sünde steht, die aber die grundsätzlich positive Einschätzung der Arbeit nicht brechen konnte.

Jesus macht durch sein Erlösungswerk den Weg frei zum Heilswirken Gottes, das sich in seiner Gemeinde fortsetzt. Die Arbeit für die Königsherrschaft Gottes, die neue Arbeit, ist schwere Arbeit, die aber nicht getrennt ist von der Situation des Volkes, sondern die Parteilichkeit Gottes für die Armen und Kranken in die Praxis umsetzt. Die Jünger werden "Erntearbeiter Gottes". Es geht um eschatologische Arbeit.

Der Arbeitsbegriff in der Heiligen Schrift ist alles andere als ein segmentierter Begriff, der nur die körperliche Arbeit meint, sondern ein umfassender, kein entfremdeter, sofern es nicht um Sklavenarbeit geht. Die Schrift ist sich aber auch der Belastung und der Schuld, die auf der Arbeit durch die Sünde liegt, bewusst. Auch geistiges Handeln und Schaffen ist in diesem Arbeitsbegriff mit einbezogen. Der Mensch ist Mitarbeiter der Schöpfung.

1.2.1.2 Texte der Kirche

Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" (Freude und Hoffnung) ausgesagt, dass auch im Wirtschaftsleben die Würde der menschlichen Person und das Wohl der gesamten Gesellschaft zu achten und zu fördern sei, da der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft sei (63). Er ist auch Herr des wirtschaftlichen Fortschritts, der einer Lenkung bedarf, nicht im Sinne des missverstandenen Liberalismus oder Kollektivismus, sondern im Verbund von einzelnen freien Gruppen, freien Initiativen und Maßnahmen der öffentlichen Gewalt (65), (Bei kirchlichen Texten werden immer Nummern angeben, sie stehen hier in der Klammer. Falls der Text in Bundesverband KAB Hg., Texte zur katholischen Soziallehre 1992 8.Auflage (zitiert = Texte zur Soziallehre) folgt kein weiterer Verweis außer der Nummer oder ggf. auf das Internet.). Große sozialökonomische Unterschiede sind abzubauen. Eindeutig wird erklärt: "Die in der Gütererzeugung, der Güterverteilung und in den Dienstleistungsgewerben geleistete menschliche Arbeit hat den Vorrang vor allen anderen Faktoren des wirtschaftlichen Lebens, denn diese sind nur werkzeuglicher Art.

Die Arbeit nämlich, gleichviel, ob selbständig ausgeübt oder im Lohnarbeitsverhältnis stehend, ist unmittelbarer Ausfluß der Person, die den stofflichen Dingen ihren Stempel aufprägt und sie ihrem Willen dienstbar macht. Durch seine Arbeit erhält der Mensch sein und der Seinigen Leben, tritt in tätigen Verbund mit seinen Brüdern und dient ihnen; so kann er praktische Nächstenliebe üben und seinen Beitrag zur Vollendung des Schöpfungswerkes Gottes erbringen (67)." Er wird darauf verwiesen, dass er sich mit der Arbeit in das Erlösungswerk einbringt, da auch Jesus gearbeitet habe. Dadurch habe dieser der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen (67).

Daraus erwächst eine Verpflichtung für den einzelnen zur Arbeit, aber auch ein Recht auf Arbeit. Die Gesellschaft hat dafür nach jeweiliger Lage für ihren Teil behilflich zu sein, "daß ihre Bürger Gelegenheit zu ausreichender Arbeit finden können (67)." Die Entlohnung muss ausreichen, um für den Arbeiter und die Seinigen materielles, soziales, kulturelles und spirituelles Dasein angemessen zu gestalten. In der Arbeit soll er die Gelegenheit haben, seine Personenwerte zu entfalten. Im Unternehmen selbst stehen freie, selbstverantwortliche, nach Gottes Bild geschaffene Menschen miteinander im Verbund. Deshalb ist ein Weg zu finden, in der die aktive Beteiligung aller an der Unternehmensgestaltung vorangebracht wird (68). In der Nachfolge Jesu, der als Handwerker gearbeitet hat, leistet der Christ seine ganze irdische Arbeit. Menschliche, häusliche, berufliche, wissenschaftliche oder technische Anstrengungen verbinden sich mit religiösen Werten zu einer Synthese. Diese Werte bestimmen die letzte Sinngebung, in der alles auf Gottes Ehre hingeordnet wird (43). Arbeit ist umfassend und dient der Ehre Gottes, wenn sie von religiösen Werten ihren Sinn erhält.

In diesem Sinne wird Arbeit vom Zweiten Vatikanischen Konzil als eine Würde erachtet, als etwas, was sich unmittelbar aus der Person und aus seiner Gottesebenbildlichkeit ergibt. In der Arbeit, ist auch die Freiheit der Person zu achten. Weil Arbeit so mit der Person des Menschen verbunden ist, hat sie Vorrang vor allen instrumentalen Dingen, auch vor dem Kapital. Es muss entsprechende Formen der Mitverantwortung geben, wie in einem Unternehmen freie Menschen miteinander umgehen. Arbeit ist nicht nur eine Bestätigung der einzelnen Person, eine Entfaltung ihrer Möglichkeiten, sondern auch die Voraussetzung dafür, dass diese Person sich anderen zuwendet, sich kulturell-sozial im Sinne des Reiches Gottes betätigt.

Anläßlich der 75 Jahrfeier von "Rerum novarum (Der Geist der Neuerung)" 1966 wies Papst Paul Vl. in einer Ansprache darauf hin, dass die Kirche die Würde jeder sofern nur ehrbaren - Arbeit proklamiert und wunderbare Folgerungen daran geknüpft habe (Texte zur Soziallehre S 399). Papst Paul VI. sagt dann, dass auch die Person des Arbeiters eigentlich von niemand mehr anerkannt und hochgeschätzt wird als von der Kirche. Richtig mag dies sein, soweit es die Verkündigung der Sozialenzykliken betrifft. Ob es die Realität der ganzen Kirche darstellt, ist nach wie vor eine Frage. Papst Paul VI. betont 1971 in seiner Enzyklika "Octogesima adveniens" zum 80jährigen Jubiläum der ersten Sozialenzyklika noch einmal, dass die Wirtschaft im Dienste der menschlichen Person steht. Sie gibt Gelegenheit, die Würde der menschlichen Arbeit zu bekunden (46).

Eine umfassende Lehre von der Arbeit bietet die Sozialenzyklika Johannes Paul II. anlässlich des 90. Jahrestages der ersten Sozialenzyklika. Die Enzyklika "Laborem exercens (Durch Ausübung der Arbeit)" entwickelt den Begriff der Arbeit als personale Würde und leitet daraus den Vorrang der Arbeit ab und die Rechte der arbeitenden Menschen.

Auch im Zeitalter der Technik und der Mikroprozessoren bleibt der Mensch das eigentliche Subjekt der Arbeit (5). Dieses Subjekt der Arbeit sein heißt, dass er als Person arbeitet. Im Sinne der Bibel ist Arbeit der Prozess, durch den sich der Mensch und die Menschheit die Erde untertan macht. Dies kann aber nur gelingen, wenn sich der Mensch zugleich als der erweist, der "herrscht" (6). Im Sinne des Christentums verschwindet die Unterscheidung der Arbeit, wie sie von der Antike her überkommen ist. Es gibt zwar Unterschiede in den verschiedenen Arbeiten, aber es wird eindeutig festgestellt, "daß die erste Grundlage für den Wert der Arbeit der Mensch selbst ist, ihr Subjekt (6)." Die Arbeit ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit. Dem Papst geht es um die Würde der Person, des Menschen, der die Arbeit verrichtet. Zweck jeglicher Arbeit, sei sie gesellschaftlich hoch oder niedrig eingeschätzt, "... bleibt letztlich immer der Mensch selbst (6)." Im Kapitalismus und parallel dazu im Kollektivismus ist die Gefahr entstanden, dass die Arbeitskraft eine Ware eigener Art sei. Der Mensch wird zu einem bloßen Werkzeug und als ein solches behandelt. Das widerspricht der Würde seiner Arbeit.

Arbeit bedarf auch der Solidarität. Immer dort, wo der Mensch nicht als Subjekt der Arbeit gewürdigt wird und unter Lebensbedingungen steht, die diesem nicht entsprechen, bedarf es der Solidarität der Arbeitenden mit den Arbeitenden. "Die Solidarität muß immer dort zur Stelle sein, wo es die soziale Herabwürdigung des Subjektes der Arbeit, die Ausbeutung der Arbeitnehmer und die wachsenden Zonen von Elend und sogar Hunger erfordern. Die Kirche setzt sich in diesem Anliegen kraftvoll ein, .. , um so wirklich die 'Kirche der Armen' zu sein (8)." Arme können auch solche sein, bei denen die Würde der menschlichen Arbeit verletzt wird.

Diese Würde der menschlichen Arbeit wird dann näher erläutert. Es geht um die Herrschaft des Menschen über die Erde. Dabei soll nicht geleugnet werden, dass die Arbeit oft schwer und voller Mühsal sein kann. Sie ist ein "bonum arduum", wie Thomas von Aquin sagt, ein "schwieriges Gut" (9). Die Arbeit ist ein Gut für den Menschen und für sein Menschsein, weil er dadurch nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpasst, sondern weil er dadurch auch mehr Mensch wird. Es gibt auch Arbeit, die sich gegen den Menschen richtet und den Menschen in seiner Würde verletzt. Diese ist unmoralisch. Arbeit muss den Menschen mehr Mensch werden lassen. Sie darf ihn nicht erniedrigen oder nur daran interessiert sein, seine Körperkräfte zu verbrauchen. Dies ist die personale Dimension der Arbeit.

Es gibt aber auch noch eine soziale Dimension der Arbeit. Arbeit bildet die Grundlage für den Aufbau des Familienlebens und der Erziehung, für die Möglichkeit, dass Menschen zu Menschen werden. Auch im Menschwerden des Erziehungsprozesses zeigt sich damit, dass Arbeit zu mehr Menschsein verhelfen soll. Arbeit und Bildung, Arbeit und Erziehung gehören zusammen. Einmal schafft die Arbeit den Lebensunterhalt für die Familie, zum anderen wird der Mensch in der Familie mehr Mensch. "Ist doch die Familie eine durch die Arbeit ermöglichte Gemeinschaft und die erste, häusliche Schule der Arbeit für jeden Menschen (10)."

Der dritte Bereich ist der Bereich der Gemeinschaft des Volkes, der Nation und letztlich der ganzen Menschheitsfamilie. Sie ist nicht nur die Erzieherin jedes Menschen ".. , sondern auch eine große historische und soziale Inkarnation der Arbeit aller Generationen (10)."

Diese drei Bereiche behalten ständig Bedeutung für die menschliche Arbeit in ihrer subjektiven Dimension. Und diese subjektive Dimension hat Vorrang vor der objektiven. Darin verwirklicht der Mensch seine Herrschaft und Verantwortung über die Welt der Natur, darin darf ihn auch die heutige Technik nicht schmälern, sondern sie muss ihn fördern. Die Würde des Menschen und seine unveräußerlichen Rechte sind nicht schmälerbar.

Dies hat Konsequenzen. Es wird deutlich festgestellt, was das Konzil auch schon gesagt hat, dass die Arbeit Vorrang vor dem Kapital hat. Ein sehr ideologischer Konflikt, der sich zwischen dem Liberalismus als Ideologie des Kapitalismus verstanden und dem Marxismus als Ideologie des theoretischen Sozialismus und Kommunismus aufgefasst, darstellt. In beiden Fällen muss der Vorrang der Arbeit betont werden. Gegenüber dem Kapital muss ausgeführt werden, dass die Gesamtheit der Mittel "das geschichtlich gewachsene Erbe der Arbeit ist (12)". Das gilt von den einfachsten Werkzeugen bis zu den kompliziertesten Maschinen, von der Gesamtheit der Produktionsmittel einschließlich des Kapitals. Diese Entwicklung fordert von dem Menschen zur Einbringung seiner Arbeitsfähigkeit eine immer bessere Ausbildung und Vorbereitung auf die Arbeit. Alles, was Kapital ist, ist nur eine Summe von Dingen. Der Mensch allein als Subjekt der Arbeit ist Person (12). Auch im dialektischen Materialismus ist der Mensch nicht Subjekt der Arbeit und Wertursache des Produktionsprozesses, "sondern wird in Abhängigkeit vom Materiellen gesehen und behandelt, als eine Art 'Ergebnis', der die betreffende Zeit prägenden Wirtschafts- und Produktionsverhältnisse (13)." In einer rasch fortschreitenden Industrialisierung hat man bei der Vermehrung der materiellen Reichtümer den Menschen aus dem Auge verloren. Änderung gibt es nur "auf der Linie einer entschiedenen Überzeugung vom Primat der Person über die Sache, der menschlichen Arbeit über das Kapital als die Gesamtheit der Produktionsmittel (13)."

Das Eigentum an Produktionsmittel wird nicht als Lehre bezeichnet, die unantastbar ist. Sie muss einer Revision unterzogen werden, denn das Kapital als Gesamtheit der Produktionsmittel ist die Frucht der Arbeit von Generationen (14). Hier müssen die Gedanken des Miteigentums, der Mitbestimmung, der Gewinnbeteiligung, der Arbeitnehmeraktien und ähnliches weiter überlegt werden. Eine Sozialisierung wird dann nicht genügen, wenn das Kapital von wenigen auf die Gesellschaft übergeht und dort wieder von einer Personengruppe verwaltet wird. Das wäre Sozialisierung im kollektivistischen Sinne. Echte Sozialisierung kann nur dann vorliegen, wenn der Subjektcharakter der Gesellschaft gewahrt wird, "das heißt, wenn jeder aufgrund der eigenen Arbeit den vollen Anspruch hat, sich zugleich als Miteigentümer der großen Werkstätte zu betrachten, in der er gemeinsam mit allen anderen arbeitet (16)." Ein Weg auf dieses Ziel hin könnte es sein, eine große Vielfalt mittlerer Körperschaften mit wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Zielsetzung ins Leben zu rufen. Dadurch könnte Eigentum mit Kapital verbunden werden. Diese Körperschaften müssten echte Autonomie gegenüber den öffentlichen Behörden haben, aber in Zusammenarbeit unter Rücksicht des Gemeinwohls. Der Mensch muss in des Bereichen der Produktion das Bewusstsein haben können, in seinem eigenen Bereich zu arbeiten (14f). Der Mensch hat eine moralische Verpflichtung zur Arbeit im weitesten Sinne des Wortes, gleichzeitig aber auch ein moralisches Recht auf Arbeit. Er schuldet die Arbeit seinen Mitmenschen, der Familie, der Gesellschaft, der Menschheitsfamilie. Er ist Erbe von Generationen und Mitarbeiter der Zukunft.

Dieses Recht auf Arbeit kann nach Johannes Paul II. nicht bei dem direkten Arbeitgeber angefordert werden, sondern bei dem "indirekten Arbeitgeber". Wer der indirekte Arbeitgeber ist, muss aus dem Gesamtheit des wirtschaftlichen Profils eines Landes und Staates eruiert werden. Es ist das sozio-ökonomische System. Der Begriff lässt sich vor allem auf den Staat anwenden, da ihm ja die gerechte Arbeitspolitik obliegt (17). Um der Arbeitslosigkeit entgegenzutreten, müssen alle, die "indirekte Arbeitgeber" sind, "für eine Gesamtplanung zu Gunsten jener differenzierten Werkstatt sorgen, in der sich nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das kulturelle Leben eines Landes formt; darüber hinaus müssen sie auf eine korrekte und rationelle Organisation der Arbeit in dieser Werkstatt achten. Diese Gesamtsorge obliegt letzten Endes dem Staat, darf jedoch nicht einer einseitigen Zentralisierung durch die öffentliche Hand gleichkommen (18)." Immerhin kritische Äußerungen zur Tendenz, die Lösung aller Probleme in der Welt nur dem Markt zu überlassen.

Arbeit hat auch Einfluss auf das Erziehungssystem. Dies soll in erster Linie die Entwicklung einer reifen Menschlichkeit zum Ziel haben, dann aber auch die fachliche Befähigung am rechten Platz in der großen und sozial differenzierten Werkstatt mitarbeiten zu können.

Dann wird das Thema des gerechten Lohnes angesprochen. Dieses muss ausgehen vom Prinzip der gemeinsamen Nutznießung der Güter. Hier wird die Bezahlung zu einem Maßstab der Gerechtigkeit eines Systems. Das betrifft auch den familiengerechten Lohn und die besonderen Sozialleistungen und Zulagen für die Mütter. Es bedarf einer Aufwertung der mütterlichen Aufgaben, wobei die Mutterrolle hier wieder sehr einseitig herausgearbeitet wird. Die Aufwertung der Frau darf nach Aussage der Enzyklika nicht dadurch Schaden leiden, dass sie in ihrer Eigenheit und unersetzlichen Rolle für die Familie zum Schaden der Familie zu kurz kommt (44).

Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit dem Einsatz der Gewerkschaften für die Rechte der arbeitenden Menschen und für die Würde der Arbeit. Die Gewerkschaften nehmen Teil am Kampf für die soziale Gerechtigkeit. Dieser Kampf muss aber als ein normaler Einsatz für ein gerechtes Gut angesehen werden. Es ist kein Kampf gegen andere. Arbeit eint die Menschen. Darin besteht ihre soziale Kraft. Es ist der Einsatz für soziale Gerechtigkeit, eine Anfrage an die Kirche in unserem Land.

Hier wird dann ausdrücklich davon gesprochen, dass der subjekthafte Charakter der Arbeit in den einzelnen Berufen unterschiedlich sei. Hier eröffnen sich der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Gewerkschaften große Möglichkeiten, auch der Förderung der Selbsterziehung. "Es ist stets zu wünschen, daß es den Arbeitnehmern dank des Wirkens seiner Gewerkschaft gelingt, nicht nur mehr zu 'haben', sondern vor allem mehr zu 'sein', sein Menschsein also in jeder Richtung zu verwirklichen (20)." Gerade durch Bildung erschließt sich nach Auffassung der Enzyklika ein Weg zum Subjektwerden, zur Arbeit als Menschenwürde.

Unter dem Thema "Solidargemeinschaft von Arbeitenden und Arbeitslosen" hatte die Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland für soziale Ordnung eine Studie zum Thema "Arbeit und Arbeitslosigkeit unter sozialethischer Rücksicht" herausgegeben (Eine Studie der Kammer der EKD für soziale Ordnung, Gütersloh 1982). Durch die Arbeitslosigkeit ist die Würde des Menschen angetastet und die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit in Gefahr. Dazu sagt die Kirche, dass der Mensch wichtiger ist als die Arbeit. In der Bibel wird die Arbeit doppelgesichtig beschrieben als Leid und Freude. Arbeit gehört aber zum Menschsein, das von der Gottesebenbildlichkeit bestimmt ist. Die Humanität der Arbeit hat noch den Akzent der Mitmenschlichkeit und Gemeinschaftlichkeit. Über die Gestaltung der Arbeitswirklichkeit werden eine Reihe von Kriterien aufgeführt, die notwendig sind für die Humanität der Arbeitswelt. Dies ist einmal die Freiheit, die Teilhabe, die Solidarität, die Gerechtigkeit und die Lebensmöglichkeit für alle Menschen und die kommenden Generationen. Aus dem Gesagten ergibt sich ein Recht für Arbeit. Auch hier wird die Arbeit von der Humanität her bestimmt und es werden Kriterien ausgewiesen, die erfüllt sein müssen, damit die Arbeit menschenwürdig wird.

1997 erschien das Wort des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland mit dem Titel "Für ein Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit." Die Massenarbeitslosigkeit war eines der wichtigsten Themen. Dazu wird ausgeführt.

"4.4 Menschenrecht auf Arbeit und neues Arbeitsverständnis

(151) Auch in Zukunft wird die Gesellschaft dadurch geprägt sein, daß die Erwerbsarbeit für die meisten Menschen den bei weitem wichtigsten Zugang zu eigener Lebensvorsorge und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben schafft. In einer solchen Gesellschaft wird der Anspruch der Menschen auf Lebens-, Entfaltungs- und Beteiligungschancen zu einem Menschenrecht auf Arbeit. Wenngleich dieses ethisch begründete Anrecht auf Erwerbsarbeit nicht zu einem individuell einklagbaren Anspruch werden kann, verpflichtet es die Träger der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Tarif- und Sozialpolitik, größtmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Beteiligung an der Erwerbsarbeit zu gewährleisten. Dabei geht es um mehr als entlohnte Beschäftigung. Vielmehr muß die Entlohnung in Verbindung mit den staatlichen Steuern, Abgaben und Transfers auch ein den kulturellen Standards gemäßes Leben ermöglichen. Zudem müssen Mitbestimmungsregelungen und humane Arbeits-bedingungen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern persönliche Entfaltungs- und Beteiligungschancen einräumen.

(152) Aus christlicher Sicht ist das Menschenrecht auf Arbeit unmittelbarer Ausdruck der Menschenwürde. Der Mensch ist für ein tätiges Leben geschaffen und erfährt dessen Sinnhaftigkeit im Austausch mit seinen Mitmenschen. Menschliche Arbeit ist nicht notwendigerweise Erwerbsarbeit. Unter dem Einfluß der Industrialisierung hat sich das Leitbild von Arbeit allerdings auf Erwerbsarbeit verengt. Je mehr jedoch die mit dem technischen Fortschritt einhergehende Steigerung der Arbeitsproduktivität ein Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Verringerung der Arbeitsplätze ermöglicht, desto fragwürdiger wird die Verengung des Arbeitsbegriffs auf Erwerbsarbeit. Deshalb kann die Gesellschaft dadurch humaner und zukunftsfähiger werden, daß auch unabhängig von der Erwerbsarbeit die Chancen für einen gesicherten Lebensunterhalt, für soziale Kontakte und persönliche Entfaltung erhöht werden. Insbesondere muß das System der sozialen Sicherheit darauf eingestellt werden, daß der Anteil kontinuierlicher Erwerbsbiographien abnimmt und daß mit der Pluralisierung der Lebensstile immer mehr Menschen zwischen Phasen der ganztägigen Erwerbsarbeit, des Teilzeiterwerbs und der Haus- und Familienarbeit wechseln.

(153) Eine Soziale Marktwirtschaft ist heute nicht mehr durch "Normalarbeitsverhältnisse" der Männer und eine nur indirekte materielle Versorgung und Absicherung der Frauen und Kinder zu verwirklichen. Jenseits konkreter Verteilungskonflikte zwischen den Geschlechtern steht die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bevölkerung heute nicht mehr in Frage. Wesentlich für die Gleichstellung ist, daß in Zukunft die Frauen einen gerechten Anteil an der Erwerbsarbeit erhalten und die Männer einen gerechten Anteil an der Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit übernehmen. Dieses Ziel wird nur schrittweise zu erreichen sein. Um so notwendiger ist es, die Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit und den ehrenamtlichen Dienst gesellschaftlich aufzuwerten und Benachteiligungen, z.B. bei den sozialen Sicherungssystemen, im Maße des finanziell Machbaren abzubauen.

(154) Leistungsansprüche, Zeitdruck und kurzfristiges Effizienzdenken sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Das hat Folgen für die Arbeitsbedingungen in zahlreichen Tätigkeitsfeldern. Zugleich steigen die Ansprüche an das Privatleben als Gegenwelt und flexible Ergänzung der Erwerbsarbeit. Die Lebensqualität vieler Beschäftigter wird beeinträchtigt. Stärker noch werden die Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten derer eingeschränkt, die in der schnellebigen Gesellschaft nicht mithalten können. Um so wichtiger erscheint angesichts dieser Entwicklung das Ziel, die Arbeitswelt und die Gesellschaft insgesamt kinder- und familienfreundlicher zu gestalten. Neben einer Verbesserung der Einkommen von Familien geht es hier u. a. um eine Erhöhung der Zeitsouveränität der Beschäftigten und um die kindergerechte Gestaltung städtischer und ländlicher Lebensräume sowie um die Bereitstellung bedarfsgerechten und bezahlbaren Wohnraums für Familien mit Kindern durch wohnungspolitische Maßnahmen.

(155) Wenn die Volkswirtschaft unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht mehr in der Lage ist, alle erwerbsbereiten Menschen zu beschäftigen, und gleichzeitig eine Auszehrung der unentgeltlichen und im Gemeinwohlinteresse unerläßlichen Tätigkeiten droht, so stellt sich der Politik einschließlich der Tarifpolitik die Aufgabe, hier entschieden gegenzusteuern. Sonst führt dies zu einer Vergeudung menschlicher Fähigkeiten und zu einem Verlust an Humanität in der Gesellschaft. Es geht einerseits um eine stärkere politische und soziale Anerkennung der Tätigkeiten außerhalb der Erwerbsarbeit als einem unersetzlichen Beitrag für die Gesellschaft. Und es geht andererseits um eine Hilfe beim Tragen der Lasten, welche Menschen unter den gegenwärtigen Bedingungen mit der Übernahme familialer Verantwortung auf sich nehmen. Es gibt nicht nur eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums, sondern auch eine Sozialpflicht des einzelnen."

Das Grundsatzprogramm der KAB führt aus: "Die Arbeit gehört zum Menschen. In Gemeinschaft mit anderen verwirklichen Frauen und Männer ihre unvergleichbare Würde als Abbild Gottes durch Arbeit. Hier gilt Arbeit für jede Art menschlicher Betätigung. Einzig und allein der Mensch ist zur Arbeit fähig. Arbeit als jede vom Menschen vollbrachte Leistung ist somit weit mehr als nur Erwerbsarbeit; sie ist absolut keine Ware, kein anonymer Produktionsfaktor. Der Mensch wird herabgesetzt, wenn er als ‚Arbeitskraft‘ benannt und behandelt wird." (Ziff. 5)."

1.2.1.3 Vermenschlichung der Arbeit - eine sozialethische Forderung

Der Ausgangspunkt der Fragestellung ist nicht neu, hat aber in der evangelischen Kirche vor allem durch die Situation der Arbeitslosigkeit in unserem Land Impulse bekommen; in der katholischen Kirche durch diese und insbesondere durch die Sozialenzyklika Johannes Paul Il. "Laborem exercens", die in diesen Fragestellungen aufbauend auf den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils neue Impulse setzt. Aus der evangelischen wie aus der katholischen Kirche soll je ein Vertreter der Sozialethik und der christlichen Soziallehre zu Wort kommen.

Nach F. Hengsbach "Die Arbeit hat Vorrang" (Mainz 1982), ist die Arbeit ein Grundwert. Sie ist mit einer solchen gesellschaftlichen Achtung ausgestattet, dass es berechtigt ist, sie in den Katalog dieser Werte aufzunehmen.

Je nach Gesellschaft wird aber die Arbeit unterschiedlich gewertet. In der Klassengesellschaft (idealtypisch gesehen), wird die Klasse durch ihren Anteil oder durch ihren Ausschluss von Autorität in Herrschaftsverbänden definiert. Die Arbeit wird gespalten in Arbeit und Muße. Eigentlich lebt man in der Freizeit. Das macht sich bis zur Ausbildung hin deutlich. Zwischen der allgemeinen und der beruflichen Ausbildung bestehen immer noch Rangunterschiede. Das macht sich darin deutlich, welche Wertung die Frau in der Arbeit hat. Die Mehrzahl der Frauen verrichten Arbeit am unteren Ende der Arbeitshierarchie In der egalitären Gesellschaft (auch als Idealtyp gesehen), in der das Kriterium der Gleichheit für möglichst alle auf ein umfangreiches System an Grundfreiheiten gilt, und Ungleichheiten nur begründet werden können, wenn sie jedem in einer fairen Chance offenstehen und gesellschaftlich und wirtschaftlich notwendig sind, ist Arbeit Befreiung, Aufhebung der Entfremdung und ein Weg zur Menschwerdung. Biblisch verstanden ist für Hengsbach Arbeit eine Form der Menschwerdung, ein Weg zur Partnerschaft und ein Dialog unter den Menschen. Arbeit in einer egalitären Gesellschaft hat mehrere Funktionsmerkmale, die Hengsbach in ein kreatives Dreieck mit folgenden Eckpunkten einordnet:

Die Naturalfunktion der Arbeit: Dabei geht es um den täglichen Lebensunterhalt, die Selbsterhaltung, aber auch die Erhaltung der Welt, in der wir leben.

Die Personalfunktion der Arbeit: Dabei geht es u m Selbstdarstellung des Menschen. Hierin kommt vor allem seine Würde zum Ausdruck. Gefordert ist die Humanisierung der Arbeit, damit sie in diese Personalfunktion kommen kann.

Die Sozialfunktion der Arbeit: Einmal erfolgt in der Arbeit die Selbstbestätigung durch den anderen in der gesellschaftlichen Resonanz. Dies drückt sich in verschiedenen Formen aus bis hin zur Mitbestimmung am Arbeitsplatz.

Arbeit hat sich immer als ein entscheidender Faktor bei der Umgestaltung der Welt und an der Gesellschaft bewiesen. Hengsbach betont, dass es ein Grundrecht auf Arbeit gibt, das auch in den Parteiprogrammen anerkannt wird und im Grundsatzprogramm der Gewerkschaften steht, also eine breite gesellschaftliche Zustimmung hat. Dieses Recht auf Arbeit ist einmal ein Recht auf eine Arbeitsgelegenheit, dann ein Recht auf eine menschenwürdige Arbeit, schließlich ein Recht auf eine sichere Arbeit. Der Rechtspartner ist ein privater Arbeitgeber oder der Staat. Die Verfassungen von Hessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bayern, Saarland, Bremen und Rheinland-Pfalz haben das Recht auf Arbeit aufgenommen. Ebenso steht es in den allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte der Vereinten Nationen in Artikel 23. Die Durchsetzung ist bisher nur indirekt möglich, in dem die Sozialstaatlichkeit ausgearbeitet wird, günstige Rahmenbedingungen gegeben und geeignete Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Es handelt sich um ein moralisches Recht, das zur Zeit noch nicht einklagbar ist. Eine subjektiv einklagbare Rechtsnorm brächte Schwierigkeiten. Ein Problem wäre, dass dann dem einzelnen ein Arbeitsplatz zugewiesen würde, womit ein Teil Freiheit verloren ginge. Flexibilität würde unter Umständen wegfallen. Das Recht auf Arbeit hat noch keinen einklagbaren Partner gefunden. Es sollte aber zu einer objektiven Verfassungsnorm erhoben werden. Dadurch wäre der Schutz der Arbeitskraft zum Staatsziel geworden und es würden die nachfolgenden Gesetze und z.B. die Entscheidungen der Bundesbank unmittelbar daran gebunden werden. Indirekt entstünde so Einfluss auf die Sozialpartner. Eine solche Frage kann aber wohl nur noch europäisch gelöst werden.

Arbeit lässt den Menschen voll heranreifen. Das Kriterium der Mitmenschlichkeit ist das Hauptkriterium, das in den Kriterien Freiheit, Solidarität und Partnerschaft die Humanität der Arbeit bewertet. Arbeit zielt nicht nur auf Existenzerhaltung, sondern ist auch sozial für andere da. Daraus ist die Pflicht zur Arbeit zu verstehen. Wenn eine solche Pflicht besteht, ist ein Recht zu postulieren. Jede Gesellschaftsordnung, die ein bestimmtes Maß an struktureller Arbeitslosigkeit einkalkuliert, ist grundsätzlich abzulehnen. Zu den Forderungen gehört die menschlichere Gestaltung der Arbeitsverhältnisse durch Verbesserung des Arbeitsklimas, durch Verbesserung der Fertigungsprozesse, durch die Ergänzung der Struktur der kapitalistisch gestalteten Industrieverhältnisse, z.B. auch durch die Mitbestimmung des einzelnen Arbeitnehmers am Arbeitsplatz.

Am Thema Recht auf Arbeit zeigt sich die Problematik der sozialen Menschenrechte und ihrer Durchsetzbarkeit. Die Frage nach dem "indirekten Arbeitgeber" ist nach wie vor offen und ungelöst. Sozialethisch bleibt aber die Forderung nach dem Recht auf Arbeit. Eine Gesellschaft, die diese Problematik nicht lösen kann, ist noch weit von Menschenwürde im Bereich der Arbeit entfernt. Wird es aber der Lösungsweg sein, alle Pflichten auf den Staat zu übertragen? Er muss sicher Sorge dafür tragen, im Sinne der Sozialenzyklika Johannes Paul II., dass die Verantwortlichen zusammenkommen und sich um eine Lösung mühen, ggf. selbst die gesetzlichen Rahmenbedingungen für solche Lösungen schaffen. Probleme entstehen nicht von selbst, sondern durch menschliches Arbeiten. Sie müssen auch durch menschliches Wirken wieder gelöst werden. Dazu gehört auch ein gewisses Maß an Voraussorgen in der Planung.

Die Arbeit hat Vorrang vor dem Kapital. Dies ist eine der deutlichen Aussagen christlicher Soziallehre, und dabei müssen Formen des Wirtschaftens gefunden werden, in denen dies zum Ausdruck kommt. Wege dazu werden in "Laborem exercens" in den Körperschaften mittlerer Größe mit Eigenverantwortung der Mitglieder aufgezeigt. Alle Unternehmensmodelle, in denen das Kapital in der Mitbestimmung die Mehrheit vor der Arbeit hat, sind vor der, christlichen Soziallehre, nach Auffassung des Verfassers, nicht mehr zu rechtfertigen. Diese Frage wird von der offiziellen Sozialverkündigung in der Diskussion offengelassen, viele Akzente weisen jedoch in diese Richtung. Auch in der paritätischen Unternehmensverfassung ist der Vorrang der Arbeit vor dem Kapital noch nicht gewährleistet, obwohl auch hier die offizielle Sozialverkündigung offen bleibt.

In laboristischen Unternehmensmodellen, entwickelt von A. Berchtold und 0. Sik, wird versucht, das Kapital zu neutralisieren, es aber weiterhin in einer demokratischen Verfassungsform wirksam sein zu lassen.

0. Sik nennt dies den dritten Weg, nämlich den Weg zwischen Kollektivismus und Kapitalismus. Er möchte die Initiative, das Engagement und die Mitbestimmung der Arbeit erhalten wissen. Dies geschieht durch Gründung von Mitarbeitergesellschaften, die einmal aus einer Vermögensverwaltungs- und zum anderen aus einer Betriebsführungsgesellschaft bestehen. Beide sind der Mitarbeiterversammlung verantwortlich. Für kleinere und Privat- und Handwerksbetriebe schlägt er andere Formen der Beteiligung vor (O. Sik, Humane Wirtschaftsdemokratie, Ein dritter Weg, Zürich 1979).

Das laboristische Modell von A. Berchtold nimmt auch eine Reihe von Betrieben aus, z.B. auch die Kleinstbetriebe. Die Belegschaftsversammlung umfasst alle im Unternehmen arbeitenden Personen, mit Ausnahme der Unternehmensleitung. Sie wählt einen Unternehmensrat auf vier bis sechs Jahre. Er ist das Legitimations-, Kontroll- und Entscheidungsorgan. Die Unternehmensleitung wird vom Unternehmensrat auf Vorschlag des Verwaltungsrates berufen. Sie ist für die Geschäftsführung des Betriebes verantwortlich. Der Verwaltungsrat wird zu gleichen Teilen zusammengesetzt aus Mitgliedern des Unternehmensrats, aus Belegschaftsmitgliedern, aus wirtschaftlich unabhängigen, der Belegschaft nicht angehörenden Fachleuten, aus Vertretern der nicht zur Belegschaft gehörenden Kapitaleigner und aus Vertretern der regionalen Körperschaften. Sie berät die Unternehmensleiter und den Unternehmensrat. Der Betriebsrat wird von der Belegschaft gewählt. Er hat die Interessen der Belegschaft gegenüber der Unternehmensleitung sicherzustellen. Berchtold führt dies auch für die Gesamtwirtschaft aus. Dieses Modell sollte mit all seinen Problemen weiter diskutiert werden (A. Berchthold, Das Modell einer laboristischen Ordnung, in: E. Schröder u.a. Modell einer laboristischen Ordnung, Düsseldorf 1980, S 40-58).

Es gibt noch weitere ausführliche Untersuchungen zu diesem Thema. Neuerdings werden Gedanken zur Ablösung des Kapitalismus durch ein grundsätzliche demokratisches Arbeitsmodell entwickelt (I. Kurz-Scherf, Ende der Arbeitsgesellschaft? Oder: Wenn der bürgerlichen Gesellschaft die Arbeit ausgeht, in: Th. Geisen u.a. Zukunft ohne Arbeit, Frankfurt 1998 S 17-62) Es fehlen aber die Wege zur Konkretisierung.

Auch die KAB Westdeutschlands (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung) hat sich erneut dieser Frage angenommen. Im Modell ihres Wissenschaftlichen Beirates "Unternehmensrecht", "Unternehmensumwandlungen und Beteiligung der Arbeitnehmer" Das KAB-Modell "Partnerschaft durch Parität", sieht sie in der Unternehmensversammlung, die für grundsätzliche Entscheidungen zuständig ist, Parität zwischen Kapital und Arbeit vor. (Stand: Juni 2000) (Unter KAB Downloads Westd. Verband)

"V. Das KAB-Modell

Partnerschaft durch Parität

Das KAB-Modell einer partnerschaftlichen Unternehmensverfassung ist jenen Schwierigkeiten nicht ausgesetzt. Auch hier bleibt es den Anteilseignern unbenommen, über ihre Anteile (Aktien, Gesellschaftsanteile) zu verfügen bzw. solche zu erwerben. Damit erlangen sie jedoch nur Anteil bzw. die Mehrheit in der Teilkörperschaft der Kapitaleigner des Unternehmens. Demgegenüber werden Beschlüsse über die Auflösung des Unternehmens, über die Genehmigung von Unternehmensverträgen und von Vermögensübertragungen als Ganzes von der Unternehmensversammlung gefasst, die sich aus paritätisch von den Teilkörperschaften der Arbeitnehmer und der Kapitaleigner des Unternehmens gewählten Mitgliedern zusammensetzt. Unternehmensumwandlungen sind somit auch nach dem KAB-Modell möglich und oftmals auch erforderlich, - aber eben nicht ohne die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer!"

Viele Fragen sind noch ungelöst, vor allem die nach dem gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang. Entscheidend ist aber, dass in der Betriebsverfassung und Wirtschaftsordnung deutlicher wird, dass Arbeit Vorrang vor dem Kapital hat und dass sich dies auch noch mehr als bisher in den Unternehmens- und Betriebsverfassungen durchsetzt. Die paritätische Mitbestimmung ist das mindeste, was von der Soziallehre gefordert werden muss. Arbeit ist eine Menschenwürde, Kapital ist Instrument, das muss auch im Verhältnis zueinander zum Ausdruck kommen. Konsequenzen der Arbeit als Menschenwürde

Es besteht gesellschaftlicher Konsens darüber, dass es einen Grundwert Arbeit gibt. Dieser wird letztlich in der Würde des Menschen festgemacht. Arbeit ist eine ganz wesentliche Funktion des Menschen, die nicht entfremdet werden darf. Arbeit als Menschenwürde ist auch die Lehre der Kirche, die auch von anderen Kirchen verkündet wird. Die Sozialethiker und die Vertreter der katholischen Soziallehre begründen diese Aussage.

Die Arbeit dient nicht nur der persönlichen Erhaltung, Entfaltung und Darstellung des einzelnen Menschen, sondern hat auch soziale Dimensionen, die den Menschen befähigen, für andere da zu sein, in Gemeinschaft mit anderen zu stehen, in der Familie, im Staat, in der Gesellschaft bis hin zur ganzen Menschheitsfamilie. Diese Menschenwürde ist unteilbar. Sie ist für alle Menschen ein in ihrem Menschsein vorgegebener Anspruch, der immer wieder verwirklicht werden muss.

Arbeit ist körperliche Arbeit, geistige Arbeit, ist naturales Erhalten, Herstellen von Werken und Schaffen von gesellschaftlichen Wirklichkeiten. Sie steht immer in einem Strom, der aus der Vergangenheit kommt und an dem alle Menschen, die gemeinsam an diesem Werk oder der Werkstatt der Menschen tätig sind, teilhaben. Arbeit in diesem Sinne ist alle Anstrengung, die dem Erhalt, der Ermöglichung und der Schaffung von menschenwürdigen Verhältnissen in unserer Welt dient, die dem einzelnen ein Leben in einer menschenwürdigen Gesellschaft in Achtung und Würde ermöglicht. Dies ist nicht entfremdete menschenwürdige Arbeit.

Grundkriterien der Menschenwürde sind Freiheit, Solidarität und Teilhabe. In der Freiheit wird die Gottesebenbildlichkeit des Menschen deutlich, seine Herrschaft über die Welt, seine Herrschaft über die Natur, die sich in der Arbeit ausdrückt. Dies verlangt, dass Arbeitsverhältnisse so zu gestalten sind, dass sie dem Menschen ein größtmögliches Maß an Freiheit und Selbstbestimmung erbringen. Arbeit schafft nicht einfachhin die Bedingungen für Spiel in der Freizeit, für das Genießen einer menschenwürdigen Lebenssituation, sondern soll als Ausdruck menschlicher Freiheit und Herrschaft erfahren werden. Dies verlangt andere Formen der wirtschaftlichen Verfassung und Mitverantwortung, wie sie heute vorhanden sind.

Solidarität macht hier wieder deutlich, dass diese Freiheit immer nur intersubjektiv gewonnen werden kann; eine Solidarität, die definiert ist von der Liebe zum Nächsten, für die Gott uns frei gemacht hat. Die Solidarität lässt nicht zu, dass jemand in seiner Menschenwürde und in seiner Würde der Arbeit verletzt wird, sie enthält also Verantwortungsperspektiven für die nächste Umgebung, für den Betrieb, für das Volk und für die Menschheitsfamilie. Diese Solidarität wird heute vor allem für die armen Länder eingefordert, aber auch für unser Umgehen mit der Natur und den kommenden Generationen.

Teilhabe besagt, dass an dem, was an gesellschaftlicher Wirklichkeit geschaffen wird, möglichst alle ihren gerechten Anteil haben können. Dies verlangt auf Dauer eine egalitäre Gesellschaft, die durch den Abbau krasser Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten, wie sie heute noch in unserem Land und aller Orten vorliegen, zu errichten wäre. Es stellt sich die Frage, ob die Entlohnung in der heutigen Form auf Dauer noch haltbar ist und ob nicht vom Schaffen einer menschenwürdigen Welt her eine größere Gleichheit im Sinne von mehr ausgleichender Gerechtigkeit gefordert wäre. Teilhabe heißt aber auch, dass die Entfremdung der Arbeit aufgehoben, dass mehr Mitbestimmung im Betrieb und am Arbeitsplatz möglich werden muss.

Die Arbeit gehört unmittelbar zur menschlichen Person, sie ist ein Teil der menschlichen Würde. Das Kapital ist immer nur Werkzeug und deshalb auch in jeder Beziehung der Arbeit nachzuordnen. Deshalb bedarf es neuer Organisationsformen in unserer Wirtschaft, die diesen Vorrang . eindeutig zum Ausdruck bringen. Dies ist eine grundsätzliche Kritik an allen Unternehmensverfassungen, die Arbeit dem Kapital nachordnen, sei es in Privat- oder gesellschaftlicher Hand. Auf diese Weise wird eine Entfremdung der Arbeit von den Ergebnissen dieser Arbeit aufgehoben. Der arbeitende Mensch wird zum Subjekt des Unternehmens und so nicht nur in seiner Arbeit primär als Faktor gesehen, der Kosten verursacht.

Im Jahr 2000 ist die Arbeit dem Kapital erbarmungslos unterlegen. So heißt es heute: 1990 musste ein Arbeitsloser sich rechtfertigen, dass er mit 60 schon arbeitslos war, heute muss er sich rechtfertigen, wenn er noch arbeitet. Was ist aus der Arbeit geworden?

Die Arbeit ist eine Menschenwürde. Massenarbeitslosigkeit ist ein würdeloser Zustand der Gesellschaft und für den Betroffenen, deshalb muss alles getan werden, diesen Zustand zu überwinden. Dies könnte als das kritische Handlungskriterium bezeichnet werden, dass sich aus den Texten ergibt.

1.3 Wege zur Beschäftigung

1.3.0 Hinführung

Die Arbeitslosigkeit darf nicht zu einer Dauersituation werden. Es sind verschiedene Wege zu gehen, sie abzubauen. Übergänge in einen normales Arbeitsverhältnis sind Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Sie sind solange notwendig, wie Menschen in großem Maße arbeitslos sind. Weiterhin darf die Arbeitszeitverkürzung nicht zurückgestellt werden. Die schnelle wachsende Arbeitsproduktivität macht sie notwendig. Das hohe Maß an Überstunden ist zu reduzieren.

Hinzu kommen aber noch eine Reihe von mittelfristigen Maßnahmen. Dazu gehören Energiesteuer, um damit die Arbeitskosten zu senken, Erschließung neuer Arbeitsfelder im bisher ehrenamtlichen Bereich und Einbeziehung der Erziehungsarbeit in die volkswirtschaftliche Bilanz auch auf der Einnahmenseite z.B. in einem Erziehungsgehalt.

1.3.1 Schaffung von Arbeitsplätzen

Auch dieses Thema kann hier nur angedeutet werden. Es wird dabei auch deutlich betont, dass diese Arbeitsplätze die Frauen vorrangig berücksichtigen müssen, außerdem müssen sie ökologischen Ansprüchen genügen.

1.3.1.1 Kurzfristige Maßnahmen

Kurzfristige Maßnahmen sind z.B.:

Arbeitszeitverkürzung

Abbau von Überstunden

Bekämpfung der Schwarzarbeit

Einsatz der Energiesteuer für die Schaffung ökologischer Arbeitsplätze

Investition in zukunftsorientierte Bereiche in Informationstechnologie und qualifizierter Dienstleistung

Sicherung der Arbeitsplätze im Mittelstand in Handwerk

Weiterbildung

Entlastung der Lohnnebenkosten durch Erhöhung der Abschöpfung von Gewinnen

Wir brauchen ein Bündnis für Arbeit

1.3.1.2 Mittel- und langfristige Maßnahmen

Mittel- und langfristige Maßnahmen sind anzugehen. Es können hier nicht alle aufgeführt werden. Auf lange Zeit wird uns vermutlich eine hohe Arbeitslosigkeit begleiten. Ein Abbau wird vermutlich erst dann eintreten, wenn die Bevölkerung der Bundesrepublik in einigen Jahren drastisch abnimmt. Das wird etwa zwischen 2020-2030 (2030 5-10% weniger Bevölkerung je nach Zuwanderung) problematisch werden, gleichzeitig wird auch die Zahl der älteren Personen abnehmen. Dies muss bei den Überlegungen mit berücksichtigt werden, keine Lösung ist endgültig. So gibt es auch Berechnungen dass bei Durchschnittsproduktivitätssteigerung von 1,5,% jährlich und 2,5% und Steigerung der Arbeit jährlich die Unterbeschäftigung 2040 bei fasst 9 Millionen liegt. Wie der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft dann wirklich aussehen, ist schlecht vorauszusagen. Wir brauchen Lösungen, die für die nächsten 10-20 Jahre helfen. Hohe Arbeitslosigkeit wird uns vermutlich noch lange begleiten. Sicher ist, dass der Abbau im Produktionsbereich weitergehen wird und die Dienstleistung vermutlich Zuwächse hat. Auf eine sich von selbst ergebende Lösung des Problehmes werden wir nicht vertrauen können. Alle Lösungen müssen aber eine gewisse Toleranz auf Änderung haben, das entspricht dem Wesen der gesellschaftliche und wirtschaftlichen Entwicklung. Gewährleistet sein muss aber immer die Möglichkeit zur Partizipation an der Arbeit in unserer Gesellschaft. Einen goldenen Weg zum Abbau der Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Einige Modelle seien hier angesprochen, unabhängig von der Frage, ob der Autor des Briefes sich damit identifizieren kann, sie müssen aber diskutiert werden.

Ausweitung der Arbeit auf bisher nicht oder kaum in der Einnahme gerechnete Bereiche z.B. über Honorare für Erziehung und gesellschaftliches Engagement

Diskussion einer allgemeinen Grundsicherung, die durch eigene Erwerbsarbeit aufgestockt werden kann, Club of Rome

Schauen was andere Länder getan haben am Beispiel Niederlande

Triade der Arbeit

1. Ausweitung der Arbeit auf bisher nicht oder kaum in der Einnahme gerechnete Bereiche z.B. über Honorare für Erziehung und gesellschaftliches Engagement

Der Deutschen Arbeitskreis für Familienhilfe e.V. Freiburg, Eschbacherweg 6 79199 Kirchzarten, hat eine Studie zum Erziehungsgehalt 2000 herausgegeben. Dazu gibt es auch eine Kurzfassung.

Erwerbs- und Familienarbeit sind gleichwertig. Mit einem Erziehungsgehalt soll zu einem neuen Gesellschaftsvertrag beigetragen werden, der die Familienarbeit materiell anerkennt und eine Balance zwischen Familienarbeit und außerhäuslicher Erwerbsarbeit fördert. Ziel des Erziehungsgehalts ist es, dass Väter und Mütter frei zwischen beiden Arbeitsformen entscheiden können. Weiterhin sollen Väter einen wirtschaftlichen Anreiz zur Familienarbeit erhalten, der Markt für qualifizierte Betreuungsarbeit massiv belebt werden, ein Beitrag zur Reduzierung der Massenerwerbslosigkeit geleistet werden und Erziehende eine langfristige Risikosicherung gegen Armut erhalten.

Und so sieht zum Beispiel die Modellrechnung bei Erziehungsgehalt I: erwerbszeitabhängig/einkommensunabhängig 1. bis 7. Jahr (bzw. bis Schuleintritt) des jüngsten Kindes aus:

Grundbetrag (bei einem Kind): 2.000 DM per Monat

Zusatzbetrag für jedes weitere Kind: 1.000 DM per Monat

Solchen Modellen wird vorgeworfen, dass sie frauenfeindlich seien, weil es in der Regel nur Frauen seien, die aus ihrem Beruf gingen um diesen Weg zu gehen. Das würde aber den Anteil der Frauen im herkömmlichen Berufsleben noch einmal schwächen. Hier müsste eine Lösung greifen, dies schon in anderen Ländern praktiziert wird, dass der Erziehungsurlaub zwischen Frau und Mann paritätisch aufgeteilt werden muss, wenn eine solche Regelung in Anspruch genommen werden soll.

2. Diskussion einer allgemeinen Grundsicherung, die durch eigene Erwerbsarbeit aufgestockt werden kann, Club of Rome

Oria Giarini, Patrick M. Liedtke, Wie wir arbeiten werden, der neue Bericht an den Club of Rome, Hamburg 1998

Der Club of Rome will die Arbeitslosigkeit abschaffen. Forscher plädieren für eine "neue Politik der Vollbeschäftigung" / 20-Stunden-Woche als garantiertes Minimum. (nach Frankfurter Rundschau vom 20.2.98, von Joachim Wille)

Die Arbeitslosigkeit wird abgeschafft. Der Staat garantiert jedem eine bezahlte Grundbeschäftigung von 20 Wochenstunden, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe gibt es nicht mehr. Das Arbeitsleben wird flexibler und endet nicht abrupt mit 60 oder 65, sondern läuft langsam aus. Freiwillige Tätigkeiten werden als wesentlicher Teil des Wohlstands eines Staates erkannt und gefördert. Das sind Kernpunkte einer "neuen Politik der Vollbeschäftigung", die der Club of Rome entwerfen ließ. Arbeit ist unerlässlich für das Selbstwertgefühl des Menschen. Gemeint ist aber nicht nur die klassische Erwerbsarbeit. Auch die Familienarbeit in Kinderbetreuung und Erziehung muss aufgewertet werden, weil sie maßgeblich zum Funktionieren einer Gesellschaft beiträgt. Die Autoren sehen in der modernen Dienstleistungsgesellschaft keine Möglichkeit für eine Art Vollbeschäftigung, wie sie in Deutschland in den 60er Jahren bestand. Genügend klassische Arbeitsplätze für alle seien wegen der hohen Produktivitätsgewinne und der veränderten Arbeitsstrukturen weder durch beschleunigtes Wirtschaftswachstum noch durch weitere umfassende Arbeitszeitverkürzung zu erreichen. Trotzdem muss die hohe Arbeitslosigkeit aufgebaut werden.

Die Autoren tragen ein Drei-Schichten-Modell vor.

In der ersten Schicht sorgt der Staat dafür, dass jeder Arbeitslose eine "Grundversorgung" mit Arbeit bekommt. Motto: "Den Menschen soll geholfen werden, tätig zu sein, anstatt sie dafür zu bezahlen, untätig zu sein." Die Mittel, die bei Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und sonstigen Unterstützungen gespart werden, reichen aus, um diese Basiseinheit der "offizieller Arbeit" zu finanzieren - so in Sozial- und Sicherheitsdiensten, bei kommunalen Arbeiten sowie im Umweltschutz und der Lehre.

Auch die zweite Schicht - die klassische Erwerbsarbeit, die weiter den "Mittelpunkt der Wirtschaft" darstelle und außer durch gesetzliche Rahmenbedingungen staatlich nicht reglementiert werden solle - muss sich ändern: Mehr Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, Telearbeit, Bezahlung nach Leistung statt Seniorität, gleitender Einstieg in das Arbeitsleben (während der Ausbildung) und gleitender Ausstieg, ständige Fortbildung sowie Vermögensbildung bei Arbeitnehmern sollen Produktivität und Wohlstand steigern. Steuerreform und andere Maßnahmen müssen für ein ökogerechtes Produzieren sorgen.

Die dritte Schicht - die freiwillige Arbeit - soll etwa dadurch aufgewertet werden, dass sie ähnlich wie das Wirtschaftswachstum regelmäßig gemessen wird. Würde Arbeit in Familie, Haushalt oder Ehrenamt in Geld bewertet, läge das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um ein Drittel höher.

Das Problem einer solchen Lösung liegt nach den dem Verfasser vorliegenden Aussagen vor allem in der staatlich gesicherten Grundarbeit. Hier müsste Sorge dafür getragen werden, dass aus dem Recht auf Arbeit keine Pflicht zu Arbeit wird, die sonst niemand leisten will. Bisherige Erfahrungen in dieser Richtung überzeugen nicht gerade. Hier muss noch weiter nachgedacht werden.

3. Schauen was andere Länder getan haben am Beispiel Niederlande

Während in Deutschland die Beschäftigung seit Jahren zurückgeht und die Arbeitslosigkeit neue beängstigende Höhen erreicht hatte, zeichnet sich die Arbeitsmarktbilanz der Niederlande durch hohe Beschäftigungsgewinne und niedrige Arbeitslosenquoten aus. Ein Grund, sich das "Modell Niederlande" einmal näher anzuschauen.

Der Text stammt im Wesentlichen aus einer Arbeitshilfe der KAB Westdeutschlands "Die Zeichen der Zeit erkennen – Arbeit und Leben neu gestalten Köln 1998". Sie diente der Vorbereitung des Verbandstages in Bottrop 1999.

"Arbeitslosigkeit

Anfang der 80er Jahre hatte die Niederlande eine der höchsten Arbeitslosenquoten der europäischen Industriestaaten. Diese lag beträchtlich über der der Bundesrepublik. Danach ging die Arbeitslosenquote bis heute auf unter 6 % zurück. Ein Problem bleibt weiterhin der hohe Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit, von der bestimmte Personengruppen überproportional betroffen sind.

Beschäftigung

Zwischen 1983 und 1993 wiesen die Niederlande mit jahresdurchschnittlich 1,8 % das höchste Beschäftigungswachstum in den Ländern der Europäischen Union auf. Gespeist werden die Beschäftigungsgewinne von einer Zunahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und einem Anstieg der Erwerbsquoten, vor allem der Frauen. Weiterhin steigt bei gleich hohem Wirtschaftswachstum wie in Deutschland die Produktivität in den Niederlanden wesentlich langsamer, so daß schon geringe Wachstumsraten Beschäftigungsimpulse auslösen. Wichtigster Eckpfeiler des Beschäftigungswachstums ist die Umverteilung des Arbeitsvolumens auf mehr Beschäftigte. Neben Arbeitszeitverkürzung bei Vollzeitbeschäftigung ist dafür in erster Linie der gewaltige Anstieg der Teilzeitbeschäftigung verantwortlich. Mit einem Anteil von 38 % aller Erwerbstätigen in 1996 weisen die Niederlande die mit Abstand höchste Teilzeitquote in der westlichen Welt auf. Mehr als 60 % aller erwerbstätigen Frauen und 17 % aller Männer sind teilzeitbeschäftigt. (Zum Vergleich: Die Teilzeitquote in der Bundesrepublik liegt derzeit bei 17 %.)

Soziale Sicherung

Die Umverteilung des Arbeitsvolumens in den Niederlanden ist nicht denkbar ohne eine andere Organisation der sozialen Sicherung, insbesondere im Alter. Alle Personen mit Wohnsitz in den Niederlanden sind grundsätzlich in den niederländischen Volksversicherungen pflichtversichert. Eckpfeiler der Alterssicherung, die bei Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt wird, ist eine von Erwerbsarbeit unabhängige Alterspension. Diese stellt eine Grundsicherung dar und wird aus Arbeitnehmerbeiträgen finanziert. So erhalten verheiratete oder unverheiratete Paare je eine Alterspension von ca. 1020 DM im Monat, Alleinstehende erhalten ca. 1470 DM im Monat. Dieses System der Regelsicherung wird durch betriebliche und private Zusatzversorgungsformen ergänzt. Insbesondere die Betriebsrenten auf Pflicht- und auf freiwilliger Basis haben in den Niederlanden eine große Bedeutung. Der von der betrieblichen Altersversorgung erfaßte Personenkreis beträgt rund 90 %.

Beschäftigungspolitische Reformen

Das niederländische Modell ist das Ergebnis einer Reihe von Reformschritten, die von unterschiedlichen Regierungen und wechselnden Koalitionen im Lauf der Zeit durchgeführt wurden. Die Grundlagen hierfür wurden Anfang der 80er Jahre gelegt, als sich Regierung und Sozialpartner einigten, Lohnermäßigung im Gegenzug für Arbeitszeitverkürzungen und für neue, auch flexible Arbeitsplätze zu akzeptieren. Besonderes Merkmal aller bisherigen Aktivitäten sind intensive Gespräche zwischen Sozialpartnern und Regierung, die zu einem Konsens führen, der von den gesellschaftlichen Gruppen getragen und dann auch nicht mehr in Frage gestellt wird."

(Quellen: Aus: IAB Kurzbericht, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, Nr. 12, 12.12.1997 "Rentenversicherung in den Niederlanden", Merkblatt, Hg.: LVA Westfalen, Münster 1998
"Kurze Übersicht über die soziale Sicherung in den Niederlanden", Hg.: Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten, Den Haag 1997, "Soziale Sicherung in West-, Mittel- und Osteuropa", Hg.: Gesellschaft für Versicherungswirtschaft und –gestaltung e.V., Baden-Baden, 1994)

4 Triade der Arbeit

Die Zeichen der Zeit erkennen - Arbeit und Leben neu gestalten

Zielperspektive: Arbeit und Leben neu gestalten

(11) Arbeit ist mehr als Erwerbsarbeit. Eine sich in Veränderung befindende Erwerbsarbeitsgesellschaft muß deshalb andere Formen der Arbeit anregen und ausbauen. Es geht ihr dabei gleichermaßen um eine "Befreiung in der Arbeit" und eine "Befreiung von der Erwerbsarbeit" in den derzeit vorherrschenden Strukturen und Abhängigkeiten. Andere Formen der Arbeit und der Erwerbsarbeit im Besonderen sind in Ansätzen bereits da. Wir brauchen einen neuen Ausgleich und eine neue Verhältnisbestimmung zwischen Erwerbsarbeit, Privatarbeit und gemeinwesenbezogene Arbeit. Diese tragen in besonderer Weise zu der gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfung bei. Sie bilden eine "Triade der Arbeit". Zwischen diesen drei gleichberechtigten und notwendigen Bereichen menschlicher Arbeit muß eine größere Durchlässigkeit und mehr Flexibilität geschaffen werden. Die gleichberechtigte Teilnahme und Teilhabe von Frauen und Männern an den verschiedenen Bereichen von Arbeit muß verwirklicht werden. Eine zentrale Grundfrage ist dabei: Wie können die für den Einzelnen und die Gesellschaft lebenswichtigen Formen der "Privatarbeit" und der gemeinwesenbezogenen Arbeit aufgewertet werden, ohne daß sie wiederum in die Logik des Marktes einbezogen und damit wirtschaftlichen Kriterien unterworfen werden?

Notwendige Schritte auf dem Weg zum Ziel

(19) Sozialer Ausgleich, soziale Sicherheit, eine gerechte Verteilung des gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtums und die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben sind die zentralen Zielsetzungen, die die KAB auch heute verfolgt. Aus unserer Tradition heraus müssen wir heute Antworten auf aktuelle und zukünftige Fragen geben, die auch morgen noch Bestand haben. Reformen des Bestehenden müssen Grundlage für eine bessere Zukunft sein. Kleine Schritte führen dabei zum Ziel.

(20) Die zentrale Herausforderung für die Gegenwart und Zukunft sieht die KAB zusammen mit den beiden großen Kirchen in Deutschland in der Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit. Notwendige Maßnahmen und Schritte dazu sind u.a.:

die Erschließung neuer Beschäftigungsfelder und die Schaffung neuer Arbeitsplätze auf dem regulären Arbeitsmarkt,

eine arbeitsplatzfördernde und sozial gerechtere Reform des Steuer- und Abgabensystems,

eine zukunftsweisende Aus-, Fort- und Weiterbildung,

Arbeitszeitverringerungen, mehr Teilzeitarbeit für Männer und Frauen,

der Abbau von Überstunden,

Arbeitszeitflexibilisierungen, die den Erfordernissen der Familien und dem sozialen Engagement dienen,

eine aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik,

die Förderung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors, da in absehbarer Zeit der Abbau der Massenarbeitslosigkeit nicht allein durch die Schaffung von Arbeitsverhältnissen auf dem regulären Arbeitsmarkt erwartet werden kann,

den Ausbau und die verläßliche Finanzierung lokaler Beschäftigungsinitiativen.

(21) Eine Vollbeschäftigung im klassischen Sinne wird aber zukünftig aufgrund der beschriebenen Entwicklungen nicht mehr zu erreichen sein. Hierauf müssen wir uns einstellen. Auch kann es nicht mehr darum gehen, die Erwerbsarbeitsgesellschaft alter Prägung wiederherzustellen. Heute geht es vielmehr darum, allen Menschen eine sinnvolle Arbeit zu ermöglichen. Handlungsschritte in diese Richtung werden nur dann erfolgreich sein, wenn - wie die Kirchen ebenfalls in ihrem Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage hervorheben - die Dominanz der Erwerbsarbeit überwunden wird. Zielsetzung aller Maßnahmen in diese Richtung muß es sein, über die Erwerbsarbeit hinauszudenken und die "Triade der Arbeit" - also eine Teilnahme aller Frauen und Männer an der Erwerbsarbeit, der Privatarbeit und der gemeinwesenbezogenen Arbeit - zu sichern."

1.3.2 Abschließende Anmerkungen

Die Situation der hohen Massenarbeitslosigkeit wird nach Aussagen von Fachleuten noch weiter anhalten. Ein besonderes Problem ist die sich nach jeder Rezension steigernde Sockelbeitslosigkeit.

Hier ist die Würde des Menschen angesprochen. Er ist auch in seiner Kreativität Abbild Gottes, darin ist seine Würde begründet. Die Situation der erzwungenen Arbeitslosigkeit widerspricht der Arbeit als Menschenwürde. Massenarbeitslosigkeit ist ein würdeloser Zustand der Gesellschaft und für den Betroffenen, deshalb muss alles getan werden, diesen Zustand zu überwinden. Dies könnte als das kritische Handlungskriterium bezeichnet werden, dass sich aus den Texten ergibt.

Zuständig für die Lösung ist zuerst einmal der Wirtschaft und hier vor allem die Arbeitgeber und Tarifparteien. Einer der Wege führt über intensive Arbeitszeitverkürzung. Falls durch die Wirtschaft für viele Menschen das Recht auf Arbeit nicht eingelöst werden kann, richtet es sich der Anspruch an den indirekten Arbeitgeber, das sozioökonomische System insgesamt vor allem aber hier an den Staat. Er muss sich mühen, dass es hier zu Lösungen kommt. Zuständig ist aber auch jeder einzelne selbst, soweit es in seinen Möglichkeiten steht, Arbeit zu erhalten. Das ist bei den Arbeitsbiografien der Zukunft, die in der Regel eher einem Patch-work als einer Linie gleichen werden, nicht einfach.

Die Sicherung einer hinreichenden Altersversorgung ist auf jeden Fall notwendig, die in der Regel auch ihren Hauptanteil über die Arbeit finanziert wird.

Eine gerechte Verteilung der Arbeit muss gewährleistet werden aber gerecht. Es geht nicht an, dass viele arbeitslos sind und andere Arbeit haben oder sogar noch Überstunden machen

Es darf nicht sein, dass Frauen weiterhin auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden

Neue Felder der Arbeit gilt es zu erschließen durch Innovation aber auch durch die Hineinnahme von Erziehungs- und gesellschaftlicher Arbeit.

Ein System von Armut trotz Arbeit scheidet aus

Vorliegende Modelle sind zu diskutieren und auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen, so die auch die Erfahrungen von Nachbarländern wie die Niederlande.

 

1.4 Fragen zu Kapitel 1

1.4.0 Vorbemerkung

Die Fragen sind nach dem Schema: Sehen-Urteilen-Handeln aufgebaut.

Die erste Frage ist jeweils eine Frage zum Überlegen und sollte aus der persönlichen Erfahrung bearbeitet werden.

Die zwei weiteren Fragen sind aus dem jeweiligen Textabschnitt zu bearbeiten.

Bei Erarbeitung dieses Abschnittes in einem Arbeitskreis

sollte vor dem Gespräch der Text schon einmal privat gelesen sein

die Arbeitsrunde könnte mit einem Rundgespräch zur Überlegungsfrage 1.0.2 beginnen

dann Gruppenarbeit in drei Gruppen jeweils eine Gruppe zu Sehen-Urteilen-Handeln

danach auf Folien vorstellen der Ergebnisse

abschließende Aussprache

 

1.4.1 Sehen (Die Arbeitslosigkeit in Deutschland)

 

1. Wo ist Ihnen schon einmal Arbeitslosigkeit begegnet?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Wie ist die Situation der Arbeitslosigkeit zurzeit (Besorgen Sie sich möglichst die neuesten Daten)?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Nennen Sie Gründe dafür?

 

1.4.2 Urteilen (Arbeit eine Menschenwürde)

1. Was bedeuten für Sie Arbeit und Arbeitslosigkeit?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Was ist der Mensch im Sinne der Bibel für die Schöpfung?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Was sagt das Wort der Kirchen "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" über das Menschenrecht auf Arbeit aus?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.4.3 Handeln (Wege aus der Arbeitslosigkeit)

Wie bewerten Sie Massenarbeitslosigkeit zu und welche Lösungswege sehen Sie?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nennen Sie kurzfristige Maßnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Was wird unter der Triade der Arbeit verstanden?

 

 

2. Zweite Welt: Kriege in Südosteuropa

2.0 Hinführung und Fragen

2.0.1 Hinführung

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus kam es gerade in Südosteuropa im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens zu erheblichen Auseinandersetzungen. Nationalismus trat weithin an die Stelle des Kommunismus. Der jugoslawische Einheitsstaat zerbrach. Das ging nicht ohne kriegerische Auseinandersetzungen, da die bisherige Zentralmacht Serbien diese Entwicklung so nicht akzeptieren wollte. Die ersten Kriege gingen um Slowenien und Kroatien, die letztlich die neue Eigenständigkeit dieser Länder bestätigten. Damit aber nicht genug, trotz der Erfahrungen verlorener Kriege kämpfte Restjugoslawien unter der Führung der Serben weiter. Es kam zum Krieg in Bosnien-Hercegovina.

Literaturauswahl: Marie-Janine Calic, Krieg und Frieden in Bosnien-Hercegovina, Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt:1995; Hans Krech, Der Bürgerkrieg in Bosnien-Hercegovina (1992-1997), Berlin 1997; Johannes Vollmer, Hg., Daß wir in Bosnien zur Welt gehören". Für ein multikulturelles Zusammenleben, Solothurn 1995

Limburger Texte 24: "Partner für den Frieden – in Bosnien und im Kosovo", Bischöfliches Ordinariat Roßmarkt 4 65549 Limburg 2000
Peter Bartel, Albanien, Regensburg 1995
Ost-West, Europäische Perspektiven, Zeitschrift zum Schwerpunkt Südosteuropa, 2000,1
Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage "Das Parlament" 20.8.1999

Eine ausgezeichnete Übersicht mit vielen Einzelheiten finden Sie unter http://www.asg.physik.uni-erlangen.de/europa/bos/bos1g.htm
Auf der Homepage des Verfassers finden Sie Hinweise, Eindrücke und Bilder über Bosnien unter http://www.leuninger.de/sozial/bosnien/bosnien.htm#hirte
Eine powerpointreihe dazu http://www.leuninger.de/bosni/index.htm
Ähnliches für den Kosova unter
http://www.leuninger.de/sozial/kosov.htm

Das neueste Friedenswort der Deutschen Bischöfe "Gerechter Friede" ist herunter zu laden unter http://dbk.de/schriften/fs_schriften.html   unter "Gerechter Friede". Bezugsquelle ist das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Kaiserstr. 163 53113 Bonn

2.0.2 Frage zum Überlegen

Was verbinden Sie mit dem Wort "Krieg"?

 

 

2.1 Zwei Kriege im ehemaligen Jugoslawien

2.1.1 Bosnien-Hercegovina, der Krieg bis zum Waffenstillstand von Dayton

2.1.1.1Einige geschichtliche Anmerkungen

Der Krieg in Bosnien-Hercegovina ist nur ein Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Alles, was in Bosnien geschah, hatte seine Vorgeschichte und seinen politischen Kontext, auf die hier kurz eingegangen wird, damit die Zusammenhänge verständlich sind. Außerdem ist es von einem Deutschen verfasst, der allerorten in Bosnien die Spuren der deutschen Vergangenheit wahrnimmt und weiß, zu was Menschen fähig sind. Er hat auch die spontane Hilfe erfahren, die nach dem Krieg für uns Deutsche vor allem aus Amerika kam. Es geht hier deshalb nicht um Vorwürfe gegen ganze Volksgruppen, sondern um Darstellung der Abläufe, die vor allem von den politisch-militärischen Akteuren zu verantworten sind.

Die derzeitigen Verhältnisse in Bosnien-Hercegovina sind ohne die historischen Entwicklungen nicht zu verstehen. Auf die Bedeutung der Geschichte von Bosnien-Hercegovina für das Verständnis der derzeitigen Konflikte wurde in der letzten Zeit durch eine Reihe von Veröffentlichungen hingewiesen. Die Materie ist wenig aufgearbeitet, dies wird auch immer schwieriger, da als Erstes im Krieg die Zentralbibliothek in Sarajevo niedergebrannt wurde. Außerdem sehen die ehemaligen Gegner die Geschichte auch unterschiedlich.

Bosnien lag im Bereich der Grenze zwischen Ost- und Westrom. Dies wurde später deutlich durch die unterschiedliche Ausprägung des Christentums in den jeweiligen Bereichen. Im Osten war es die Orthodoxie, im Westen das römisch beeinflusste Christentum. Der größte Teil Bosnien gehörte zur dalmatinischen Provinz des römischen Reiches. In diese Zeit fallen auch Kirchengründungen mit 20 nachgewiesenen Basiliken. Dabei wird dem römisch beeinflussten Christentum nachgesagt, dass es recht eigenständig und das Bemühen der Franziskaner um Reformen von nicht allzu großem Erfolg war. Die oben genannte Grenze entspricht auch im Wesentlichen der Grenze zwischen Serben im Osten und Kroaten im Westen. Durch Wanderungsbewegungen hat es immer wieder Verschiebungen gegeben.

Dabei muss aber betont werden, dass die Ausgangslage keine einheitlich zugewanderten Völker waren, sondern der Zusammenhalt in Nationen sich erst später herausbildete und keineswegs abgeschlossen ist. Wissenschaftlich ist völlig ungeklärt und wohl auch nicht klärbar, was denn eine Nation ist. Viele der so genannten Nationen sind entwicklungsgeschichtlich Konglomerate. Der Nationalismus hat seinen entscheidenden Ursprung im 19. Jahrhundert, er wurde dann im Rassismus zu einem Unterdrückungsinstrument. Zumeist handelt es sich bei dem Begriff der Nation um emotional besetzte Kampfbegriffe nach außen oder Einigkeitsbeschwörungen nach innen. Es ist das Elend der Aufklärung, dass sie über solche Begrifflichkeiten das Fundament für den nationalistischen Wahnsinn bis auf den heutigen Tag gelegt hat.

Sowohl bei Serben als auch bei Kroaten verbreitete sich die Lehre des orthodoxen Priesters Bogumil, der im 10. Jahrhundert in Bulgarien lebte. Seine Anhänger, die Bogumilen, galten als Ketzer. Es war eine sehr asketisch geprägte Religion, die Kirchen und Klöster ablehnte und dualistische Züge hatte. Ablehnung gegen Byzanz wie Rom förderte diese Entwicklung. Die Kriege gegen die Bogumilen ähnlich wie gegen die Katharer trugen nicht zur religiösen Stabilität bei.

Erstmals 1180 gab es einen eigenständigen bosnischen Staat. Die Eroberung des Balkan durch die Anhänger des Islam begann im späten Mittelalter. Bis 1463 waren alle befestigten Orte Bosniens und der Herzegowina in der Hand des Islam. Es ist nicht auszuschließen, dass die Bogumilen sehr schnell zum Islam übertraten, weil sie diesen als Befreier erlebten. Dazu lässt sich aber wenig gesichertes sagen. 1468/69 gab es 37.125 christliche und 332 muslimische Haushalte, 50 Jahre später waren es knapp 50% Muslime und erst im 17. Jahrhundert war Bosnien mehrheitlich islamisiert. Die islamische Herrschaft unter türkischer Oberhoheit endete mit dem Einmarsch von Österreich-Ungarn 1878. Obwohl die Muslime ihren Glauben frei ausüben konnten und 1909 die kulturelle Autonomie erhielten, wanderten bis 1918 etwa 300 000 Muslime aus. In die Zeit der Habsburger fällt die Modernisierung und Industrialisierung des Landes. Die Leibeigenschaft wurde schrittweise abgeschafft, Bodenreformen durchgeführt. Der Mord in Sarajevo am Thronfolgerpaar löste 1914 den Ersten Weltkrieg aus. Nach diesem Krieg wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gegründet, dem Bosnien zwangsweise eingegliedert wurde. Bosnien verlor seine letzte Eigenständigkeit, so weit diese während der türkischen Oberhoheit noch bestanden hatte.

Im Zweiten Weltkrieg kam die Besetzung durch Deutschland und Italien. Es wurde ein kroatischer Staat gegründet, der unter der Führung der kroatisch-faschistischen Organisation Ustacha stand; Auf serbischer Seite gab es die Tschetnics. Bosnien gehörte zu diesem kroatischen Staat. Die Führung der Muslime ging mit der Ustacha zusammen. Letztlich konnte die kommunistische Partei mit ihren Kampforganisationen den Krieg für sich entscheiden. Die Opfer des Krieges, der gegenseitigen Morde und Rachefeldzüge, waren groß und hinterließen viele Wunden. Auch hier zeigte sich der Krieg von seiner schmutzigsten Seite. Vieles war unterdrückt worden und kam erst mit dem Zusammenbruch des Titosystems so richtig zu Tage.

Tito schuf unter Führung der kommunistischen Partei ein geeintes Jugoslawien, das stark serbisch dominiert wurde. In dieser Zeit wurden neben Serben und Kroaten, die für Bosnien von Bedeutung sind, auch die Muslime ethnisch 1961 anerkannt (Bosniaken) und erhielten 1971 den Status einer "Nation in Jugoslawien". Es ist nicht ungefährlich zu sagen, die Muslime seien letztlich Serben oder Kroaten gewesen. Damit sind immer wieder Machtansprüche abgeleitet worden, obwohl das für den Ursprung stimmt. In dem Entstehen des neuen Nationalismus im Gebiet Jugoslawiens holten sich Muslime ihre Gedanken überwiegend aus dem Bereich des Islam, der eigentlich nicht nationalistisch ist, neuerdings im Islamismus (islamischer Fundamentalismus) analoge gefährliche Tendenzen hat. Insgesamt unterscheiden sich die Serben und Kroaten auch eher durch die Religion als durch andere kulturelle Gegebenheiten.

Im politischen und wirtschaftlichen Zerfall der zentralen kommunistischen Macht und des kommunistischen Staates bildete das Hin und Her der geschichtlichen Entwicklung ein allgemeines Substrat der Unsicherheit, der verlorenen oder nie richtig gefunden Identität, das für politische (Un-)Heilsprediger beste Voraussetzungen bietet. Das nationale Denken der Menschen war weniger die Ursache der nun folgenden Auseinandersetzungen, sondern ein guter Nährboden, auf dem ein kämpferischer Nationalismus bis hin zum Rassismus begründet bzw. erweitert werden konnte, der dann zu all dem derzeitigen Elend führte.

1989 spaltete sich die jugoslawische Einheitspartei, der "Bund der Kommunisten." Die Kommunisten in Slowenien hatten über Monate die Einführung der parlamentarischen Demokratie verlangt, die serbischen Kommunisten wollte am System der Einheitspartei festhalten. So war es keine Frage, dass 1990 bei der ersten freien Wahl überall die national ausgerichteten Parteien gewannen, das Ende Jugoslawiens zeichnete sich ab. Dieses begann mit Slowenien, dann folgte Kroatien.

2.1.1.2 Der Krieg und seine Folgen

Anlass zu dem Bürgerkrieg in Bosnien-Hercegovina war die Schwäche der jugoslawischen Zentralmacht und deren Unfähigkeit auf neue Herausforderungen adäquat zu reagieren. Der Kommunismus brach zusammen. Es entstanden neue Staatsgebilde, oft auf historischem Hintergrund, meist mit den Grenzen, wie sie im kommunistischen Staat für die Bundesländer existierten. An die Stelle des Kommunismus trat überwiegend nationales Denken. So weit es Slowenien betraf, beinhaltete es keine unterschiedlichen Nationen und es wurden auch keine Herrschaftsansprüche erhoben.

In Serbien wurde dies anders gesehen. Dort war in Kreisen von Intellektuellen vor allem im Umfeld der Akademie der Wissenschaften von Belgrad die Idee Großserbiens wieder belebt worden. Sie war in dem romantischen Denken des vorigen Jahrhunderts entstanden, wurde in den Jahren zwischen dem Krieg auch durch religiöse Heilserwartungen und dem Verständnis des serbischen Volkes als eines heiligen Volkes gestärkt. Es ist ein "Verrat der Intellektuellen" an den Werten Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit, an der grundlegenden Bedeutung der Menschenwürde. Blut und Boden werden zu letzten Werten. Das Sanu-Memorandum der Belgrader Akademie von 1986 postulierte die großserbischen Blut- und Bodenansprüche und wurde damit geistige Grundlage aller nationalistischen Auseinandersetzungen. Gemäß dieser Idee wurde Anspruch auf alle Gebiete erhoben, in denen Serben wohnten, auch wenn sie in der Minderheit waren. Schon unter den Kommunisten wurde die großserbische Idee zu einer populistischen Idee. Zu solchen Ideologien gehört dann immer auch die propagandistische Einrede: "Wenn wir nicht handeln, werden uns die anderen ausrotten". Hier handelt es sich um Theorien, die denen der Nazis entsprechen und auch so durchgeführt werden.

Nach dieser Idee wurden Ansprüche auch auf große Teile Bosniens-Herzegowinas erhoben. Muslime und Kroaten wären davon betroffen gewesen. Die ethnische Zusammensetzung des Landes bestand 1991 aus ca. 1,9 Millionen Muslime, 1,4 Millionen Serben, 780.000 Kroaten und noch gut 200.000 Angehörige anderer Gruppen. Letztlich fühlten sich alle als Verlierer im Vielvölkerstaat Jugoslawien. Vor allem serbische und kroatische Intellektuelle bezogen ihre Ideen aus den jeweils außerhalb des Landes liegenden Machtzentren Belgrad bzw. Zagreb. Die drei großen nationalen (wenn man die Muslime als Quasinationalität betrachtet) Parteien erhielten bei den Wahlen 1990 86% aller Stimmen.

Es gab unter den Volksgruppen Spannungen und Vorurteile, aber das Zusammenleben war über lange Zeit friedlich verlaufen. Als der Krieg in Kroatien 1991 auf dem Höhepunkt war, bestätigen bei einer Untersuchung in Bosnien-Hercegovina nur ein Zehntel der Befragten, dass Nationalität ein wichtiges Kriterium für Freundschaft sei. Bei der Wahl des Ehepartners zeigte man sich schon vorsichtiger. 43% der Muslime, 39% der Kroaten und 25% der Serben wollten sich bei der Partnerwahl an der Nationalität orientieren. Die Nationalitätenproblematik war zwar vorhanden, aber nicht dramatisch. Das Konfliktpotenzial erschien den Menschen umso größer, je weiter weg sie von multikulturellen Gebieten lebten. Viele Vertriebene aus multikulturellen Gebieten berichteten, dass das Leben dort vor der Vertreibung konfliktarm verlaufen sei.

Die Serben lehnten die Anerkennung Bosnien-Hercegovinas durch ausländische Staaten ab. Bosnien-Hercegovina beantragte aber die Anerkennung. Ein Referendum vom 1. März 1992 für die Anerkennung Bosnien-Hercegovinas als eigenständiger Staat erhielt 99,4% der abgegebenen Stimmen, wurde aber von den Serben boykottiert. Absicht vor allem der Serben war es, eine eigenständige Republik zu gründen, die dann zu Restjugoslawien kommt. Die Gründung geschah dann auch am 7. April 1992 nach dem Referendum.

Danach übernahmen die Ethnokraten die Macht und begannen ihre Säuberungsideen zu verwirklichen. Sie begaben sich in die Beschützerrolle und zwangen die Beschützten mit zum Morden. Es entstand eine Eskalation der Gewalt.

Am 1. März 1992 begannen die bewaffneten Auseinandersetzungen, nachdem unbekannte Heckenschützen in Sarajevo das Feuer auf eine Gruppe von feiernden Serben eröffnet hatte. Das jugoslawische Militär verlässt formal das Land, aber 70% der Bewaffnung geht an die Serben über, sie erhalten auch militärisches Großgerät. Bestand die Gefahr, dass es in die Hände von Kroaten oder Muslime fallen könnte, wurde militärisches Gerät zerstört. Belgrad unterstützte aber in vieler Beziehung die Serben militärisch, der Oberbefehl lag praktisch in Belgrad. So stammten im April 1994 25.000 Offiziere und Mannschaften aus Serbien und Montenegro.

Es wurde eine Militärallianz zwischen Muslimen und Kroaten gebildet. Diese zerbrach Anfang 1992 durch die Ausrufung der Republik "Herzeg-Bosna" durch die herzegowinischen Kroaten, eventuell mit späterer Angliederung an Kroatien. Die Muslime hielten an einem zentralregierten, multiethnischen Bosnien fest. Es war aber für die Kroaten vor allem ein Problem, dass der Muslimführer Izetbegovic islamistische Ansichten entwickelte.

Es entstand ein gnadenloser Krieg, mit Zerstörungen, Massenmorden, Internierungslagern, Vertreibungen, ethnische Homogenisierung und 3-6 Millionen Stück Minen, im Land. Gerade die ethnisch zerstückelte Besiedelung des Landes macht die so genannte ethnische Säuberung, die ja das ursprüngliche Kriegsziel der Serben, das auch von anderen wenigstens faktisch teilweise und in viel geringerem Umfang übernommen wurde, so folgenschwer. Die Serben zeichneten sich bei der ethnischen Säuberung besonders negativ aus. Trotz Bemühungen der UN ging der Krieg weiter. Kroaten kämpfen gegen Muslime. Es ging allenthalben um Gebietsgewinne. Ende 1992 beherrschen nämlich die Serben 70% des Territoriums. Es kam aber zum Frieden zwischen den Kroaten und Muslimen, wohl auch auf Druck des Auslandes, nach umfangreichen gegenseitigen Zerstörungen. Durch das Zusammengehen von Muslimen und Kroaten wurde die Waffenkraft gegen die Serben gestärkt. Sie wurden weit zurückgedrängt. Ihre Niederlage war abzusehen. Deshalb waren sie jetzt waffenstillstandsbereiter. Am 10. Mai 1995 kam es zum Waffenstillstand. Offensichtlich wollten starke Kräfte im Westen auch keine völlige Niederlage der Serben und damit Miloseviç, den sie damals für politisch nötig hielten. Nach 234 gebrochenen Waffenstillständen trat das Abkommen von Dayton am 15. Dezember 1995 in Kraft. Es hat bis jetzt gehalten.

Die "ethnischen Säuberungen" hatten riesige Flüchtlingsströme in Bewegung gesetzt. Sie begannen durch Serben, die sie im größten Ausmaß und am systematischsten betrieben, in der Regel in bevölkerungsmäßig geschlossenen Gebieten mit einem Artilleriebombardement, Brandschatzungen bis hin zum Morden, Vergewaltigungen, Verstümmeln und zu Deportationen. Im Gebiet Korace sollen Tausende dabei getötet worden sein. Die Männer unter 60 kamen in Todeslager, also Lager, die ausgesprochen nur zum Töten eingerichtet worden waren. Noch im Mai 1994 gingen solche Säuberungen durch die Karadzic-Serben weiter, um sich damit bei Gebietszusprüchen in den Friedensverhandlungen Vorteile zu verschaffen.

Die Handlungen der Muslime waren meist Racheakte und Handlungen aus Hass, weniger gezielte ethnische Säuberungen, die der Kroaten hatten viel kleineres Ausmaß. Aber auch hier sind Verbrechen geschehen.

Ende März 1994 waren in Folge der Kriege im ehemaligen Jugoslawien über 4 Millionen Menschen auf der Flucht. Bis März 1994 waren aus serbisch besetzten Gebieten in Bosnien-Hercegovina 740.000 Menschen vertrieben worden oder geflohen. 400.000 Serben waren in umgekehrter Richtung gegangen. Ende 1995 hielten sich in Bosnien-Hercegovinas 2,7 Millionen, in Kroatien 463.000 und in Serbien 449.000 Flüchtlinge auf. Andere Datenwiedergaben sprechen von mehr als 2 Millionen Flüchtlingen, davon mehr als 1 Millionen in Bosnien-Hercegovina und eine Million in 25 anderen Ländern. Z.B. 330.000 in Deutschland. So eine Mitteilung des UNHCR vom März 1997. 175 000 Menschen waren September 1995 schon getötet, darunter 17 000 Kinder, ähnlich viele Menschen wurden verletzt, 80% überlebten nur durch humanitäre Hilfe. Ende des Krieges wurden etwa 220.000 Tote und noch viel mehr Verletzte gezählt. 220.000 Flüchtlinge und Vertriebene kehrten 1996 in die Heimat zurück, für 1997 rechnete man mit 200.000. Der Prozentsatz der zerstörten Häuser ist enorm. Was nicht kriegszerstört wurde, das wurde oft nach der Flucht oder Vertreibung der Einwohner geplündert und abgetragen. Das Transportwesen, die Trinkwasserversorgung und die Stromversorgung waren weitgehend zusammengebrochen. Die Schadenschätzungen liegen zwischen 10 - 70 Milliarden Dollar, aus der Kenntnis der Lage vor Ort wird eher auf die größere Zahl verwiesen.

Zur ethnischen Säuberung gehört aber auch die systematische Zerstörung der Kulturgüter, schon 1992 waren z.B. 70% der islamischen Gotteshäuser und der öffentlichen Gebäuden zerstört. Auch Serben und Kroaten beklagten den Verlust vieler Kulturgüter. Die Wirtschaft war zerstört, nur noch 5-10% funktionierten. Wissenschaft und Landwirtschaft sind in ihrer Substanz vernichtet, viele Wissenschaftler außer Landes gegangen. Hinzu kommen die zerstörten menschlichen Beziehungen. Ein Muslime, der seine Tochter verloren hatte sagte: "Das ist kein Krieg zwischen Serben und Moslems - das ist ein Krieg zwischen Verrückten, zwischen Monstern." Intellektuelle, so z.B. Karadzic, die ihre menschenwürdeverachtenden Theorien in die Praxis umsetzten wollten, tragen dafür die volle Verantwortung. Wer wird sie jemals zur Rechenschaft ziehen?

2.1.1.3 Waffenstillstand und der Vertrag von Dayton

Seit 1994 hatte sich das Kräfteverhältnis gewandelt. Die kroatische Armee brachte die Serben in Bedrängnis. Bosnische Serben stürmten die von Blauhelmen geschützten sicheren Zonen und nahmen außerdem Blauhelme als Geiseln. Dies veranlasste den Westen zu einer härteren Gangart. Die USA griffen nach bisheriger Zurückhaltung deutlicher ein. Die Serben lenkten ein, da sie auf der Verliererstraße waren. Am 21. November 1994 wurde in Dayton (Ohio USA) ein Friedensabkommen von den Präsidenten Serbiens, Bosniens und Kroatiens paraphiert und am 14. Dezember 1994 in Paris endgültig unterzeichnet.

Der Plan klärte den Rückzug der Truppen, die Bildung von zwei Entitäten, der Republik Serbien und die kroatisch-bosniakische Föderation in der Republik Bosnien-Hercegovina, die in ihrem Bestand gesichert wird. Es wird ein direkt gewähltes Parlament mit Oberhaus und Unterhaus gebildet dazu eine neunköpfiges Präsidentschaft mit je drei Muslimen, Kroaten und Serben. Bei der Präsidentenwahl am 09.04.1996 siegt mit knapper Mehrheit Izetbegovic.

Die Serben erhielten 49% des Landes, die kroatisch-bosniakische Föderation 51%. Jeder sollte das Recht haben, in sein Eigentum zurückzukehren, demokratische Wahlen wurden angesagt und Sarajevo sollte ungeteilte Hauptstadt werden. Die UN sollte eine Übergangsverwaltung wahrnehmen.

Wie schwierig sich die Realisierung gestaltete mag man daraus ersehen, dass in der serbischen Republik erst im Sommer 1997 die ersten Eigentumsscheine an Kroaten ausgestellt und im Februar 1998 berichtet wurde, dass in Brc ko Baugenehmigungen an nicht serbische Flüchtlinge erteilt worden seien. SFOR-Soldaten sorgen für die Sicherheit, nachts dürfen die Aufbauwilligen noch nicht in ihren Häusern bleiben. Ein zäh erarbeiteter, von der neuen Regierungschefin in der serbischen Republik nur mühsam durchgesetzter Schritt, sicher nicht ohne Druck von außen erreicht; aber an Dayton darf kein Weg vorbeigehen.

Im März 1996 sind mehr als 190 Massengräber bekannt, die Verantwortlichen sind hauptsächlich Serben.

2.2.1 Die Entstehung des Krieges im Kosovo und seine Folgen

2.2.1.1 Vorbemerkung

Wer sich mit der Geschichte und der Gegenwart des Kosovo (serbisch) Kosova (albanisch) auseinandersetzt, begibt sich auf unsicheres Eis. Nur wenig ist historisch gesichert, vieles ist eher aus politischer Identitätsbildung entstanden und wird damit je nach Volksgruppe unterschiedlich gedeutet. Hinzu kommt noch die Wertung der jüngsten Ereignisse, die ja auch in unserem Land umstritten sind. Hier sollen nur einige kurze Hinweise zum besserenVerständnis gegeben werden. Sie begründen sich auf das Werk von Peter Bartel zu Albanien, die Zeitschrift Ost-West vom Zentralkomitee und Renovabis (Hilfswerk der Katholiken mit dem Schwerpunkt Südosteuropa) und der Beilage zum Parlament zum Kosovo-Konflikt (Siehe Literaruverzeichnis zu Beginn des Kapiels 2.0). Hinzu kommen noch eine Reihe von
Zeitungs- und anderen Artikeln und die persönlichen Erfahrungen des Verfassers.
http://www.leuninger.de/sozial/kosov.htm

 

2.2.1.2 Zur Geschichte des Kosovo

Die Serben betrachten den Kosovo als die Wiege ihrer Nation, die Albaner führen ihre Besitzrechte auf die Illyrer zurück, von denen sie nach einer Hypothese abstammen. Beides wird so von der Wissenschaft nicht mehr so generell gehalten, die Frage, wie es denn wirklich war, ist nicht entscheidbar. Während der vielen Fremdherrschaften bauten sich aber Legenden und Sagen auf, an die man sich zur Sicherung der Identität klammerte.

Die Serben sind Slawen, ab dem 7. Jahrhundert eingewandert. Die Albaner waren vermutlich früher da, heute spricht man in einer These eher von Thrakern als von Illyrern, also Indogermanen, die einst im Raum vor allem des Peleponnes siedelten. Weil ihre Sprache viele lateinische Elemente wohl als Lehnwörter enthält, wurden sie früher als Illyrer angesehen. Beides ist letztlich nicht hinreichend abgesichert.

Die erste Erwähnung der Albaner fällt in das 11. Jahrhundert. Sie hatten wohl im Mati-Tal Albaniens relativ abgeschlossen gegenüber den Einflüssen von Byzanz und Rom überlebt und breiteten sich nun wieder aus. Die erste Christianisierung fällt in die römische Zeit, denn die christlichen Grundbegriffe sind meist lateinischen Ursprungs. Dann gab es später wohl eine byzantinische Neumissionierung. In der Zeit der Oberherrschaft von Neapel her geschah ein engerer religiöser Anschluss an Rom. Das albanischen Siedlungsgebiet war überall, weniger im Mati-Tal, durch serbische Siedlungen übersät.

Das könnte auch für den Kosovo der Fall gewesen sein, verbindliche Aussagen dazu sind nicht zu machen. Das Gebiet war und ist ein intensiver Wanderungsraum. Die historischen Quellen sind spärlich und weniger aufgearbeitet. Das bietet natürlich der Spekulation und Legendenbildungen Raum. Was für die Serben die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 wurde, ist für die Albaner der "Kämpfer gegen die Türken" Skanderbeck, geboren 1405.

Vom 8. bis 12 Jahrhundert war der Kosovo Mittelpunkt eines mittelalterlichen Staates Raska. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts annektierte der serbische Herrscher Stefan das Land. Es wurde eine Zeit lang mit der Hauptstadt Przren Mittelpunkt der serbischen Fürsten.

Als die Türken angriffen hatte die serbische Macht schon ihren Höhepunkt überschritten. 1389 war die Schlacht auf dem Amselfeld, daran waren übrigens albanische, bosnische, bulgarische, wallachische und kroatische Truppen beteiligt, die der serbische König Lazar verlor. Er wurde an der Totenbahre des von einem Überläufer ermordeten Sultans Murad hingerichtet. Da die Türken sich zurückzogen, kam der Schlacht keinerlei große politische Bedeutung zu. Erst 1459 verlor Serbien die Unabhängigkeit endgültig, eingeleitet durch den Verlust der Festung Smederevo an die Türken. Heute 600 Jahre später wird die Schlacht am Amselfeld wie ein Sieg gefeiert. Daraus leitet sich auch der Anspruch auf das Kosovo ab, das gipfelte in der Spende zweier Kerzen in einem Kloster in Decani, die nach dem Tod Lazars gestiftet wurden, sie durften erst angezündet werden, wenn das Kosovo wieder serbisch würde. Es war König Alexander, der König des serbischen Reiches der nach der Niederlage der Türken 1928 diese Kerze anzündete. Diese Legenden wurden vor allem in den Klöstern der Wojwodina, dort wurden auch die sterblichen Überreste Lazars aufbewahrt, gebildet und konnten sich entfalteten. König Alexander wurde nach seiner Ermordung 1928 zum neuen Lazar. Diese Legenden wurden im Kommunismus unterdrückt und lebten danach umso heftiger auf.

In der Türkenzeit begann eine gezielte Besiedlung des Kosovo mit Albaner z.B. zum Bergbau. Insgesamt war das Land aber ertragreicher als Albanien. Die umgesiedelten Albaner waren meist katholisch, durften aber keine Priester bei ihrer Umsiedlung mitnehmen. Da die Umsiedlung meist in islamisches Umfeld erfolgte, führte sie dann zu einer schnelleren Islamisierung. Es gab auch Zwangsumsiedlungen, um entvölkerte Gebiete wieder zu beleben. Es gab auch einen serbischen Albanisierungsprozess, vor allem bei den zum Islam übergetretenen Serben. Im 17. Jahrhundert verließen mehre zehntausend Serben unter Führung Patriarch Ardenice Crnojevic nach dem Türkenkrieg der Habsburger den Kosovo und flohen in die Wojwodina, die von Österreich wieder erobert worden war. In die entleerten Gebiete im Kosovo drangen mit Unterstützung der Türken Albaner ein.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Land Teil des kommunistischen Jugoslawiens unter Tito. Es gehörte zu Serbien. Zunächst hatte es in Serbien den Status einer autonomen Region, 1968 wurde es zu einer autonomen Provinz erklärt. Diese Autonomie endete 1989 durch Aufhebung von Seiten der Zentralregierung.

2.2.1.3 Die Lage nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft

Die Einwohnersituation 1991 betrug 1,9 Millionen, davon waren 220.000 Serben, 1,5 Millionen Albaner, hinzu kamen viele andere kleinere Volksgruppen wie Roma, Ashkali, Wallachen, Kroaten, Montenegriner, Türken um nur die wichtigsten zu nennen. Die Katholiken machten im Land 100.000 aus und waren zumeist Albaner und auch Kroaten. Die Zahlen sind insgesamt umstritten.

Am Ende des kommunistischen Systems in den 80er Jahren lebt der Nationalismus auf. Dies ist einmal der serbische Nationalismus, der ja auch in der serbischen Kirche über Jahrhunderte die Nation gewährleistet hatte. So ist es verständlich, dass beim 600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld sich über 2 Millionen Serben zum Gedenken sammelten. Von da war es kein weiter Weg, dem Volk klar zu machen, dass der Kosovo serbisches Stammland, jetzt überwiegend albanisiert sei. Deshalb war es auch nicht schwierig, propagandistisch klar zu machen, dass die in Kroatien vertriebenen Serben eine neue Heimat im Kosovo finden müssten, da müssten halt die Albaner verschwinden, die dort ein Fremdkörper seien. Mit 500.000 Serben wurde gerechnet. Dies rechtfertigte dann die ethnischen Säuberungen, die 1998 begannen und 1999 ihren Höhepunkt erlebten.

Auf der anderen Seite stand der albanische Nationalismus. Er war 1878 erstmals in Pristina in größerer Form publiziert worden und gewann nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Zentralherrschaft in den 80er Jahren an Kraft. 1912 wurde ein eigener albanischer Staat angestrebt und eine provisorische Regierung gebildet. Serbien wollte sich diese Kriegsbeute nicht entgehen lassen, deshalb kam es zu einem Rumpfalbanien. Diese Entscheidung wurde in London nur aus dem machtpolitischen Interesse der Großmächte beschlossen und nahm keine ethnische Rücksichten, wie der damalige englische Botschafter freimütig gestand. Damals wurde schon der Streit von heute begründet. Unter Hitler und Mussolini kam es dann zu einem Großalbanien, der Traum platzte aber nach dem Krieg.

1981 kam es zu gewaltsamen Demonstrationen im Kosovo, der Republikstatus wurde gefordert. Diese Demonstrationen nur ein Jahr nach dem Tod Titos wurden von der jugoslawischen Armee und Polizei blutig niedergeschlagen. Tausende von politischen Prozessen fanden statt, mit dem Kosovo-Problem baute Milosevic seine Karriere auf. Das Parlament des Kosovo wurde aufgelöst, es kam zu einer Zwangsverwaltung, die einer Okkupation glich. 200.000 Serben herrschten über 1,8 Millionen Kosovo-Albaner. Diese wurden aus dem öffentlichen Dienst und den Unternehmen in Staatseigentum entfernt. Sie wurden mehr und mehr in Richtung gesellschaftlicher Underdogs gedrängt. Dort wollte man sie ja auch haben, wenn sie nicht von selbst verschwanden. Man half mit willkürlichen Verhaftungen, Mißhandlungen und Schauprozessen nach. Es wurde eine Art Aphartheidsystem errichtet. Im Grunde hatte der Krieg gegen die albanische Bevölkerung begonnen. Die Sanu-Doktrin der Belgrader Akademie der Wissenschaften wurde auch hier politisch umgesetzt.

1991 proklamierten die Kosovo-Albaner eine unabhängige Republik Kosovo unter Rugova. Sie entscheiden sich für gewaltlosen Widerstand und für Boykott auch der Wahlen. So kam es zu einem Schattenstaat. Eine politische Pattsituation trat ein. Albanien hielt sich aus diesem Konflikt heraus. 1993 formulierten die wichtigsten Albanerparteien als gesamtalbanisches politisches Ziel einen unabhängigen Staat Kosova, die Anerkennung der Albaner in Makedonien als staatsbildendes Volk und garantierte Autonomie der Albaner in Montenegro und Südserbien. Die albanische Regierung rückte von einem selbstständigen Staat Kosova ab, weil diese international nicht durchsetzbar war und verfolgte das Ziel der Schaffung eines internationalen Protektorates. Leider hat Dayton das Thema Kosovo nicht aufgegriffen. Dies war die Veranlassung, die UCK zu gründen, da die internationale Gemeinschaft dieses Problem offensichtlich nicht sehen wollte. Gewaltlosigkeit, wie Rugova sie über Jahre verkündet hatte, wurden in den Augen der neuen UCK international nicht honoriert. Der Westen hätte eine andere Lösung haben können, sie nahmen Rugova nicht ernst und erhielten dafür die Antwort der Gewalt. Hier liegt der erste große Fehler des Westens. Offensichtlich wollte man Milosevic auch schonen, weil man glaubte, ihn noch zu gebrauchen. Die Arpartheidpolitik im Kosovo ging verstärkt weiter. Neue Dörfer für serbische Einwanderer wurden gebaut.

2.2.1.4 Der Krieg im Kosovo

Woher Waffen nehmen war die Frage der UCK. Die Unruhen in Albanien gaben die Antwort. Die öffentliche Gewalt brach zusammen, die reichen Waffenlager landeten, verkauft durch Polizei und Militär, auf dem schwarzen Markt, eine Kalaschnikov kostete damals 15 DM, später 300 DM. Die entstehende Kosova-Befreiungsarmee konnte sich bedienen.

1998 versuchte die Spezialpolizei der Serben die UCK im Entstehen zu zerschlagen. Ihre Hochburg Drenica wurde gestürmt, 25 Albaner getötet. Folgende Angriffe forderten 58 Tote. Die Hetze in Jugoslawien gegen die Terroristen begann. Gegen eine serbische Großoffensive wehrte sich die UCK. Mit schweren Waffen schlug die Armee zurück. Die UCK kontrollierte auf ihrem Höhepunkt zwar 40% des Landes, machte sich damit aber auch angreifbar. Anfang August war es so, dass die Serben wieder Herr der Lage waren. Die UCK hatte sich nahe Nordostalbanien zurückgezogen. In diesem Krieg war es zu Vertreibungen von 250.000 Kosvo-Albanern von Haus und Hof gekommen. Die ethnische Säuberung hatte in vollem Maße eingesetzt. Aber die Menschen wurden im Land herum getrieben, nur wenigen Zehntausenden gelang die Flucht in Nachbarländer.

Im Herbst 1997 wandte sich die internationale Bosnien-Kontaktgruppe dem Problem Kosovo zu. Beide Seiten wurden zum Gewaltverzicht aufgerufen. Serben und Albaner sollten ohne Vorbedingungen in die Verhandlungen gehen. Anfang 1998 eskalierten die Kämpfe und der Ton der Kontaktgruppe wurde schärfer. Die Gewalttaten von beiden Seiten wurden verurteilt. Ein Waffenembargo und ein Flugverbot wurden beschlossen. Belgrad aber wollte keinen ernsthaften Dialog. Die Auseinandersetzungen nahmen zu. Der Krieg sollte von der Kontaktgruppe nach dem Modell Dayton gelöst werden. Die Drohkulisse wurde aufgebaut.

Belgrad ließ eine internationale Beobachterkommission zu. Nach anhaltenden serbischen Angriffen im Zentralkosovo beschloss der UNO-Sicherheitsrat in der Resolution 1199 den sofortigen Waffenstillstand und den Rückzug von Armee und Sonderpolizei. Die Zusammenarbeit mit dem Tribunal in Den Haag wurde gefordert. Die NATO steigerte ihre Aktivierungswarnung. Aber die Gewalt eskalierte weiter, da gab die NATO am 13.10.1998 den Einsatzbefehl für Luftangriffe gegen Jugoslawien. Die konnten in letzter Minute durch den Verhandler Richard Holbruck gestoppt werden, Jugoslawien stimmte der Entsendung von 2.000 Kontrolleuren der OSZE für den Kosovo zu und gleichzeitig wurde ein Waffenstillstand geschlossen.

Die Kontrahenten agierten aber weiter. Die OSZE-Beamte waren unbewaffnet und nahezu in der Rolle von Geiseln. Es fand sich keine politische Lösung. Jugoslawien schlug ein Parlament für den Kosovo vor, in dem alle Bevölkerungsgruppen gleich stark vertreten sein sollten. Die Albaner hätten die gleiche Stimmenzahl gehabt wie z.B. eine Minorität. Das war für die Albaner unzumutbar. Nach langem hin und her legte die Kontaktgruppe definitiv einen Prinzipienplan in Rambouillet vor, nach dem verhandelt werden sollte. Waffenstillstand, Rückzug der Truppen und Paramilitärs durch Jugoslawien, friedliche Konfliktlösung, dreijährige Interimslösung, Wahrung der Zugehörigkeit zu Jugoslawien, Minderheitenschutz, freie Wahlen, internationale Unterstützung bei Implementierung der Vereinbarungen waren die wichtigsten Punkte. Druck wurde den Albanern mit dem Entzug internationaler Unterstützung, den Serben mit der Drohung von NATO-Luftschlägen gemacht. Man rechnete, dass dann Jugoslawien nachgeben würde, spätestens nach einigen Luftschlägen. Übrigens hatte die serbische Kirche im Kosovo einen eigenen Friedensplan entwickelt, sie wurde aber in Rambouillet nicht gehört.

Die Albaner erklärten sich nach Zögern und mit internationalem Druck bereit, diesem Abkommen beizutreten. Jugoslawien war nicht dazu bereit. So kam es zum NATO-Einsatz.

Zerstört wurden im Kosovo vor allem militärisch wichtige Ziele, aber auch Straßen, Brücken Kommunikations- und Industrieeinrichtungen. Die Ziele, in Jugoslawien waren analog.

Belgrad ließ seine ganze Wut an den Albanern im Kosovo aus. Es wurden systematisch vertrieben, 13.000 Menschen ermordet teilweise unter schrecklichen Begleitbedingungen wie Vergewaltigungen, 3.000-7.000 Albaner waren in serbischen Gefängnissen, 60% des Wohnbestandes zerstört, die Gräuel unvorstellbar, wenn man vieles nicht selbst gesehen hat. Etwa eine Million Menschen waren auf der Flucht innerhalb und außerhalb des Landes. Belgrad wollte nun das immer schon angestrebte Kriegsziel einer serbischen Rückgewinnung des Kosovo auf jeden Fall erreichen.

In den Flüchtlingslagern vor allen von Makedonien und Albanien leisteten die NATO-Einheiten aber auch vor allem die internationalen NGO’s immenses. Hier war auch intensiv die deutsche Caritas und der MHD (Malteser-Hilfs-Dienst) im Einsatz und es flossen Mittel aus der Kollekte des Bistums Limburg dorthin.

Die Eskalation des Krieges, die eigentlich der Beendigung dienen sollte, dauerte vom 24. März bis 9. Juni 1999, beendet praktisch mit einer bedingungslosen Kapitulation Belgrads. Der Friedensplan auf der Basis eines Fischer-Papieres wurde von den G8 Staaten, der NATO und schließlich auch von Jugoslawien unterzeichnet. Entscheidend für die Unterschrift von Belgrad waren die immensen Zerstörungen von Infrastruktur und Industrie in Jugoslawien und die bevorstehende Entscheidung über den Einsatz von Bodentruppen. Die Chancen des jugoslawischen Präsidenten als Verhandlungspartner waren gleich null. Rückzug der jugoslawischen Truppen, Einstellung der Bombardierungen, Einzug einer Friedenstruppe in den Kosovo waren die Kernelemente diese Waffenstillstandes.

Der Einsatz der NATO war nach manchen Auffassungen nicht hinreichend völkerrechtlich abgesichert. Die Kosten waren immens, die Kriegsfolgekosten in der Region werden auf 100 Milliarden DM beziffert. Bei aller Kritik am NATO-Einsatz wird nicht deutlich, wie dem Morden im Kosovo anders hätte Einhalt geboten werden können. Das ist die Situation, die eine abschließende Diskussion so schwierig macht.

Auf Grundlage der UNO-Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 sowie des Berichtes des Generalsekretärs vom 12. Juni 1999 marschierte die NATO-geführte KFOR in die Krisenprovinz ein. Diese Truppe stieg auf 40.000 Man an. Was sie vorfand übertraf alle entsetzlichen Erwartungen.

2.2.1.5 Nach Beendigung des Krieges

Die Bevölkerung strömte sehr schnell zurück. Es galt für die KFOR die Versorgung zu sichern, die UCK zu entwaffnen, Sicherheit für die Minderheiten zu gewährleisten, die Infrastruktur aufzubauen, eine zivile Verwaltung aufzubauen, den Wiederaufbau zu ermöglichen, Minenfelder zu sichern,... um nur einige Aufgaben zu nennen. Eine nahezu unleistbare Aufgabe, weil ja fast alle Fachleute in den letzten Jahren Serben oder mit Serben Kollaborierende waren.

Dieses waren nach Lage der Dinge nahezu unleistbare Aufgaben. Einige Erfolge können doch gezeitigt werden, so hat die innerer Sicherheit erheblich zugenommen. Am schwierigsten war und ist der so wichtige Minderheitenschutz. Viele Minderheiten, denen man auch Nähe zu den Serben vorwarf sind teilweise oder überwiegend geflüchtet. 60% der serbischen Bevölkerung ist geflüchtet. Das politische Ziel, was nun werden soll ist keineswegs deutlich, eine Rückkehr nach Jugoslawien scheint völlig ausgeschlossen, jedenfalls aus der Sicht der Kosova-Albaner. Jugoslawien bereitet wohl eine Teilung vor und sendet nach wie vor geheime Terroreinheiten ins Land. Seit Einmarsch der KFOR Juni 1999 sind insgesamt etwa bis November 1999 348 Menschen ermordet worden, davon waren 35% der serbischen und 38% albanischen Volksgruppen die Opfer. Die Zahl der wöchentlich gemeldeten Morde ist inzwischen von 30 auf 5 zurückgegangen. An den Morden ist auch die albanische Mafia beteiligt. Erstaunlich ist eigentlich, dass offensichtlich auf serbische Terroreinheiten nach wie vor mehr Morde gehen als auf die UCK. Insgesamt besteht aber den Eindruck, dass die Menschen den Krieg satt sind, die gemäßigte Linie von Rugova scheint sich wieder durchzusetzen. Ungelöste sind aber vor allem das Problem der Minderheiten und der Umgang von Serben und Kosova-Albanern.

Ein endgültiges politisches Konzept wird noch nicht deutlich. Die Wahlen in Serbien haben in Vojislav Kostunica, Präsident der BR Jugoslawien, eine gemäßigtere Linie gebracht. Es wird vorsichtig in den Ländern Südosteuropas (11/00) wieder miteinander gesprochen. Nach der Vorstellung des Verfassers liegt die Entwicklung in der Selbständigkeit des Kosovo, bei Wahrung der Rechte der Minderheiten unter einernationalem Schutz unter des Landes in eine politische Kooperation in Südosteuropa, wie es die EU ist und auch in Kooperation mit dieser.

2.3 Die Lehre vom Frieden

2.3.0 Hinführung zum Thema

Frieden ist ein umfassendes Thema auch in der kirchlichen Verkündigung und in der Moral und Soziallehre. Hier können nur die wichtigsten Linien der Entwicklung aufgezeigt werden. Dies soll anhand biblischer Texte erfolgen, hierzu sollten Sie die Bibel zur Hand haben und mit kirchlichen Texten zur der katholischen Soziallehre insbesondere die Konzilskonstitution Gaudium et spes (Freude und Hoffnung Abkürzung = GS) und die Enzyklika "Pacem in terris" (Friede auf Erden Abk. PT). Beide Texte finden Sie im Internet unter http://www.stjosef.at/CSL/  und in Texte zur katholischen Soziallehre (TkS). Hinzu kommt als neuester text von der Deutschen Bischofskonferenz "Gerechte Friede" http://dbk.de/schriften/fs_schriften.html .

Der folgende Text wird in drei Schritten entwickelt. Zuerst wird die Frage nach der Auffassung vom Frieden in der Heiligen Schrift gestellt, dann wird geschichtlich die Lehre in und der Kirche erarbeitet, zum Abschluss wird der Versuch unternommen, eine kleine Handlungstheorie für den Frieden zu erstellen.

2.3.1 Das Verständnis der Bibel vom Frieden

2.3.1.1 Schalom ist der umfassende Begriff für Wohlergehen

Der biblische Begriff für Frieden ist "Schalom" verwandt mit dem arabischen Salem. Es handelt sich um ein verbreitetes Wort in der aramäischen Sprachfamilie. In der deutschen Sprache bedeutet Frieden ursprünglich Schonung und Freundschaft. In der hebräischen Sprache ist Frieden ein gefüllter Begriff. Er lebt aus der Erfahrung, dass Krieg Zerstörung, Tod und Armut beinhaltet, das Gegenteil von Wohlergehen, Frieden aber der Zustand des Wohlergehens sowohl des Einzelnen als auch der Gemeinschaft ist. Der Entfaltung und den Schichten dieses Begriffs soll in einigen Grundzügen in der Heiligen Schrift nun nachgegangen werden.

2.3.1.1.1 Schalom im Alten Testament

Das Wort begegnet uns als "Frieden" als Abschiedsgruß. Zwei Menschen oder Familien scheiden voneinander im Frieden, das heißt im Einvernehmen und ohne Auseinandersetzung und Streit. Sie wollen friedlich Miteinander leben. Dies beinhaltet auch, dass sie bei einer Wiederbegegnung friedlich miteinander umgehen wollen. Moses verabschiedete sich von seinem Schwiegervater Jitro und der lässt ihn in Frieden ziehen. Exodus 4:18 Darauf kehrte Mose zu seinem Schwiegervater Jitro zurück. Er sagte zu ihm: Ich will zu meinen Brüdern nach Ägypten zurückkehren. Ich will sehen, ob sie noch am Leben sind. Jitro antwortete Mose: Geh in Frieden! Dieser Gruß wurzelt vermutlich in einer vorstaatlichen Zeit, als noch nicht staatliche Organisationen für Sicherheit sorgten. Er war ein Segen, ein gutes Wort, das mit auf den Weg gegeben wurde.

Es wird dann auch zum Ausdruck für den Zustand nach dem Tod eines Menschen. Abraham erhält von Gott in Genesis 15.5 diese Verheißung: Du aber wirst in Frieden zu deinen Vätern heimgehen; in hohem Alter wirst du begraben werden. Auch dieser letzte Weg soll ein Weg des Friedens sein.

Im beginnenden staatlichen Recht wird der Frieden zum Inhalt des Bundesschlusses zwischen Stämmen und Völkern. Es geht um das friedliche Umgehen miteinander. Genesis 26:26: Eines Tages kam zu ihm Abimelech aus Gerar mit seinem Vertrauten Ahusat und seinem Feldherrn Pichol. 27 Isaak sagte zu ihnen: Weshalb kommt ihr zu mir? Ihr seid mir doch feind und habt mich aus eurem Gebiet ausgewiesen. 28 Sie entgegneten: Wir haben deutlich gesehen, daß der Herr mit dir ist, und wir dachten: Zwischen uns und dir sollte ein Eid stehen. Wir wollen mit dir einen Vertrag schließen: 29 Du wirst uns nichts Böses zufügen, wie auch wir dich nicht angetastet haben; wir haben dir nur Gutes erwiesen und dich in Frieden ziehen lassen. Du bist nun einmal der Gesegnete des Herrn. 30 Da bereitete er ihnen ein Mahl, und sie aßen und tranken. 31 Früh am Morgen standen sie auf und leisteten einander den Eid. Isaak entließ sie, und sie schieden von ihm in Frieden. Die Philister wollten die zugewanderte Familie Isaaks nicht haben. Sie schütteten ihre Brunnen zu, damit entzogen sie Hirten die Lebensgrundlage, und vertrieben sie. Dann schlossen sie einen Bleibevertrag mit ihnen, einen Friedensvertrag, der der Familie Isaaks Zukunft sicherte.

Im Alten Orient wurden oft Verträge und Gesetzbücher mit Segenssprüchen für die Erfüllung und Flüchen für die Übertretung belegt. Ein solches Segens- und Fluchwort ist uns im Buch Deuteronomium für das Gesetz, das Gott dem Volk gegeben hat, überliefert. Der Bundesschluss mit Gott und seinem Volk garantiert dem Volk den Frieden soweit es diesen Bund einhält. Der Segensteil soll hier aufgeführt werden.

Deuteronomium 26:3 Wenn ihr nach meinen Satzungen handelt, auf meine Gebote achtet und sie befolgt, 4 so gebe ich euch Regen zur rechten Zeit; die Erde liefert ihren Ertrag, und der Baum des Feldes gibt seine Früchte; 5 die Dreschzeit reicht bei euch bis zur Weinlese und die Weinlese bis zur Aussaat. Ihr eßt euch satt an eurem Brot und wohnt in eurem Land in Sicherheit. 26:6 Ich schaffe Frieden im Land: Ihr legt euch nieder, und niemand schreckt euch auf. Ich lasse die Raubtiere aus dem Land verschwinden. Kein Schwert kommt über euer Land. 26:7 Verfolgt ihr eure Feinde, so werden sie vor euren Augen dem Schwert verfallen. 26:8 Fünf von euch werden hundert verfolgen, hundert von euch werden zehntausend verfolgen, und eure Feinde werden vor euren Augen dem Schwert verfallen9 Euch wende ich mich zu, mache euch fruchtbar und zahlreich und halte meinen Bund mit euch aufrecht. 10 Ihr werdet noch von der alten Ernte zu essen haben und das Alte hinausschaffen müssen, um Platz für das Neue zu haben. 11 Ich schlage meine Wohnstätte in eurer Mitte auf und habe gegen euch keine Abneigung 12 Ich gehe in eurer Mitte; ich bin euer Gott, und ihr seid mein Volk. 13 Ich bin der Herr, euer Gott, der euch aus dem Land der Ägypter herausgeführt hat, so daß ihr nicht mehr ihre Sklaven zu sein braucht. Ich habe eure Jochstangen zerbrochen und euch wieder aufrecht gehen lassen.

Wohlergehen in Sicherheit vor Feinden ist hier Frieden. Selbst die Feinde haben vor den Waffen des Volkes keine Chance. Der Garant dieses Wohlergehens in Frieden ist Gott selbst, der in der Mitte seines Volkes wohnt, das er aus Ägypten befreit hat. Frieden ist ein gesellschaftlicher Zustand der von Gott geschenkt und garantiert wird. Dieser Gott wird aber zuerst einmal als ein Gott dieses Volkes gesehen, dem er sich groß und mächtig erwiesen hat. Frieden wir immer mehr zu einer Bundesgabe Gottes, der Mensch zu seinem Teil muss dieses Bündnis auch einhalten.

In der Phase de Landnahme Israels wird der Friedensschluß zur Waffe gegen die Einwohner des Landes, die ihn mit Israel schließen müssen, um nicht durch Krieg vernichtet zu werden. Gott wird zum Vollzugshelfer.

Josua 11:19 Es gab keine Stadt, die mit den Israeliten Frieden geschlossen hätte, außer den Hiwitern, die Gibeon bewohnten. Alle mußte man im Kampf nehmen. 20 Denn vom Herrn war beschlossen worden, ihr Herz angesichts des Kampfes mit Israel zu verhärten, um sie dem Untergang zu weihen; Israel sollte keine Gnade bei ihnen walten lassen, sondern sie ausrotten, wie es der Herr dem Mose befohlen hatte.

Dieser Gott wurde ja auch nur als der Gott Israels verstanden, der stärker war, als die Götter der anderen Völker, die diesen nicht den Frieden sichern konnten, weil sie dazu zu schwach waren. Es war noch nicht der umfassenden Friede, der hier angesprochen war, sondern der Friede für Israel.

In der Königszeit wurde die Gewährleistung des Friedens zur Aufgabe der Herrscher, wie es im ganzen Orient üblich war. Sie taten dies im Auftrag Gottes. Am Ende seiner Tage wollte David Gott in Jerusalem einen Tempel bauen, aber Gott verwehrte ihm dies, weil er in Kriegen zuviel Blut vergossen hatte. Die Bibel stellt die Übertragung der Aufgabe des Tempelbaus an Salomon (im Namen ist schalom = Frieden enthalten) wie folgt dar:

1 Chronik 22:6 Dann rief er seinen Sohn Salomo und trug ihm auf, dem Herrn, dem Gott Israels, ein Haus zu bauen. 7 Er sagte zu ihm: Ich selbst hatte vor, dem Namen des Herrn, meines Gottes, ein Haus zu bauen. 8 Da erging das Wort des Herrn an mich: Du hast viel Blut vergossen und schwere Kriege geführt. Du sollst meinem Namen kein Haus bauen; denn du hast vor meinen Augen viel Blut zur Erde fließen lassen. 9 Doch wurde dir ein Sohn geboren. Dieser wird ein Mann der Ruhe sein: Ich will ihm Ruhe vor allen seinen Feinden ringsum verschaffen. Salomo ist sein Name, und in seinen Tagen werde ich Israel Frieden und Ruhe gewähren.

Gott wird zum Schenker des Friedens und der König zu Garant im Auftrag Gottes. Deutlich wird des weiteren auch gezeigt, dass mit dem Frieden Reichtum und Wohlstand verbunden sind.

In den Psalmen wir Gott angerufen, sein Volk zu segnen und ihm Frieden zu schenken. Der Psalm 72 preist den von Gott eingesetzten Friedenskönig (der König ist der Gesalbte, der Messias) und sein Reich des Wohlergehens, der Gerechtigkeit besonders für die Armen und des Friedens.

Psalm 72

1Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König, demKönigssohn gib dein gerechtes Walten!
2 Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit und deine Armen durch rechtes Urteil.
3 Dann tragen die Berge Frieden für das Volk und die Höhen Gerechtigkeit.
4 Er wird Recht verschaffen den Gebeugten im Volk, / Hilfe bringen den Kindern der Armen, er wird die Unterdrücker zermalmen.
5 Er soll leben, solange die Sonne bleibt und der Mond, bis zu den fernsten Geschlechtern.
6 Er ströme wie Regen herab auf die Felder, wie Regenschauer, die die Erde benetzen.
7 Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen und großer Friede, bis der Mond nicht mehr da ist.
8 Er herrsche von Meer zu Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde.
11 Alle Könige müssen ihm huldigen, alle Völker ihm dienen.
12 Denn er rettet den Gebeugten, der um Hilfe schreit, den Armen und den, der keinen Helfer hat.
13 Er erbarmt sich des Gebeugten und Schwachen, er rettet das Leben der Armen.
14 Von Unterdrückung und Gewalttat befreit er sie, ihr Blut ist in seinen Augen kostbar.
16 Im Land gebe es Korn in Fülle. Es rausche auf dem Gipfel der Berge. Seine Frucht wird sein wie die Bäume des Libanon. Menschen blühn in der Stadt wie das Gras der Erde.
17 Sein Name soll ewig bestehen; solange die Sonne bleibt, sprosse sein Name. Glücklich preisen sollen ihn alle Völker und in ihm sich segnen.
18 Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Er allein tut Wunder.
19 Gepriesen sei sein herrlicher Name in Ewigkeit! Seine Herrlichkeit erfülle die ganze Erde. Amen, ja amen.

Psalm 85 greift denselben Gedanken auf und betont den inneren Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden.

Psalm 85:
8 Erweise uns, Herr, deine Huld, und gewähre uns dein Heil!
9 Ich will hören, was Gott redet: / Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, den Menschen mit redlichem Herzen.
10 Sein Heil ist denen nahe, die ihn fürchten. Seine Herrlichkeit wohne in unserm Land.
11 Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich.
12 Treue sproßt aus der Erde hervor; Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.
13 Auch spendet der Herr dann Segen, und unser Land gibt seinen Ertrag.
14 Gerechtigkeit geht vor ihm her, und Heil folgt der Spur seiner Schritte.

Gott wohnt in seiner Herrlichkeit im Land, er ist der eigentliche Herrscher, er schenkt Frieden und damit Wohlergehen. Friede von Gott und Gerechtigkeit gehören zusammen, Nur dort wo Gerechtigkeit herrscht, kann Friede sein. Von daher auch das schöne Wort: "Gerechtigkeit und Frieden küssen sich".

In der Zeit nach dem Fall des Nordreiches mit der Hauptstadt Samaria 722 vor Christus und vor dem Exil Judas, dass mit dem Fall Jerusalems 586 v. Chr. geißelten der Unheilsprophet Micha die gesellschaftlichen Zustände des Volkes. Die Reichen unterdrückten und beuteten die Armen aus, es entstand eine gespaltene Gesellschaft, die nicht den Vorstellungen aus der Tradition Israels entsprachen. Gerechtigkeit herrschte nicht mehr. Der innere Friede war gebrochen, das konnte nach Aussage der Propheten nur in der Katastrophe enden, die von Jahwe selbst eingeleitet wird.

Hier setzt auch in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts vor Christus der Prophet Jesaja (Auftreten 740-701) an. Sein Buch, von seinen Schülern zusammengestellt, umfasst den Zeitraum von 740 vor Christus bis nach der Rückkehr des Volkes aus dem Exil 536 und der Zeit danach. Nur der erste Teil bezieht sich auf Jesaja unmittelbar. Vor allem die führenden Schichten, die das Volk ausplündern, die eine Bande von Dieben genannt werden (Jes 1,21) verfallen dem Gericht Jahwes. Aber der Prophet zeigt auch eine Heilsperspektive auf.

Jesaja 2

1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat. 2 Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. 3 Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen.

Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. 4 Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.

5 Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.

Jahve ist der Herr über alle Völker. Am Ende der Tage wird die große Wallfahrt aller Völker zum Berg Zion einsetzen. Vom ihm wird Frieden ausgehen, die Kriegswaffen werden umgeschmiedet in Werkzeuge des Friedens. Jerusalem wird die Mitte eines weltweiten Friedensreiches. Ein göttliches Kind wird Träger dieser Verheißung sein, Friedensfürst wird er sein: "Seine Herrschaft ist groß und der Friede hat kein Ende."(Jes 9,6). In der Gefangenschaft in Babylon wird diese Verheißung erneuert.

Jesaja 32

15 Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten, und der Garten wird zu einem Wald. 16 In der Wüste wohnt das Recht, die Gerechtigkeit weilt in den Gärten. 17 Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer. 18 Mein Volk wird an einer Stätte des Friedens wohnen, in sicheren Wohnungen, an stillen und ruhigen Plätzen.

Der Geist aus der Höhe wird Frieden schaffen durch Gerechtigkeit und damit ist zugleich Wohlergehen und Sicherheit gewährleistet. Der innere Zusammenhang von Frieden und Gerechtigkeit wird deutlich.

Die Linien einer Friedenstheologie des Ersten Testamentes gehen aus vom orientalischen Segenswunsch für den Einzelnen zum Bündnis des Friedens unter Stämmen und Völkern bis zum Bündnis mit Gott, dass bei seiner Erfüllung durch das Volk Israel diesem den Frieden zusagt. Bei den Propheten wird das Gericht des Unheils verkündet, dass dann auch eintritt, aber zugleich beginnt eine neue Heilsvision, die weit über Israel hinausgreift und von Gott einen messianischen Frieden bringen wird, in dem es zur Sicherung keine Waffen mehr bedarf.

Die Dimensionen des Friedens für alle Völker sind:

Das Ende des Krieges

Sicherheit

Gerechtigkeit

Wohlstand

Der letzte Bringer und Garant dieses Friedens ist Gott, der Herr über alle Völker. Er herrscht in seinem Reich.

Das meint der Begriff des biblischen Schaloms in seiner prophetischen Ausdeutung.

2.3.1.1.2 Die Friedensbotschaft im Neuen Testament

Das Neue Testament greift diese Gedanken auf und vertieft sie noch. Mit Jesus ist Gottes Reich gekommen. Er ist der Gesalbte des Herrn, der Messias. So deutet er den Text des Jesaja auf sich.

Lukas 4

16 So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, 17 reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: 18 Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze, 19 und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. 20 Dann schloß er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. 21 Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

Mit ihm ist das messianische Reich, dass die Propheten angekündigt haben, gekommen. Seine frohe Botschaft (Evangelium) bedeutet diese Ankunft in und mit ihm.

In der Taufe am Jordan wird seine Geistsalbung im auf ihn herabkommenden Geist und seine Sendung noch einmal deutlich und die Jünger darauf verwiesen, dass dies der geliebte Sohn des Vaters ist. (siehe z.B. Matthäus 3,13-17).

Er bekräftigt seine Botschaft mit wunderbaren Heilungen, um damit deutlich zu machen, dass er der angekündigte Heilbringer ist.

Er sagt aber auch, dass das Reich noch nicht in Vollendung da ist. Noch ist es vermengt mit dem Reich des Bösen, wie das Unkraut unter dem Weizen (siehe Matthäus 13,24-30 Himmelreich = Gottes Reich). Bei der Wiederkunft am Ende der Zeiten wird es aber in seiner Fülle hereinbrechen.

In den Seligpreisungen der Bergpredigt stellt er das Grundgesetz des Reiches Gottes von der wahren Gerechtigkeit heraus (Mt.5). Die Friedensstifter werden Söhne Gottes genannt (Mt 5,9).

Das Gebot der Nächstenliebe fasst seine neue Ethik zusammen. Lukas 10:25 Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? 26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? 27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. 28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach, und du wirst leben.

Feindesliebe gehören zur wahren Gerechtigkeit. Matthäus 5:43 Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?48 Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. Jeder wird damit letztlich zum Nächsten. Damit wird Krieg im Kern unmöglich. Er gehört nicht zur Dimension des Gottesreiches und es muss alles getan werden, damit er überwunden wird.

Vorbehaltlose Versöhnung ist im Grundgebet dem Vater unser angesagt und an anderen Stellen (Lukas 17,4): Mt 6:12: Und erlaß uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben. Diese Haltung macht Frieden möglich.

Letztlich gibt Jesus den Rat zur Gewaltlosigkeit, Mt 5:38 Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. 39 Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Der nahezu nie endenden Kette von Schädigung wie z.B. in der Blutrache war ja schon der Satz von der Gleichwertigkeit von Schaden und Strafe entgegengesetzt worden, nun soll auch dieser durch Gewaltlosigkeit ersetzt werden, rät Jesu und trägt selbst die Konsequenzen dieses Satzes. Das Gottesreich zielt diese Gewaltlosigkeit an.

In seiner Geburt wird den Menschen der Frieden mit Gott verkündet (Lk 2,14), sein Auferstehungsgruß ist der Friedensgruß (z.B. Lk 24,36) an seine Jüngerinnen und Jünger. Die junge Gemeinde wird in der Kraft des messianischen Pfingstgeistes (Apostelgeschichte 2) gesalbt für den Auftrag, die Botschaft Jesu weiterzuführen. Der Auferstandene wird als der Messias (Christos griechisch (Christus lateinisch) = der Gesalbte) in ihrer Mitte verstanden. Die endzeitliche Völkerwallfahrt hat begonnen. Deshalb ist es auch konsequent, dass zur jungen Gemeinde Heiden gehören.

Paulus führt seine Gemeinde auf den neuen Weg der von Gott geschenkten Gerechtigkeit, indem er sich für die Minimierung alles dessen einsetzt, was dieser von Gott geschenkten Gerechtigkeit widerspricht, dazu gehört auch der Unfrieden vor allem in den Gemeinden. Glaubhaftes Zeugnis für die Gegenwart des auferstandenen Herrn ist ein Leben aus dem Bewusstsein, dass das neue schon gekommen ist, obwohl das alte noch wirksam ist. In der nachpaulinischen Verkündigung des Epheserbriefes wird Jesus unser Friede (Eph 2,14)genannt. Er machte eine versöhnte Menschheit möglich, indem er die Trennmauern zwischen Juden und Heiden vernichtete.

Aufgabe der Christen ist es, durch ihr Verhalten glaubhaft Zeugnis für ihren Glauben an das angekommene Reich Gottes und den Frieden unter den Menschen zu geben.

Die Propheten haben ein Reich Gottes prophezeit, dass der Messias im Auftrage Gottes bringen wird. Jesus bezieht dieses Ereignis auf sein Kommen und seine Botschaft. Diese Botschaft ist Aufgabe der Kirche, in der der auferstandene Herr als der gekommene Messias (Christus) lebt. Die Kirche hat die Aufgabe, seine Gegenwart zu bezeugen, die Botschaft vom schon gekommenen Gottesreich zu verkünden und glaubhaft zu bezeugen. Jesus hat in seiner Bergpredigt Wege dazu aufgezeigt. Dazu gehört entscheidend die Botschaft vom Gott geschenkten endgültigen Frieden, der durch unser Friedenshandeln immer wieder bestätigt werden muss.

2.3.1.1.3 Schon und noch nicht

Das Friedenshandeln, das uns durch die heilige Schrift nahegelegt wird ist zugrunde gelegt vor allem bei den Propheten des Alten Testamentes. Friede wird umfassend verstanden als ein Reich Gottes, gebracht durch den Messias. Die Dimensionen des Friedens für alle Völker sind wie schon dargestellt:

Das Ende des Krieges

Sicherheit

Gerechtigkeit

Wohlstand

Dabei sollen vor allem die Schwachen und Armen zu ihrem Recht kommen.

Jesus, der als gesalbte Christus der Messias ist, hat dieses Reich des Friedens gebracht. Versöhnung, Heilung Gewaltlosigkeit und Nächstenliebe sind besondere Akzente seiner Botschaft vom Reich Gottes, das durch ihn verborgen da ist.

Jesus ist als auferstandener Herr in seiner Kirche gegenwärtig, seine Botschaft vom Reich Gottes wird durch die Kirche weiter verkündet und gelebt. Sie, und das sind alle Christen haben den Auftrag, sich um Verhältnisse in dieser Erdenzeit zu bemühen, die die verborgene Anwesenheit des Gottesreiches schon offenbaren.

Das Reich Gottes ist schon da, aber noch nicht vollständig offenbar, ja manchmal hat es den Eindruck, dass die Kräfte des Unfriedens stärker sind als die Kräfte des Friedens. Das darf Christen in ihrem Einsatz für den Frieden nicht mutlos machen, so wird es schon in den apokalyptischen Trostbücher der Bibel deutlich, z.B. in der Offenbarung des Johannes. Am Ende steht die völlige Offenbarung des Reiches Gottes.

2.3.2 Die Entwicklung der Lehre vom Frieden in der Kirche

2.3.2.1 Hinführung

Unter den gegebenen biblischen Aussagen ist es verständlich, dass sich die Kirche im Verlaufe ihrer Geschichte immer wieder mit Krieg und Frieden beschäftigt hat. Dabei ist besonders die Frage nach dem sogenannten gerechten Krieg gestellt worden. Der Entwicklungsgeschichte der Stellung der Kirche zu Krieg und Frieden bis heute soll nachgegangen werden. Ist die Kirche ihrer Aufgabe gerecht geworden?

Zu den folgenden Ausführungen empfiehlt sich das 3. Kapitel des Wortes der Deutschen Bischofskonferenz zum Frieden, Gerechtigkeit schafft Frieden, Bonn 1983 zu lesen. Es ist leider vergriffen, als Buch ist es mit anderen Worten erschienen z.B. "Hirtenworte zu Krieg und Frieden, Mainz 1983. Dort ist auch der Brief der Bischöfe der DDR zum Weltfriedenstag 1983 abgedruckt. Hinzu kommt das Wort der Deutschen Bischöfe "Gerechter Frieden" http://dbk.de/schriften/fs_schriften.html   vom Oktober 2000.

2.3.2.2 Die ersten drei Jahrhunderte

Die ersten Christen hatten Problem mit dem Staat. Auf der einen Seite wussten sie, dass es ohne staatliche Autorität nicht geht, so steht es schon in Römer 3,14, auf der anderen Seite mussten sie den verbindlichen Staatskult verweigern bis hin zum Martyrium. Als verfolgte religiöse Minderheit taten sich die Gemeinden mit dem Staat schwer. Das betraf auch den Dienst als Soldat. Man bezog sich dabei auf die Stelle im Neuen Testament, an dem Jesus dem Petrus den Einsatz der Waffe untersagte. Mt 26:52 Da sagte Jesus zu ihm: Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen. Dies wurde generell gegen den Kriegsdienst ausgelegt. Man sah aber auch, dass Christen Kriegsdienst leisteten und Soldaten im Offiziers- wie Mannschaftsrang Christen wurden. Ihnen wurden auferlegt, heidnisch-kultische Handlungen zu meiden und den Befehl der Tötung von Menschen zu verweigern. Das macht dann auch die Gewissensnot deutlich, die wir auch aus den Märtyrerakten ersehen. Julius verweigert das Götter- und Kaiseropfer und stirbt dafür, Maximilianus verweigert überhaupt und nimmt 295 den Tod auf sich.

Die Christen handelten sich dafür den Vorwurf ein, Schmarotzer am Gemeinwesen zu sein. Es begann eine langsame Umorientierung die sich auf Lukas 3,14 und die Frage der Soldaten an Jesus berief: Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Mißhandelt niemand, erpreßt niemand, begnügt euch mit eurem Sold! Außerdem wird in der Apostelgeschichte (10,2 ff und 44 ff) davon berichtet, dass als einer der ersten Heiden der römische Hauptmann Cornelius getauft wurde. Diese Umorientierung wurde vor allem auch deshalb notwendig, als in der konstantinischen Wende durch Kaiser Konstantin (Mitregent von Licinius) im Edikt von Mailand 313 das Christentum der Staatsreligion gleichgestellt wurde, dadurch traten Kirche und Staat in ein positiveres Verhältnis. Trotzdem tat sich die Kirche schwer damit, wie das die Synode (Kirchenversammlung) von Arles 314 zwar die Soldaten in Friedenszeiten aufforderte, den Dienst nicht zu verlassen, ohne dass sie damit zum Töten in Kriegszeiten verpflichtet seine.

2.3.2.3 Die Entwicklung der Lehre vom gerechten Krieg

Augustinus (*354-+430) der großen Kirchenlehrer entwickelt eine Lehre vom Frieden. Dabei unterscheidet er deutlich himmlischen und irdischen Frieden. Krieg ist für ihn Sünde und hat nicht zu sein. Nach seinen Erfahrungen glaubte er auch nicht daran, dass ein Krieg ein Besserungmittel für die Menschen sei. Für ihn bringt der Krieg: Die Gier zu schaden, die Grausamkeit de Rache, die Unbefriedetheit und Unversöhnlichkeit des Geistes, die Wildheit des Aufbegehrens, die Lust der Überlegenheit und Ähnliches mehr. (PL 42,447). Dem möglichen Frieden auf Erden gegenüber war er eher skeptisch und nannte ihn "Trost im Elend". Eine Ordnung des Friedens muss sich auf Recht und Gerechtigkeit stützen. Sie kann dann aufgebaut werden von Familie über Stadt, Staat bis zu den Völkern, wenn der Mensch zunächst einmal keinem schade, sondern aber auch nütze, wem er kann.

Seine Theorie vom gerechten Krieg übernimmt er im wesentlichen von Denkern der Antike wie Aristoteles und Cicero. Der Krieg muss

dem Frieden als Ziel dienen

sich gegen begangenes Unrecht richten

von einer legitimem Autorität angeordnet sein

die Kriegführung darf nicht gegen Gottes Weisung verstoßen

Trotzdem bleibt für ihn der Krieg ein großes Elend. Dadurch, dass er aber die Möglichst offen lässt, dass Gott selbst einen Krieg anordnen kann, hat er auch die Rahmenbedingungen für die Kreuzzüge abgegeben. Das "dos le vult" (Gott will es) der Kreuzzüge spricht eine deutliche Sprache gegen diese Auffassung durch den entscheidendsten Schandfleck der Christenheit mit seinen vielen Untaten z.B. auch die Judenprogrome in den rheinischen Städten, den Kinderkreuzzug und die Zerstörung Konstantinopels. Weiterhin führte diese Auffassung auch dazu, dass man der Ansicht war, mit den Heiden befände man sich eigentlich in einem dauernden Kriegszustand.

Im wesentlichen bestätigt Thomas von Aquin (1225-1274) diese Lehre. Der Krieg ist im Prinzip ein Laster, dass nur erlaubt ist wenn dadurch die durch ein schweres Unrecht zerstörte sittliche Ordnung wieder hergestellt wird. Er muss also einen gerechten Grund haben, die Vollmacht der Regierenden muss gegeben sein und die Kriegführenden müssen die rechte Absicht haben, dass heißt es darf nicht zu Grausamkeiten und Racheakten kommen, sondern das Ziel muss die Wiederherstellung der gestörten Ordnung und die Bestrafung der Täter sein. Gegenüber Glaubenskriegen, die von Gott angeordnet seien ist er skeptischer.

Sie wird in Folge zur herrschenden Doktrin aber von spanischen Theologen im 16. Jahrhundert doch stark abgeschwächt, um die Eroberungsfeldzüge gegen heidnische Völker zu rechtfertigen. Sie fordern aber Kriegsmilde gegenüber den Unterlegenen.

2.3.2.4 Kriegsethik der Aufklärung und der folgenden Zeit

Es setzt ein Prozess ein, der es den entstehenden Nationalstaaten leichter macht Kriege zu führen, weil politische Interessen und theologisch Argumentation vermischt werden. Die Einführung der Feuerwaffen hat keinen sichtbaren Einfluss auf die Ethik des gerechten Krieges. Der Krieg wird immer mehr zum Mittel der Politik. Entscheidend ist nur noch, ob ihn die legitime Autorität einberufen hat. Die Regierenden kümmern sich wenig um die Kriterien des sogenannten gerechten Krieges. Das Kriegsführungsrecht wird frei, Frieden wird bei den modernen Völkerrechtlern der Aufklärung zu einem Vertragszustand.

Der Bellizismus des 19. Jahrhunderts machte sogar den Krieg zu einem Mittel staatlicher Expansionspolitik und zur Stärkung der moralischen Kraft eines Volkes, dagegen entwickelte sich der Pazifismus.

Es entstehen aber erste Gedanken zu einem Völkerrecht, das eine Schiedsgerichtsbarkeit beinhaltet und letztlich im Briand-Kellogg-Pakt nach dem 1. Weltkrieg 1928 zur Kriegsächtung und dann 1945 nach dem 2. Weltkrieg zu einem allgemeinen Gewaltverbot der UN-Charta führen. Trotzdem wird das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert der Kriegstoten.

2.3.2.5 Die Entwicklung seit dem 2. Weltkrieg

Schon der Erste Weltkrieg wurde mit dem Einsatz von neuen Massenvernichtungswaffen als eine Urkatastrophe des Jahrhunderts bezeichnet, 10 Millionen Tote waren zu beklagen, ohne die Verwundeten und die vielen Sachschäden. Dies war aber noch gering gegenüber den Folgen des Zweiten Weltkrieges an dem 61 Völker beteiligt waren und der über 60 Millionen Tote kostete, davon mit dem höchsten Anteil von 25 Millionen die UdSSR. Mit den Toten aller Kriege dieses Jahrhunderts dürften annähernd 100 Millionen zu beklagen sein.

Diese Ereignisse stellten eine neue Herausforderung dar. Schon nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich, dass die Theorie vom gerechten Krieg nicht weiter half. Zum Beispiel hatten die Bischöfe das Recht ihres jeweiligen Länder auf die Erklärung zum Krieg betont. Die Theorie wurde auch durch die Massenvernichtungswaffen ad absurdum geführt.

Der skrupellose Umgang mit Angriffskriegen und der Einsatz von Massenvernichtungswaffen lassen Pius XII. in seiner bekannten Weihnachtsansprache von 1944 den Angriffskrieg ächten und die Theorie, der Krieg sein ein Mittel der internationalen Politik erneut verwerfen. Gleichzeitig fordert er eine Weltorganisation, die in der Lage ist, Angriffskrieg im Keim zu ersticken. Hier wird ein neuer Ansatz deutlich.

Eine Pflicht ist im übrigen allen auferlegt; eine Pflicht, die keine Verzögerung, keinen Aufschub, keine Zurückhaltung, keine Ausflucht duldet: die Pflicht, alles nur irgend Mögliche zu tun, um ein für alle Mal den Angriffskrieg als rechtmäßige Lösung internationaler Streitigkeiten und als Werkzeug nationaler Bestrebungen zu ächten und zu bannen. Die Vergangenheit hat genügend Versuche mit diesen Zielen gesehen. Sie alle haben Schiffbruch erlitten. Und sie werden auch solange weiter scheitern, als der gesündere Teil des Menschengeschlechtes noch nicht den festen Willen, die heilige Hartnäckigkeit wie eine Gewissenspflicht in sich fühlt, die Mission zu vollenden, die die früheren Zeitalter begonnen haben, aber ohne die nötige Entschlossenheit.

Wenn jemals eine Generation den Schrei "Krieg dem Kriege!" der aus den Tiefen ihres Gewissens aufstieg, vernehmen mußte, dann ist es gewiß die unsere. Sie ist durch einen Ozean von Blut und Tränen geschritten wie es vielleicht keine Zeit vorher gekannt hat, und sie hat die unaussprechlichen Grausamkeiten so intensiv erlebt, daß das Andenken an diese Schrecken in ihr Gedächtnis und in den Grund ihrer Seele eingegraben bleiben wird wie das Bild einer Hölle ...

Die Beschlüsse, die von den internationalen Kommissionen angenommen und bis jetzt bekannt geworden sind, lassen erwarten, daß ein wesentlicher Punkt jeder zukünftigen Weltorganisation die Bildung eines Organs sein wird, das den Frieden aufrecht erhalten soll; eines Organs, das durch gemeinsamen Beschluß mit einer höchsten Autorität ausgerüstet ist und das auch die Aufgabe hat, jede Angriffsdrohung im Keime zu ersticken. Niemand kann diese Entwicklung mit größerer Freude begrüßen als derjenige, der schon seit langer Zeit den Grundsatz vertreten hat, daß die Theorie vom Kriege als dem geeigneten und angebrachten Mittel internationale Konflikte zu lösen, von nun, überlebt sei. Niemand kann dieser gemeinsamen Zusammenarbeit, die es mit bisher unbekannter Entschlossenheit ins Werk zu setzen gilt, mit größerer Wärme einen vollen und glücklichen Erfolg wünschen als derjenige, der im Gewissen dazu verpflichtet ist, das christliche und religiöse Denken dahin zu beeinflussen, daß es den modernen Krieg mit seinen fürchterlichen Kampfmitteln ablehnt.

Fürchterliche Kampfmittel! Es besteht kein Zweifel, daß der Fortschritt der menschlichen Erfindungen, der das Nahen eines größeren Wohlstandes für die ganze Menschheit sichern sollte, im Gegenteil dazu verwandt worden ist, das zu vernichten, was die Jahrhunderte aufgebaut hatten. Aber gerade dadurch ist die Unsittlichkeit des Angriffskrieges immer augenfälliger geworden. Und wenn sich zu der Erkenntnis dieser Unsittlichkeit die drohende Gefahr eines gerichtlichen Einspruchs der Nationen und einer Strafe gesellt, die dem Angreifer vom Bund der Völker auferlegt wird, so daß der Krieg sich ständig unter dem Druck der Ächtung und immer von vorbeugenden Maßnahmen überwacht fühlt, dann kann die Menschheit, die aus der dunklen Nacht hervorgeht, in die sie so lange versenkt war, die Morgenröte eines neuen und besseren Zeitalters ihrer Geschichte begrüßen.

In der ersten großen Friedensenzyklika der Kirche von Papst Johannes XXIII. 1963 Pacem in terris (Friede auf Erden http://www.stjosef.at/CSL/ ) begründet der Papst den Kern der Ordnung der Menschen damit, dass jeder Mensch Person und deshalb mit unantastbaren Rechten ausgestattet sei. Genannt werden unter anderem das Recht auf Lebensunterhalt, moralische und kulturelle Rechte, Religionsfreiheit, wirtschaftliche Freiheit, das Recht auf Gemeinschaftsbildung und das Recht auf Auswanderung und Einwanderung. Die Sorge für das Gemeinwohl ist der Existenzgrund des Staates. Es gibt aber auch ein universelles Gemeinwohl, das mit den derzeitigen Organisationen nur ungenügend geschützt wird. Basierend auf den unverletzlichen Menschenrechten müssen die Vereinten Nationen in Zukunft auch die Rechte aller in der Menschheitsfamilie unter Beachtung der Subsidiarität in Schutz nehmen.

137. Da aber heute das allgemeine Wohl der Völker Fragen aufwirft die alle Nationen der Welt betreffen, und da diese Fragen nur durch eine politische Gewalt geklärt werden können, deren Macht und Organisation und deren Mittel einen dementsprechenden Umfang haben müssen, deren Wirksamkeit sich somit über den ganzen Erdkreis erstrecken muß, so folgt um der sittlichen Ordnung willen zwingend, daß eine universale politische Gewalt eingesetzt werden muß.

Es geht darum eine Weltfriedensordnung aufzubauen. Ein wesentliches Element davon ist die Abrüstung.

109. Anderseits sehen Wir nicht ohne großen Schmerz, daß in den wirtschaftlich gut entwickelten Staaten ungeheuere Kriegsrüstungen geschaffen wurden und noch geschaffen werden und daß dafür die größten geistigen und materiellen Güter aufgewendet werden. So kommt es, daß die Bürger dieser Nationen keine geringen Lasten zu tragen haben und andere Staaten, die sich wirtschaftlich und sozial entwickeln sollten, der notwendigen Hilfeleistungen entbehren.

110. Als rechtfertigenden Grund für diese militärische Rüstung pflegt man anzugeben, daß unter den gegenwärtigen Umständen der Friede nur durch das Gleichgewicht der Rüstungen gesichert werden kann. Die militärische Rüstungssteigerung an einer Stelle hat also zur Folge, daß auch anderswo das Bestreben aufzurüsten zunimmt. Und wenn eine Nation mit Atomwaffen ausgerüstet ist, gibt dies anderen Nationen Anlaß, daß auch sie sich solche Waffen mit gleicher Zerstörungskraft zu verschaffen suchen.

111. Infolgedessen befinden sich die Völker beständig in Furcht, wie vor einem Sturm, der jeden Augenblick mit erschreckender Gewalt losbrechen kann. Und das nicht ohne Grund, denn an Waffen fehlt es tatsächlich nicht. Wenn es auch kaum glaublich ist, daß es Menschen gibt, die es wagen möchten, die Verantwortung für die Vernichtung und das Leid auf sich zu nehmen, die ein Krieg im Gefolge hat, so kann man doch nicht leugnen, daß unversehens und unerwartet ein Kriegsbrand entstehen kann. Und wenn auch die ungeheuere militärische Rüstung heute die Menschen davon abschrecken dürfte, einen Krieg zu beginnen, so besteht dennoch Grund zur Befürchtung, daß die schon für Kriegszwecke unternommenen Kernwaffenexperimente, wenn sie nicht aufhören, die verschiedenen Arten des Lebens auf Erden in schwere Gefahr bringen können.

112. Deshalb fordern Gerechtigkeit, gesunde Vernunft und Rücksicht auf die Menschenwürde dringend, daß der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; daß ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; daß Atomwaffen verboten werden; und daß endlich alle auf Grund von Vereinbarungen zu einer entsprechenden Abrüstung mit ,wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen. "Es darf nicht gestattet werden", mahnte Unser Vorgänger seligen Andenkens Pius XII., "daß das Grauen eines Weltkrieges mit seiner wirtschaftlichen Not, seinem sozialen Elend und seinen sittlichen Verirrungen zum drittenmal über die Menschheit komme"

Schon Benedikt XV. 1917 und Pius XII. 1941 hatten darauf hingewiesen. Der Rüstungswettlauf sollte aber noch ganz andere Dimensionen annehmen. Für den Papst ist der Friede der höchste Wert für alle. So steht dies in der Enzyklika:

116. Endlich ist der Friede von höchstem Wert für alle: für die einzelnen Menschen, für den häuslichen Herd, für die Völker und schließlich für die gesamte Menschheitsfamilie. Diesbezüglich hallt in Unseren Ohren noch die mahnende Stimme Unseres Vorgängers Pius XII. nach: "Nichts ist mit dem Frieden verloren. Aber alles kann mit dem Krieg verloren sein" (Pius XII., Rundfunkbotschaft vom 24.8.1939)

Das zweite Vatikanische Konzil hat in sein 5. Kapitel in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Freude und Hoffnung) der Förderung des Friedens und dem Aufbau der Völkergemeinschaft gewidmet. (Der Text ist zu finden http://www.stjosef.at/CSL/ und TSL 371-384) Sie geht dabei von der Voraussetzung aus, dass durch die grausamen Erfahrungen der Vergangenheit die Menschen zu neuen Reife gekommen sind um neue Weg zum Friedenserhalt zu finden. Dauerhafter Friede kann nicht durch Machtbalance von Blöcken noch durch das Machtgebot eines Stärkeren erfolgen, sondern im Sinne von Jesaja 33,17 ist Friede ein Werk der Gerechtigkeit.

Das Konzil beklagt die immer verwickeltere Methoden der Kriegführung, wissenschaftliche Möglichkeiten führen zu neuer Barbarei und zum totalen Krieg, Terrorismus gibt der Kriegführung eine neue Gestalt. Völkermord oder Mord von Minderheiten sind zu beklagen, niemand kann sich hier mit blindem Gehorsam entschuldigen. Internationale Konventionen sind einzuhalten. Ein Soldat möge sich als Diener der Sicherheit des Friedens und der Völker betrachten. Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen muss möglich sein All dies zwingt, die Frage des Krieges mit neuen Einstellungen zu prüfen. Deshalb macht sich diese Heilige Synode die Verurteilung des totalen Krieges, wie sie schon von den letzten Päpsten ausgesprochen wurde3, zu eigen und erklärt: Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist (GS 80).

Rüstungswettlauf wird nicht als sicherer Weg bezeichnet, dem Frieden zu dienen. Er entzieht der Menschheit die Mittel, die zur Bekämpfung des Elends in aller Welt braucht. Es versucht werden Wege zu finden, Konflikte anders zu lösen als durch Krieg. Die Ächtung des Krieges erfordert aber eine Übereinkunft aller Nationen. Es ist also deutlich, daß wir mit all unseren Kräften jene Zeit vorbereiten müssen, in der auf der Basis einer Übereinkunft zwischen allen Nationen jeglicher Krieg absolut geächtet werden kann. Das erfordert freilich, daß eine von allen anerkannte öffentliche Weltautorität eingesetzt wird, die über wirksame Macht verfügt, um für alle Sicherheit, Wahrung der Gerechtigkeit und Achtung der Rechte zu gewährleisten. Bevor aber diese wünschenswerte Autorität konstituiert werden kann, müssen die jetzigen internationalen höchsten Gremien sich intensiv um Mittel bemühen, die allgemeine Sicherheit besser zu gewährleisten(82). Abrüstung ist angesagt.

Um den Frieden aufzubauen muss vor allem Ungerechtigkeit auf der Welt beseitigt werde. Wir alle bedürfen eines Gesinnungswandels, wenn die Menschheit eine Chance haben soll. Die Weltgemeinschaft muss gestärkt werden, es bedarf einer neuen Weltwirtschaftsordnung, der Welthandel muss von Grund auf erneuert werden. Dazu bedarf es auch der konsequenten Entwicklungshilfe. Dies bedarf auch oft der Strukturänderung in betroffenen Ländern. Dabei muss darauf geachtet werden, dass jeder Teil der Menschheit einen Teil des geistigen Erbes trägt, dass Gott der Menschheit anvertraut hat. Dazu gehört auch die Problematik der Bevölkerungsentwicklung. Allen müssen die Methoden zugänglich sein, die zur Geburtenregelung verantwortbar sind.

Um den Frieden aufzubauen, müssen vor allem die Ursachen der Zwietracht in der Welt, die zum Krieg führen, beseitigt werden, an erster Stelle die Ungerechtigkeiten. Nicht wenige entspringen allzu großen wirtschaftlichen Ungleichheiten oder auch der Verzögerung der notwendigen Hilfe. Andere entstehen aus Herrschsucht und Mißachtung der Menschenwürde und, wenn wir nach den tieferen Gründen suchen, aus Neid, Mißtrauen, Hochmut und anderen egoistischen Leidenschaften. Da der Mensch so viel Unordnung nicht ertragen kann, folgt daraus, daß die Welt auch ohne das Wüten des Krieges dauernd von zwischenmenschlichen Spannungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen vergiftet wird. Weil außerdem dieselben Übel auch in den Beziehungen unter den Völkern zu finden sind, müssen, will man sie überwinden oder verhüten und die zügellose Gewaltanwendung verhindern, die internationalen Institutionen besser und enger zusammenarbeiten und koordiniert werden; ebenso muß auf die Bildung neuer Organe für die Förderung des Friedens unermüdlich hingearbeitet werden(83). Entwicklungshilfe als ein Weg zu mehr Gerechtigkeit ist angesagt. Die hochentwickelten Länder sind zur Hilfeleitung verpflichtet. Die Christen sollen bei allen Bemühungen in internationalen Organisationen mitwirken, die sich die Verwirklichung dieser Aufgaben bemühen.

Weltweite Solidarität muss vor allem auch unter den Katholiken gefördert werden. Christen haben hier eine besonderer Aufgabe. Sie arbeiten mit an der Entwicklung einer weltweiten Gerechtigkeit, die der beste Weg zu einer dauerhaften Friedenssicherung ist.

1975 nimmt sich die Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (in Würzburg). und auch der katholischen Kirche der DDRdieser Thematik an. Es ist schon eine Art Programm, dass die Synode in Würzburg den Entwicklungsdienst und den Friedensdienst der Kirche in einem Text zusammenfasst. So lautet denn der Beschluss: Der Beitrag der Kirche in der Bundesrepublik Deutschland für Entwicklung und Frieden. Es geht darum, gerechte Verhältnisse auf der Erde herzustellen. Der Beschluss baut auf dem Konzilstext auf, führt ihn aber weiter und wendet ihn vor allem auf die Kirche in der Bundesrepublik auf allen Ebenen an. Er leistet über bisherige Aussagen hinaus auch eigenständige Beiträge. In der Ursachenforschung des Krieges macht er deutlich, dass Ursachen für Unfrieden unterschiedlich sind und sich wie in einem Ursachenbündel gegenseitig durchdringen. So kann Unfrieden nicht auf eine einzige Ursache zurückgeführt, können Frieden, Friedenspolitik und Friedenshandeln nicht mehr mit einfachen Formeln erklärt werden.

Teilziele einer Friedenspolitik sind: die Menschenrechte, vor allem das Recht auf Leben, auf möglichst freie Entfaltung, auf Teilhabe an der Gestaltung der menschlichen Gemeinschaft, auf Selbstbestimmung, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und das Prinzip der Gewaltlosigkeit(2.1.2.1).

Bei den Handlungsfeldern geht es dann vor allem um die Aufgabenstellung in der Bundesrepublik. Zwei große Felder werden genannt: Erziehung zum Frieden und Dienste für den Frieden. Richtziele im kognitiven(Erkenntnis) Bereich sind vor allem die Einsicht in die Ursachen des Unfriedens, Erkenntnis von Vorurteilen und Feindbildern und Dialogfähigkeit; im affektiven (Gefühl) Bereich die Sensibilisierung in der Wahrnehmung von Unrecht und Unfrieden, Abbau von Vorurteilen, Rücksichtnahme auf Fremde und die Klärung der eigenen Bedürfnisse: Ziele der Interaktionsebene (Zusammenarbeit) sind die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und zum Kompromiss, Bereitschaft zur Parteinahme zugunsten Benachteiligter.

Zwei konkrete Arbeitsfelder werden bewusst herausgestellt, das ist die Arbeit mit Ausländern, und mit benachteiligten Gruppen und die Dritte-Welt-Arbeit im Bereich Mission-Entwicklung-Frieden.

Die grundlegende Elemente kirchlicher Friedensarbeit können wie folgt zusammen gefasst werden( H. Th. Risse und H. J. Möller, Zum Stand der kirchlichen Friedensarbeit, in N. Glatzel u.a. Herausgeber, Frieden in Sicherheit, Freiburg 1981 Seite 185 f:

"Kirchliche Friedensarbeit ist integraler Bestandteil kirchlichen Lebens und Handelns.

Ziel ist der internationale Frieden in einem umfassenden Sinn. Seine verschiedenen Dimensionen ergeben verschiedene Teilziel und Handlungsebenen.

Ansatz- und Ausgangspunkt der Friedensarbeit ist vorzugsweise der erfahrbare Nahbereich.

Spezialisierte Gruppen, Verbände und Institutionen können eine Pionierfunktion ausüben. Hauptsache bleibt jedoch die Integration der Friedensarbeit in das Leben der Gemeinden, Verbände und Gruppen.

Diese allgemeine "Basisorientierung" erfordert spezielle Serviceleistungen auf Pfarrebene, Diözesanebene und überdiözesaner Ebene.

Friedenserziehung, Dienst für den Frieden und Einwirkung auf Öffentlichkeit und Politik stehen im Wechselverhältnis und bedingen einander in ihren Wirkungen."

In den Auseinandersetzungen der Blöcke Ost und West um die Raketenrüstung, besonders um die Nachrüstungsdebatte und den sogenannten Nato-Doppelbeschluss 1979, der die Nachrüstung davon von Verhandlungen mit den Staaten des Warschauer Paktes über die Begrenzung von Mittelstreckenraketen abhängig machte, meldeten sich weltweit die verschiedensten Bischofskonferenzen zu Wort. Aussagen einer Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Bscihofskonferenz in der Bundesrepublik und des gemeinsamem Hirtenbriefes der Bischöfe der DDR sollen hier kurz dargestellt werden.

1981 erscheint eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Thema "Frieden wahren, fördern und erneuern." Darin wird die damalige brisante Situation dargestellt. Die Kirche hat sich verschiedentlich zu Themen der Friedenssicherung geäußert, so vor allem in der Atombewaffnungsdiskussion von 1959 in den Heidelberger Thesen. Dabei wird deutlich, dass im Raum der EKD unterschiedliche Auffassungen zu dieser Frage bestehen. Sie müssen sich vor der Frage rechtfertigen, ob ihr Weg dem Erhalt des Friedens dient. Darüber darf es keinen Dissens geben.

Zur Friedensdiskussion hat auch immer wieder der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf beigetragen. Vier Friedensinitiativen werden in der EKD deutlich. Die Aktion "Ohne Rüstung leben" verwirft jede Rüstung. "Frieden schaffen ohne Waffen" will Wege aufzeigen, wie man ohne Rüstung dem Frieden dienen kann. Die Initiative "Sicherung des Friedens" verwirft auch den Krieg als politisches Mittel, spricht aber dem Staat das Recht und die Pflicht zu, Machtmittel bereit zu halten, um Gewaltakte Einzelner oder ganzer Staaten zu verhindern. Im "evangelisch-katholischen Arbeitskreis" werden konkrete Schritte zur Abrüstung diskutiert.

Einigkeit muss darüber bestehen, dass Gott den Frieden und nicht den Krieg will. Vier Schritte schlägt die Denkschrift für das Handeln der Kirche vor und entfaltet sie:

Die Spannungen in der Kirche müssen in eine fruchtbare Diskussion eingebracht werden.

Ohne Frieden gibt es keine Zukunft, deshalb ist für den Frieden bilden eine wichtig Aufgabe.

Näherungslösungen auf eine Weltfriedensordnung sind anzustreben

Gemeinschaft muss praktiziert werden zwischen den Bündnissystemen, in unserm Land, in den Kirchen.

Dieses Dokument will einen Beitrag zu Diskussion leisten, indem es vor allem die Unterschiede in kirchlichen Ansätzen aufzeigt und einen Konsens versucht. Der Dialogcharakter geht auch über die Kirchen hinaus und gehört mit zum Konzept einer Friedensförderung.

Gemeinsamer Hirtenbrief der katholischen Bischöfe in der DDR zum Weltfriedenstag 1983

Der 1. Januar wird seit einigen Jahren als Weltfriedenstag begangen. Für diesen Tag haben die Bischöfe der DDR 1983 ein Hirtenwort verfasst, das in allen Gottesdiensten zu verlesen war. Das war der damaligen Situation gemäß, da Äußerungen über den Raum der Verkündigung hinaus unnotwendige Schwierigkeiten gebracht hätten. Der Brief ist eine Ermutigung, Frieden ist möglich sagen die Bischöfe, Krieg kein unausweichliches Geschick. Deutlich machen sie auch, dass sie die staatliche Wehrerziehung nach wie vor ablehnen, weil er sich, wie von ihnen vorausgesagt, negativ auswirkt. In der Lehre vom gerechten Krieg vertreten sie den Standpunkt des Konzils. Sie stärken das Gewissen der Betroffenen und begrüßen die Möglichkeit, Bausoldaten zu werden, daraus dürften ihnen aber keine beruflichen Nachteile erwachsen. Der Sehnsucht der Jugend nach Frieden soll nicht mit Verdächtigungen, sondern mit Offenheit begegnet werden. Insgesamt für die damaligen Verhältnisse ein mutiges Wort, das vor allem die Gewissensentscheidung stärken will.

Eines der umfangreichsten Worte ist das der Deutschen Bischofskonferenz zum Frieden, Gerechtigkeit schafft Frieden, Bonn 1983, was oben schon ausgeführt ist. In der Einleitung wird die Notwendigkeit eines solchen Wortes erläutert. Der Ruf nach Frieden ist unüberhörbar, deshalb muss auch die Kirche sich melden.

Im 2. Kapitel wird das Friedensverständnis der Bibel entwickelt. Siehe dazu auch das Kapitel 2.2.3.1 Das Verständnis der Bibel vom Frieden. Jesaja 32,17 "Gerechtigkeit schafft Frieden" ist der Ansatz, der den inneren Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden deutlich macht. In Jesus ist unser Friede gekommen, so sieht es der Epheserbrief 2,14 "Er ist unser Friede". Es geht nicht mehr zuerst darum, was mein Recht ist, sondern was Gottes Recht ist. Die Gerechtigkeit der Christen muss größer sein, Matthäus 5,20. Daraus erwächst letztlich auch der Rat zur Gewaltlosigkeit. Die Feindesliebe (vgl. Mt 5,43-48) fordert uns dazu heraus, immer wider den ersten Schritt zu tun. Unser Gerechtigkeitshandeln muss von der Kreativität der Liebe getragen sein.

Das 3. Kapitel beschäftigt sich der Entwicklung einer Friedensethik im Verlaufe der Geschichte. Vieles davon ist in 2.2.3.2 "Die Entwicklung der Lehre vom Frieden in der Kirche" dargelegt. Letztlich endet das Kapitel mit der Ächtung des Krieges als politisches Mittel. Es müssen international neue Formen der Konfliktbewältigung gefunden werden. Eine Weltinstanz muss in die Lage versetzt werden, Aggressoren gegenüber zu treten, bis dahin muss der Staat da Recht haben, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Leider ist in dieser Weltenzeit der eschatologisch zugesagte Frieden in seiner Vollgestalt nicht erreichbar, hier geht es um größtmögliche Annäherung.

Daraus erwächst ein umfassender Friedensauftrag, dieser wird im 4. Kapitel abgehandelt:
4. Umfassender Friedensauftrag

Friede ist Frucht der Gerechtigkeit. Wo die Menschen 'in ihrem Leben Gott zu seinem Recht kommen lassen, da bestehen jene »Rechtsverhältnisse«, in denen das Zusammenleben der Menschen in Frieden geordnet wird. Der christliche Friedensauftrag verlangt von uns, daß wir mit allen Kräften ebensosehr weltweit für Recht und Gerechtigkeit eintreten (Friedensförderung), wie wir den labilen Frieden zu sichern suchen (Friedenssicherung). Das Evangelium gibt uns die Zuversicht, daß unser Friedenshandeln nicht vergeblich ist (Friedenshoffnung). Grundlage dieses Friedensauftrags ist das darin bezeugte Verständnis vom Menschen, das wir hier noch einmal zusammenfassend darlegen und aus dem wir einige grundsätzliche Folgerungen ableiten wollen.

Das 5. Kapitel beschäftigt sich mit konkreten Schritten z.B. mit der Arbeit der großen Werke, ADVENIAT, MISEREOR und MISSIO. Wehrdienst und Zivildienst werden in die Friedensperspektive eingebracht. Eine besonderer Bedeutung gewinnt die Entwicklungsarbeit, die Verwirklichung der Einheit Europas und das politische Friedenshandeln überhaupt.

Abschießend kann man sagen, dass dieses Wort damals ein bedeutendes Wort war. Vielleicht hätte der Umgang mit dem Pazifismus doch etwas dialogischer sein können, hier ist prophetisches Potential. Inzwischen wurde das Wort fortgeschrieben, denn der Zusammenbruch des Ostbocks ist ja nicht ohne Folgen für die Friedensdiskussion geblieben z.B. beim Einsatz der Bundeswehr im Kososvo.

Bischofswort "Gerechter Friede"

Die deutschen Bischöfe haben im Oktober 2000 das neue Bischofswort "Gerechter Friede" http://dbk.de/schriften/fs_schriften.html   veröffentlicht. In diesem Wort wird vor allem die Frage der Gewalt und die Weiterentwicklung der internationalen Organisationen angesprochen. Die Sicherung des Friedens verlangt ein gerechteres Umgehen der Menschheit untereinander und auch mit der Schöpfung. Eine offizielle Zusammenfassung folgt hier:

Offizielle Zusammenfassung

Vor knapp zwanzig Jahren haben sich die deutschen Bischöfe mit dem Wort "Gerechtigkeit schafft Frieden" (1983) an die Öffentlichkeit gewandt. Die Friedensproblematik war damals in Deutschland Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Kontrovers diskutiert wurde die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenwaffen, die sogenannte "Nachrüstung", ebenso wie die Legitimität atomarer Rüstung überhaupt. Die Bischöfe waren damals angefragt, vor allem zu diesen speziellen Fragestellungen eine ethische Stellungnahme abzugeben. Waren die Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen und die entsprechenden militärischen Planungen als Element einer Politik der Kriegsverhütung noch ethisch verantwortbar? Die damalige Position, dass die Strategie der nuklearen Abschreckung nur befristet und verbunden mit der Pflicht, mit aller Anstrengung nach Alternativen zur Androhung von Massenvernichtung zu suchen, ethisch tolerierbar ist, hat nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Denn nach wie vor verfügen die Großmächte über umfangreiche Atomwaffenarsenale, und es ist nach 1989 teilweise schwieriger geworden, die Kontrolle über diese Bestände sicherzustellen sowie die Weiterverbreitung militärisch nutzbarer Nukleartechnologie zu verhindern. Dennoch ist dieses weiterhin bedrängende Problem vom Zentrum an den Rand gerückt. Die gesamte Friedensproblematik wurde durch den Gang der Geschichte in eine veränderte Perspektive gestellt, die neue Herausforderungen mit sich bringt.

Die Konfrontation der Blöcke konnte überwunden werden und damit die Teilung Deutschlands und Europas. Doch die erforderliche politische und wirtschaftlich soziale Neuordnung wurde vielerorts von gewaltigen Erschütterungen begleitet. Die Vorgänge im ehemaligen Jugoslawien zeigten auf erschreckende Weise, wie Nationalismus und "Ethnozentrismus" der Geschichte erneut ein blutiges Mal aufprägten. Bei vielen der seit 1989 gewalttätig ausgetragenen Konflikte handelt es sich nicht mehr um "klassische" zwischenstaatliche, sondern um innerstaatliche Auseinandersetzungen, die sich mit dem herkömmlichen sicherheitspolitischen Instrumentarium nur bedingt erfassen und bearbeiten lassen.

Diese seit dem Ende des Kalten Krieges deutlich geänderte friedens- und sicherheitspolitische Lage in Europa und der gesamten Welt ist für die Bischofskonferenz Anlass gewesen, sich erneut in grundsätzlicher Weise mit den Fragen des Friedens auseinander zu setzen. Der Titel des neuen Wortes "Gerechter Friede" will zum Ausdruck bringen, dass es ganz wesentlich darum geht, sich der Friedensfrage nicht erst dann zu stellen, wenn Auseinandersetzungen bereits mit Waffengewalt geführt werden. Es gilt vielmehr, frühzeitig alles zu tun, um Gewaltsituationen erst gar nicht entstehen zu lassen.

Das bischöfliche Wort besteht aus drei großen Teilen. Zunächst vergewissert es sich anhand der Bibel – des Alten und Neuen Testaments – der theologischen Grundposition zur Frage der Gewalt und ihrer Überwindung. Im zweiten Teil werden die gegenwärtigen Friedensgefährdungen in den Blick genommen und die Hauptlinien einer Politik eines "gerechten Friedens" skizziert. Der abschließende dritte Teil fragt nach dem Auftrag der Kirche. Da diese sich als ganze als "Sakrament des Friedens" verstehen lässt, will der Text verdeutlichen, wie sie immer mehr eine Kirche werden kann, die aus dem Frieden Jesu Christi lebt und ein überzeugendes Zeugnis für diesen Frieden ablegt.

 

I. Teil: Gewaltfreiheit in einer Welt der Gewalt. Die biblische Botschaft vom Frieden

Die kirchliche Lehrverkündigung hat sich im vergangenen Jahrhundert mit wachsender Intensität dem Friedensthema zugewendet und deutlich gemacht, dass es kein Randthema ist. Schon in der Bibel hat die Auseinandersetzung mit der Gewaltproblematik eine zentrale Bedeutung. Dies herauszuarbeiten, ist das Anliegen des ersten Hauptteiles des Bischofswortes. Er zeigt, wie eng die Offenbarung Gottes in der Geschichte und sein Handeln in dieser Welt verknüpft sind mit der Aufdeckung der Ursachen menschlicher Gewalttätigkeit und der Suche nach Möglichkeiten, ihrer Herr zu werden. Nicht nur durch die Zeitspanne zwischen der Ursünde im Paradies und dem Kreuz Jesu Christi, sondern auch durch die Geschichte der christlichen Kirche zieht sich eine breite Blutspur der Gewalt. Doch wird die Kette der Gewaltanwendung immer wieder durchbrochen von Mahnreden, Friedensvisionen und Verheißungen, im Alten Testament vor allem seitens der Propheten. Von Anfang an lautete die Kernfrage, wie unter den Bedingungen einer von Gewalt bedrohten und beherrschten Welt Gottes Heil konkrete Gestalt gewinnen kann.

Die Bibel bietet hierauf nicht nur eine einzige Antwort. Da sie stets in die konkrete Geschichte der Menschen hineinspricht, liefert sie auch keine überzeitlich gültige und unveränderbare friedensethische Systematik. Vielmehr will sie "helfen, die menschliche Wirklichkeit im Licht der göttlichen Verheißungen zu sehen, mit brennenden Herzen und doch zugleich nüchtern." (Nr. 8) Im Zentrum christlichen Heilsgeschehens steht das Kreuz, das deutlich macht, was die Gewalt anzurichten vermag, das aber auch offenbart, dass Gottes Heilsweg nicht der der Gewalt ist.

 

II. Teil: Elemente innerstaatlicher und internationaler Friedensfähigkeit

Der zweite Hauptteil des Bischofswortes entfaltet in sozialethischer Analyse das Leitbild des gerechten Friedens und will es in den Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung einbringen. Die biblische Perspektive, von der es heißt, dass der Glaube die Vernunft über sich selbst hinausführt, ohne sie von sich wegzuführen, wird in diesem Teil in ethisch-politischer Hinsicht konkretisiert. Zwar möchten die Bischöfe keine detaillierten politischen Programme und Friedensstrategien vorlegen. Doch geht es um den Versuch, "innerhalb der herrschenden Ordnung Vorgriffe auf den messianischen Frieden zu wagen und auf diese Weise die Welt vernünftiger und menschlicher zu gestalten. Christen können dieses Wagnis eingehen, gestützt auf und gestärkt durch die Erfahrungen, die der Glaube als unbedingtes Vertrauen auf die Kraft der göttlichen Liebe ihnen ermöglicht." (Nr. 56).

In sieben Abschnitten entfaltet dieser zweite Hauptteil das Leitbild des gerechten Friedens. Es werden dabei Felder aktueller und künftig möglicher Konflikte benannt, und es wird nach Wegen gesucht, wie sich gewaltträchtigen Konflikten bereits im Ansatz entgegenwirken lässt. Denn unter den veränderten weltpolitischen Bedingungen erweist sich für die Bischöfe "die Suche nach Wegen gewaltvermeidender und gewaltvermindernder Konfliktbearbeitung als vorrangige Verpflichtung." (Nr. 66). Dem gemäß wird einer Politik der Gewaltfreiheit und Gewaltvorbeugung deutlich der Vorzug gegenüber Lösungen unter Einsatz von Gewalt eingeräumt, denn es gilt "insbesondere den durch kein anderes irdisches Gut überbietbaren Wert des menschlichen Lebens zu wahren". (Nr. 67)

Die Bischöfe gehen aus von der christlich verstandenen Personwürde, die allen Menschen zu eigen ist, und sehen deswegen in der Ausrichtung auf ein internationales Gemeinwohl die entscheidende Herausforderung der Friedenspolitik. Gerechtigkeit und Solidarität werden als Leitprinzipien auf der Suche nach einem gerechten Frieden entfaltet.

Die Zunahme innerstaatlicher Konflikte macht es erforderlich, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb von Staaten in friedenspolitischer Hinsicht zu beleuchten und die Ursachen ethnisch, religiös oder ideologisch gedeuteter Konflikte in den Blick zu nehmen. Dabei zeigt sich, dass es in vielen Entwicklungsländern an Erfahrung mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie fehlt und die Bevölkerung nur unzureichend am politischen Prozess beteiligt ist. "Reformen werden jedoch", so die Bischöfe, "nur dann zu tragfähigen Ergebnissen führen, wenn auch in den wirtschaftlichen und sozialen Fragen Fortschritte erzielt werden. Menschenrechte und Demokratie, wirtschaftliche und soziale Entwicklung und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen stehen also in einem engen Zusammenhang. Für eine Friedenspolitik, die vom Gedanken der Gewaltprävention und der Austrocknung von Gewaltverhältnissen bestimmt ist, sind sie von herausragender Bedeutung." (Nr. 71)

Betont wird in dem Dokument auch die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit. Ein primär an Einzelinteressen von Nationalstaaten orientiertes außenpolitisches Denken sei ungeeignet, die gegenwärtigen Sicherheits- und Friedensprobleme zu bewältigen. Gefordert wird dagegen eine allseitige Politik der Kooperation, die internationalen Organisationen zur Friedenssicherung mehr Vertrauen entgegenbringt, die Wirksamkeit ihrer friedenspolitischen Arbeit erhöht und nationale Interessen zugunsten eines Weltgemeinwohls zurückzustellen bereit ist.

Breiten Raum widmet das Dokument der Suche nach einem angemessenen Umgang mit belasteter Vergangenheit. Die Bischöfe betonen: "Ein Krieg beginnt nie erst, wenn geschossen wird; er endet nicht, wenn die Waffen schweigen. Wie er längst vor dem ersten Schuss in den Köpfen und Herzen von Menschen begonnen hat, so braucht es lange Zeit, bis der Friede in den Köpfen und Herzen einkehrt." (Nr. 108) Hervorgehoben wird die Bedeutung des Anerkennens von Schuld, von Vergebungsbereitschaft und Versöhnung, damit Gesellschaften und Völker nach einer Zeit gewaltsamer Auseinandersetzungen wieder Frieden finden können. Von größter Wichtigkeit ist ein sensibler Umgang mit belasteter Vergangenheit, der vor allem die Opfer in ihrer Würde ernst nimmt und sich darum bemüht, ihnen wenigstens ein Stück weit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Besondere Aufmerksamkeit gilt ferner den Möglichkeiten, im Rahmen der Zivilgesellschaft Beiträge für eine gelingende Konfliktnachsorge zu erbringen.

‚Bedeutung und Grenzen militärischer Mittel‘ werden im letzten Kapitel des zweiten Hauptteils behandelt. Schon dadurch soll verdeutlicht werden, dass der Rückgriff auf solche Instrumente allenfalls am Ende jedweder Bemühungen um eine Konfliktbewältigung stehen kann, vor allem die Chancen der Gewaltprävention dadurch nicht beeinträchtigt werden dürfen. Neben Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle geht es in diesem Abschnitt um die friedenspolitische Bedeutung und die veränderte Rolle der Bundeswehr. Eingegangen wird dabei auch auf die kontrovers diskutierten Fragen sogenannter humanitärer Interventionen, für die strenge ethische Kriterien gelten müssen.

 

III. Teil: Aufgaben der Kirche

Der dritte Hauptteil gilt Fragen der Pastoral und reflektiert das breite Spektrum von ‚Aufgaben der Kirche‘. Die Bischöfe möchten nicht nur die Verantwortungsbereiche von Politik und Gesellschaft ansprechen, sondern auch die Kirche selbst in den Blick nehmen: "Sie hat von ihrem Herrn den Auftrag, mitten in der Welt des ächzend-stöhnenden gewaltbewehrten Friedens einen größeren, ‚messianischen‘ Friedens zu leben, der nicht auf Gewalt, sondern auf Vertrauen baut und so alle, welche den wahren Frieden suchen, faszinieren kann. Es ist noch wichtiger für sie, Sakrament des Friedens zu sein, als etwas für den Frieden zu tun". (Nr. 162)

Von der christlichen Botschaft her lässt sich die Kirche als Sakrament des von Gott verheißenen Friedens verstehen, den sie als gegenwärtig wirksam zu bezeugen hat. Sie tut das mitten in einer noch immer gewaltdurchwirkten Welt, von deren Sündhaftigkeit auch die Kirche selbst nicht unberührt bleibt. Der dritte Teil beschreibt daher ihr Mühen um den Frieden, benennt Fehler, Versäumnisse und Schuld im Lauf ihrer Geschichte und zeigt Möglichkeiten und Felder eigenen Friedenshandelns heute auf. Die Kirche selbst sieht sich in die Pflicht genommen, für ein Mehr an messianischem Frieden in einer gewaltdurchwirkten Welt tätig einzutreten. In vier Kapiteln werden ‚Der gerechte Friede als Leitbild der Kirche‘ sowie ‚Die Einheit der Sendung und die vielen Dienste‘ entfaltet, ‚Bewährungsfelder kirchlichen Handelns für den Frieden‘ und die ‚Kulturelle und spirituelle Dimensionen des Dienstes am gerechten Frieden‘ aufgezeigt.

Was die deutschen Bischöfe im ihrem Dokument ‚Gerechter Friede‘ für nötig erachten, ist nicht weniger als ein tiefgreifender Bewusstseinswandel im Geist der Gewaltlosigkeit, der in Kirche, Gesellschaft und Politik fruchtbar werden soll.

2.3.2.6 Ergebnisse

Von den Anfängen des Christentums mit der eher ablehnenden Haltung zum Kriegsdienst über die Theorien vom gerechten Krieg bis hin zur Ablehnung des Angriffskrieges war ein weiter Weg. Die Massenvernichtungsmittel der Moderne führen zu einer Ächtung des Krieges. Es bedarf mehr und mehr einer Weltautorität, die fähig ist, Aggressoren in ihre Schranken zu weisen. Frieden wird aber vor allem durch eine gerechte Friedensordnung der Welt geschaffen, hier sind alle zur Mitarbeit aufgerufen.

2.3.3 Kriterien für das Friedenshandeln

Gott will allen Menschen in seinem Reich den umfassenden Frieden geben.

Dies muss aber auf dieser Erde schon deutlich werden, durch das Friedenshandeln der Christen und der Menschen guten Willens. Gerade uns Christen fordert die von Jesus aufgezeigte größere Gerechtigkeit besonders heraus. Die Dimensionen des Friedens für alle Völker sind

Das Ende des Krieges

Sicherheit

Gerechtigkeit

Wohlstand

Eine Option für den Frieden

Es gilt an einer umfassenden Kultur des Friedens zu arbeiten, im unmittelbaren Zusammenleben, in den kleineren politischen Einheiten, den Ländern und weltweit. Wir werden das ideale Ergebnis nie erreichen, müssen aber immer die Frage stellen, durch welche Schritte kommen wir dem Frieden näher.

Wichtige Aufgaben sind

Zum Beispiel für die große Politik

Gerade weltweit zeigt die Entwicklung, wie notwendig in Zukunft das Verständnis der einen Welt sein wird und einer Weltinnenpolitik, die versucht, die Dimensionen des Friedens für alle zu realisieren.

Zum Beispiel für die überschaubaren Bereiche

Diese Arbeit geht aber auch alle an, z.B. die Familie in der Erziehung zur Gewaltlosigkeit und zur Dialogfähigkeit

Zum Beispiel für Verbände

in ihrem Einsatz für Gerechtigkeit und für fremde Menschen unter uns.

Eine Kultur des Friedens ist ein Werk von vielen.

2.4 Schritte auf dem Weg zum Frieden

2.4.0 Vorbemerkung

Im Folgenden sollen nicht alle Probleme und Versuche dargestellt werden, sondern nur gezeigt werden, wie das Bistum Limburg auf dem Weg zum Frieden mitgeholfen hat. Dabei war auch bei der Aktion "Guter Hirt" die KAB http://www.kab-limburg.de/ im Bistum beteiligt. Ausführlich über das Engagement des Bistums informiert Sie "Limburger Text 24 zum Thema Partner für den Frieden in Bosnien und Kosovo". Sie erhalten ihn bei der Informationsstelle des Bistums. Bischöfliches Ordinariat Roßmarkt 4 65549 Limburg 2000
Die folgenden Texte wollen zeigen, dass Wege zum Frieden aus vielen kleinen Schritten bestehen, die aber gegangen werden müssen. Dazu gehören viele, die mitgehen.

2.4.1 Partner für den Frieden in Bosnien

2.4.1.1 Der Wiederaufbau und die Zukunft

Wenn auch die ersten Schritte zum Wiederaufbau gemacht werden, so ist dies noch ein langer, schwieriger und gefährlicher Weg. Der Krieg geht in vielen Köpfen und Herzen weiter. Am 24. März 1998 greifen Serben Kardinal Vinko Puljic und 200 Kroaten während eines Gottesdienstes in Derventa an, sie sollten bei lebendigem Leib verbrannt werden. Die örtliche Polizei rettet mit Hilfe der SFOR die Eingeschlossenen.

Außerdem ist viel Eigentum durch Flüchtlinge belegt, die auch nicht zurück können. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen sind äußerst schlecht, auf dem Land soll die Arbeitslosigkeit teilweise bei über 90% liegen (Oktober 97). Trotzdem muss der Weg von Dayton weiter gegangen werden. Nicht mit großer Eile und massivem Druck, das schafft neue Probleme bei der Rückkehr im Land. Druck auf die Mächtigen im Land ist durchaus angebracht. Die Menschen wollen ja nach Hause, aber in einigermaßen gesicherte Verhältnisse.

Die Lösung Brc ko als eines Gebietes, das unter der Verwaltung aller drei Gruppen steht, ist ein positives Zeichen. Weiterhin muss die SFOR im Land bleiben. Sie muss an einigen wichtigen Punkten den Frieden sichern. Die Kriegsverbrechen müssen aufgeklärt und die Schuldigen dem UN-Tribunal überstellt werden.

Kapital und Arbeitsplätze sind nötig, damit die Menschen wieder eine Lebensgrundlage gewinnen. Die dortigen Politiker müssen es lernen, dass ohne eine wachsende Versöhnungsbereitschaft ausländisches Kapital das Land meidet.

Dann muss einen Versöhnungsprozess auf allen Ebenen beginnen, dies ist nach dem Geschehenen mehr als schwierig, aber unausweichlich. Hier fällt den Religionsgemeinschaften eine besonderer Aufgabe zu. Es bedarf aber auch der Ansätze unter Mithilfe von außen, so wie es z.B. Pax Christi mit seinen Friedensarbeitern macht.

Insgesamt ist eine politische und wirtschaftliche Lösung für den ganzen Raum des ehemaligen Jugoslawiens mit Albanien und anderen Ländern zu suchen, mit Miloseviç war dies aber nur schwer möglich sein. Ohne diese Lösung bleibt der Frieden instabil und wird eine langfristig gute wirtschaftliche Entwicklung schwierig. Durch die Neuwahl von Kostunica als Präsident der BR Jugoslawien eröffnen sich bessere Perspektiven.

Den Menschen muss geholfen werden, in ihrer Heimat wieder Fuß zu fassen. Da setzt die Hilfe des Bistums Limburg ein. Dies ist der erste Schritt auf dem Weg zur Befriedung. Das Bistum hilft der kleinsten Bevölkerungsgruppe. Dabei kooperiert es eng mit dem Erzbistum Vrhbosna-Sarajevo. Zu der Arbeit des Bistums ist aber auch noch als kirchliches Engagement die Arbeit des Deutschen Caritasverbandes, von Pax Christi, dem Malteser-Hilfsdienst und anderer zu rechnen, die sich dort einsetzen, wo Not ist. Es ist ein überzeugendes Engagement von Christen. Auch im Bistum Limburg gab es eine Fülle von Aktivitäten, die Sie in den Limburger Texten nachlesen können. Im folgenden soll der Einsatz des Bistums etwas ausführlicher dargestellt werden, damit deutlich wird, dass Friedensarbeit mit sehr konkreten Schritten zu tun hat. Dies wäre ohne viele SpenderInnen und KirchensteuerzahlerInnen nicht möglich gewesen. Die Ausführungen stehen stellvertretend für viele ähnliche Aktivitäten.

2.4.1.2 Hilfe beim Wiederaufbau von Pfarreien und Dörfern

1 Zum Entstehen dieser Mithilfe

Motor dieser Arbeiten war Bischof Franz Kamphaus vor allem durch seine verschiedenen Besuche auch während des Kriegs. Geholfen wurden bei dem Aufbau von interkulturellen Schulen durch das Erzbistum Sarajevo, bei Suppenküchen, bei der Förderung von anderen Initiativen wie Pax Christi und Malteser-Hilfsdienst, auch bei der Aktion "Guter Hirt - Schafe für Bosnien". Hier soll exemplarisch die Mitarbeit beim Aufbau von Dörfern dargestellt werden. Dabei haben in den katholischen Dörfern Pfarrer und Kirche eine zentrale Aufgabe. Ohne sie kommen die Dörfer nicht wieder zum Leben. Oft waren die Pfarrern fast die einzigen, die während der Kämpfe da blieben oder als erste wieder zurückkamen.

Anläßlich eines Besuches von Weihbischof Pero Sudar vom Erzbistum Vrhbosna-Sarajevo 1996 in Limburg wurde von der Plenarkonferenz des Bischöflichen Ordinariates beschlossen, beim Projekt des Erzbistums Sarajevo "Haus für Gott - Häuser für die Menschen" mitzuarbeiten.

Es war an Mithilfe in etwa 11 Pfarreien in Bosnien gedacht, die eventuell in Kooperation von Kirchengemeinden in unserem Bistum beim Wiederaufbau gefördert werden sollten. Dass diese Kooperation nicht funktionierte, hatte verschiedene Gründe. Die Probleme waren komplexer als ursprünglich voraussehbar. Es hatten sich zwar einige Pfarreien, auf Grund einer Umfrage, angeregt durch den Diözesansynodalrat, gemeldet. Trotz intensiver Versuche und Vorbereitungsarbeiten hier und in Bosnien kamen aber die gewünschten Kooperationsprojekte nicht zu Stande, die Verhältnisse in Bosnien waren einfach nicht überschaubar. Gelungene Kooperationen, so in der Pfarrei Breidenbach und in der Dompfarrei Limburg, gibt es trotzdem.

Die Aufgabe, dieses geplante Projekt weiter zu moderieren, erhielt Ernst Leuninger Anfang Januar 1997. Er sollte in der Arbeit durch eine Projektgruppe begleitet werden. Die finanziellen Mittel für dieses und andere Projekte sollten vor allem aus den Projektmitteln Dritte Welt, aus Spenden und einer Sonderkollekte im September 1997 fließen.

Diese Projektgruppe, zu der die Referenten aus dem Bereich Mission und der persönliche Referent des Bischofs gehören, begleitet die Arbeit regelmäßig. Vor allem veranlasste sie auch eine umfangreiche Werbung für das zu leistende Aufbauprojekt, "Partner für den Frieden" genannt, in den Pfarreien. In der Gruppe wurde eine Liste der von Sarajevo vorgeschlagenen Pfarreien mit RENOVABIS abgestimmt und zwei Pfarreien vorerst als mögliche Partner ausgewählt, nämlich Ovcarero und Dobretici im Erzbistum Vrhbosna-Srajevo.

2. Das Erzbistum Sarajevo (Vrhbosna)

Die erste schriftliche Erwähnung einer bosnischen Diözese fällt in das Jahr 1089. 1238 baute Bischof Ponsa die mittelalterliche Stadt Vrhbosna mit einer Kirche und einem Kapitelshaus. Ponsa musste nach Dakovo fliehen, so hatte das Bistum über Jahrhunderte keinen Bischof am Ort. 1291 kamen die Franziskaner. Durch ihre Missionierung kamen viele bosnischen Christen in die volle Gemeinschaft mit Rom. 1339 wurde das franziskanische Vikariat gegründet. Nach der Besetzung durch die Türken 1463 flohen viele Christen. Die Franziskaner blieben, 1735 wurde ein Franziskaner apostolischer Administrator. Unter den Habsburgern wurde 1881 die Hierarchie erneuert und das Erzbistum Vrhbosna-Sarajevo mit den Suffraganen Banja Luka und Mostar-Duvno und Trebinje-Mrkan gebildet.

Zur Zeit leitet Kardinal Vinko Puljic das Erzbistum, Weihbischof ist Pero Sudar, der Ökonom ist Pfarrer Ante Jelic.

Vor dem Krieg hatte das Erzbistum 144 Pfarreien in vier Archidiakonaten und 13 Dekanaten. mit 528.000 Katholiken. Die serbische Aggression hat 45% der Diözese zerstört, 200 000 Gläubige mussten fliehen, die meisten Kirchen wurden gesprengt, 62 Pfarreien zerstört.

Im Krieg zwischen der BiH-Armee und den Kroaten wurden 120.000 – 150.000 Katholiken vertrieben und viele Kirchen zerstört. Auch muslimische religiöse Gebäude wurden zerstört.

600 kirchliche Gebäude des Erzbistums sind im Krieg insgesamt zerstört oder unbenutzbar geworden. Rund 100 Pfarreien wurden von serbischem oder muslimischem Militär besetzt und die Mehrzahl davon zerstört. In 90 der Pfarreien gab es 1994 keinen Geistlichen mehr. Über 50 Kirchen wurden völlig oder fast völlig zerstört, viele weitere schwer beschädigt. Insgesamt sind über 70% des kirchlichen Baubestandes zerstört. Drei Priester (Franziskaner) wurden getötet. Täglich starben im Krieg im Durchschnitt über 200 Menschen in Bosnien-Hercegovina.

Die Bischöfe von Bosnien-Hercegovina haben sich eindeutig für den Erhalt des Staates eingesetzt, den ethnischen Säuberungen widersprochen und die freie Rückkehr der Flüchtlinge gefordert. Sie haben sich für Versöhnung angesagt, wohl wissend, wie schwer dies ist und dass diese zuerst im Herzen beginnen muss. Sie fordern Freiheit und freie Glaubensausübung für alle. Nur durch Versöhnung wird der Frieden gelingen. Die größten Kriegsopfer haben in Bosnien-Hercegovina die Kroaten gebracht. Trotzdem schließen die Bischöfe sich ausdrücklich dem Ruf des Papstes an: "Vergeben wir und bitten wir um Vergebung."

Von besonderer Bedeutung und Ermutigung war der Besuch des Papstes im April 1997. Er machte deutlich, dass die Menschen in Bosnien-Hercegovina nicht allein gelassen sind. In dem zum Glück misslungenen Anschlag auf den Papst wurden aber auch nochmals die vorhandenen Spannungen offen gelegt.

3. Die erste Fahrt nach Bosnien fand von Ernst Leuninger am 31. März bis 2. April 1997 gemeinsam mit dem Bischof statt; weitere folgten. Einmal war Generalvikar Dr. Günther Geis dabei. Insgesamt waren es von März 1997 bis Dezember 2000 15 Reisen. In Bosnien wurden in dieser Zeit mit dem Ansprechpartner des Erzbistums, Diözesanökonom Pfarrer Ante Jelic etwa 8.000 km gefahren. Manchmal war dies auch nicht ungefährlich, zumal z.B. nicht alle Minenfelder gesichert waren. Insgesamt wurde 11 Pfarreien mit Zuschüssen geholfen.

Die Projekte wurden immer auf Vorschlag des Erzbistums Sarajevo ausgesucht, vor Ort geprüft und zur Entscheidung der Projektgruppe in Limburg vorgeschlagen. Erneute Besuche folgten in der Regel in der Durchführungsphase und nach Fertigstellung. So konnte auch immer genau gesehen werden, was mit dem Einsatz der Mittel des Bistums Limburg geschah. Dabei erwiesen sich die Mitarbeiter des Erzbistums Sarajevo als äußerst verlässlich und kompetent.

Großen Eindruck haben bei den Besuchen vor allem auch die Pfarrer gemacht, die oft unter schwierigsten Verhältnissen ausgehalten haben oder als Erste wieder zurückkehrten.

Vom Hausaufbau konnte im Verlauf der Jahre immer mehr Abstand genommen werden, da sich mehr und mehr karitative Organisationen (NGO) aus der ganzen Welt dafür einsetzten. Der Aufbau von Pfarrhäusern und Gottesdiensträumen stärkte aber die innere Identität der Menschen und ermutigte zur Rückkehr. Sie schuf auch Arbeitsplätze und half örtlichen Unternehmen bei ihrem Wiederaufbau.

4. Die Aufbauarbeit in den Dörfern

Die folgende Darstellung lehnt sich eng an vorhandene Protokolle an. Gracanica, Podkraj und Glavice werden stellvertretend für 11 Dörfer dargestellt, um an ihnen exemplarisch die Situation deutlich werden zu lassen.

5. Skopaljska Gracanica

Für Skopaljska Gracanica, Dekanat Bugojno, soll hier der Projektbericht aus Sarajevo zum Wiederaufbau wiedergegeben werden: "Die Gemeinde liegt am rechten und linken Flussufer, den Vrbas. Die Bewohner betreiben auf den fruchtbaren Feldern alle Formen der Landwirtschaft, arbeiten aber vorwiegend im Kohlebergbau ebenfalls auf dem Gebiet der Gemeinde, aber auch in Bugojno, Kroatien und Deutschland.

Die Pfarrgemeinde wurde 1911 gegründet; die alte baufällige Kirche der Vorkriegszeit im Jahr 1969 durch eine neue ersetzt. Ein modernes Pfarrzentrum bestand ebenfalls sowie ein eigenes Haus der Ordensschwestern (Dienerinnen des kleinen Jesus), die in der Gemeinde wirkten.

1991 gab es 2.968 Gläubige. Das Elend kam mit dem kroatisch-moslemischen Krieg 1993-94. Die kroatischen Truppen mussten sich vor den stärkeren moslemischen Truppen zurückziehen. Mit der Armee flüchteten die kroatischen Bürger in Richtung Livno und Dalmatien. Nur ein kleiner Teil konnte in den vorgelagerten Dörfern bleiben, die von den Kroaten weiter kontrolliert werden. Diese Dörfer liegen in Richtung Cornji Vakuf. Die Pfarrkirche von Skopaljska Gracanica wurde geplündert und zerstört, das Pfarrhaus und das Haus der Ordensschwestern demoliert, alles was sich darin befand, wurde weggeschleppt. Der Pfarrer ist mit den Gläubigen weggegangen und befindet sich in der Nähe der Pfarrei. Er und die Vertriebenen haben den Wunsch, so schnell wie möglich in ihre verwüstete Heimat zurückzukehren. Dazu muss in den Aufbau der Pfarrgebäude ebenso wie in den Aufbau der Familienhäuser investiert werden, weil sonst kaum jemand zurückkommen kann. Die verarmte Gemeinde bedarf dafür der Hilfe von außen.

Aus dem Bericht der Baukommission über die Pfarrei:

"Die Pfarrkirche hat 372 Plätze und sechseckige Form. Der Turm ist kurz vor dem Papstbesuch gesprengt worden, die Türen sind geraubt, an den Fenstern ist 50% des Glases zerschossen, Orgel und Altar sind zerstört. Das Pfarrhaus hat 12 x 10 qm (Keller, Erdgeschoss, 1. Stockwerk). 60% des Daches sind abgetragen, alle Möbel weggeschleppt, 60% der Bodenbeläge vernichtet, die Installationen abgebaut.

Das Schwesternhaus, 9 x 13 qm ist verbrannt, es stehen noch die Außenwände. Vom Wirtschaftsgebäude , 8 x 6 m sind ebenfalls nur noch die verkohlten Außenwände übriggeblieben. Auf diesem Teil der Pfarrei lebt nur noch ein Katholik. Die Familienhäuser sind zerstört oder verbrannt oder total ausgeplündert. Zahlreiche Rückkehrer müssen von Null anfangen. Alle Zerstörungen wurden von der bosnisch-moslemischen Armee angerichtet."

Beim ersten Besuch auf der Reise vom Sonntag, 30. März bis zum Donnerstag, 3. April 1997 stellt sich die Situation wie folgt dar: Die ehemaligen Bewohner dürfen nicht zurück. Der Pfarrer ist vertrieben. Wenige Gläubige sind in der Nachbarpfarrei. Eine Frau wohnt noch dort. Es ist noch nicht erlaubt zu bauen. Der zuständige Bürgermeister, ein muslimischer Fundamentalist, erlaubt es nicht. Das ist ein klarer Verstoß gegen Dayton. Es laufen aber Verhandlungen auf höchster Ebene. Vorläufig gilt es abzuwarten.

Offensichtlich wurde alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war, einschließlich der Dachsparren, Fenster und Türen. Alle Häuser sind zerstört, weniger von Kriegseinwirkung als bewusst geplündert und abgetragen. Die Gläubigen sind in der ganzen Welt verstreut. In Uskopje sind etwa 140 Familien. 40 Familien sind in Brosa in der Nähe von Uskopje. Alle hoffen auf Rückkehr, aber es geht sehr langsam.

Geplant ist die Mithilfe beim Wiederaufbau von 10 Häusern. Dabei sollen Familien bevorzugt werden, die kein Einkommen außer Landes haben. Gedacht ist an eine Sanierung der Dächer und die einfache Schaffung einer Möglichkeit im Haus zu wohnen. Das wäre in jedem Fall eine Anschubfinanzierung von etwa DM 10.000. Insgesamt wären wenigstens 400.000 DM nötig, um das Leben in diesem Dorf wieder in Gang zu bringen. Die Arbeiten sollen möglichst in Selbsthilfe oder durch ortsnahe Handwerker durchgeführt werden. Das schafft den Beteiligten auch einen Verdienst, der dringend nötig ist.

Beim zweiten Besuch vom 16. - 18. Mai 1997 hat sich die Situation noch nicht geändert. Im September 1997 soll darüber entschieden werden, ob dieses Projekt in absehbarer Zeit sinnvoll weiter verfolgt werden kann.

Beim Besuch vom 3. - 5. September fahren wir wieder nach Gracanica. Das Gelände um die Kirche ist aufgeräumt und die Kirche verschlossen. Der Pfarrer ist bereit zu beginnen. Offensichtlich hat sich die politische Atmosphäre in Bugojno etwas entspannt.

Zuerst sollen die Sanierung des Daches der Kirche durchgeführt werden, eventuell auch die Fenster, damit die Kirche winterdicht wird. Das Pfarrhausdach und die Fenster und Türen im Pfarrhaus sollen auch abgedichtet werden.

Außerdem sollen 5 Familien mit vorerst je 5.000 DM eingeladen werden, ihre Häuser wieder aufzubauen. Die nächste Rate Geld kommt dann im Dezember 1997. Bei der Kirche soll der Turm aus Mitteln des Bistums nicht aufgebaut werden. Dies fällt nicht in unser Programm. Die Stelle, an der der Turm die Kirchenwand berührt, ist beschädigt und muss erneuert werden.

Anschließend haben wir die Projekte in der Wohnung des Pfarrers noch einmal durchgesprochen. Die vorliegenden Kostenanschläge wird Pfarrer Jelic zusammenstellen und mir zusenden. Die Kosten dürften innerhalb der Schätzung liegen.

Am Ende des Gespräches treffen wir hinter der Kirche auf einen Friedhof, der dort im Krieg angelegt worden ist. Es war die Obstwiese des Pfarrhauses. Dort liegen 40 Gefallene, lauter junge Menschen. Warum musste das sein, fragen wir uns. Konnten die Menschen aus der Geschichte nicht lernen? Wer straft die Verantwortlichen? Die eigene Geschichte wird auf Schritt und Tritt lebendig und bewahrt vor schnellen Urteilen.

Bei der Reise vom 6.-8. Dezember 1997 ist der Stand der Baumaßnahmen wie geplant. Fünf Häuser sind neu gedeckt, das Pfarrhaus gesichert. Im Winter kann der Ausbau beginnen. Für die gedeckten Häuser wird eine zweite Rate zu je 5.000 DM zur Verfügung gestellt. Fünf weitere Häuser sollen dazu kommen. Es ist zu hoffen, dass die Leute auch bald die Häuser beziehen. Bis Pfingsten 1998 soll das Projekt abgeschlossen sein.

Dieses Projekt konnte erfolgreich abgeschlossen werden.

6. Pfarrei Podkraj

Im gleichen Besuchszyklus wurde auch die Pfarrei Podkraj besucht. Der Zustand wurde aus Sarajevo wie folgt beschrieben: "Pfarrei Podkraj, Dekanat Travnik. Travnik ist eine Stadt in Mittelbosnien, die zurzeit der Osmanen entstanden ist. In Travnik regierte lange Zeit der Vesir und es gab auch konsularische Vertretungen aus vielen europäischen Ländern. ... Aus der Bevölkerungszählung von 1991 ersieht man, dass es auf dem Gemeindegebiet von insgesamt 70.747 Einwohnern 26.118 Kroaten, 31.813 Moslems, 7.777 Serben und etwa 5.000 "Restliche" gab. In der Stadt gab es eine große moslemische Mehrheit, doch gab es in der Umgebung von Travnik viele rein kroatisch-katholische Dörfer. Das Dekanat zählt vierzehn Pfarreien.

Die Pfarrei Podkraj befindet sich auf den Ablegern des Vlasic-Gebirges auf dem Gebiet der Gemeinde Travnik. Die Bevölkerung arbeitet in der Land- und Viehwirtschaft (hier wird der bekannte Vlasic-Käse hergestellt). Ein großer Teil der Bevölkerung arbeitet auch in Fabriken. Viele Pfarrangehörige arbeiten in Kroatien und in Deutschland.

Die Pfarrei wurde 1879 gegründet. 1914 wurde die schöne Kirche der Hl. Anna und eine geräumige Pfarrwohnung gebaut. Beide Objekte wurden zwischen den Weltkriegen grundlegend renoviert. Damals wurde auch ein großer Pfarrsaal erbaut. Aus dem Pfarrgebiet stammen viele Priester und Ordensschwestern. 1991 zählte die Pfarrei 1.991 Katholiken.

Ein Teil des Pfarrgebietes wurde von den Serben aus dem Vlasic-Gebirge eingenommen, da dieser Teil nahe ihrer Stellung lag. Der Rest des Pfarrgebietes und der Kommunikationsweg im Lasva-Tal blieb verschont. Innerhalb der Pfarrei befand sich die ganze Zeit über die Kriegsfront zwischen Serben und Moslems. Als die Serben 1995 gezwungen wurden sich zurückzuziehen, fiel das ganze Gebiet unter die Kontrolle der Armee Bosnien-Hercegovinas (muslimische Streitkräfte).

Die Bevölkerung besucht ihre Pfarrei zahlreich um zu sehen, was zerstört wurde und haben dabei viele Probleme mit den Moslems. Dennoch muss man ihnen helfen. Man müsste das Notwendigste an den Pfarrobjekten reparieren und daraufhin den Menschen helfen ihre Unterkünfte neu aufzubauen. Weiterhin sollte man an eine Grund- und Hauptschule denken, um besonders auch den jungen Familien zu helfen."

Im April 1997 sind in dieser Pfarrei fast alle Häuser unbewohnbar. Einige Bewohner fangen schon an zu reparieren. Bisher sind 105 Katholiken zurückgekommen. Das Pfarrhaus ist relativ zerstört, kein Dach, keine Fenster, keine Türen. Daneben ist der Pfarrsaal. Dort hat der Pfarrer notdürftig ein Zimmer eingerichtet. Der Pfarrsaal ist Gottesdienstraum. Bei der Renovierung hat das Bistum Augsburg mitgeholfen.

Das Kirchendach ist von Granaten getroffen, die Fenster sind zerstört. Es sind Löcher in der Wand, die Kirche ist unbenutzbar, sie müsste saniert werden. Es liegt eine Kostenschätzung vor. Das Pfarrhaus ist innen völlig zerstört, die Fenster sind heraus, die Böden nur noch teilweise notdürftig erhalten, es sind keine Türen mehr da, das ganze Inventar ist verschwunden.

Es sollen das Pfarrhaus und die Kirche wiederaufgebaut und bei zehn Häusern eine Anschubfinanzierung gegeben werden. Der Betrag könnte an eine halbe Million DM kommen. Bei zwei Familien kann die Arbeit sofort beginnen. Auch bei der Kirche und dem Pfarrhaus kann begonnen werden. Ein Problem ist, dass Strom- und Wasserleitung nicht funktionieren.

Beim Besuch im Mai wird gerade das Dach des Pfarrhauses gedeckt. Viele Männer aus der Umgebung haben durch diese Arbeiten ein Einkommen. Sonst gibt es zurzeit keine Arbeit. Die Arbeiten an der Kirche verzögern sich, da durch eine Granate die Statik gelitten hat. Das Pfarrhaus könnte im September fertig sein, die Kirche Ende November 1997. Es kommt eine dritte Familie dazu, die auch einen Zuschuss erhält.

In nahezu jeder Familie ist wenigstens ein Kriegsopfer zu beklagen. Die Felder sind weithin noch vermint, die Schule deshalb auch noch nicht geöffnet. Wir setzen uns über die Bundeswehr für die Entminung ein. Für weitere sieben Familien soll der Pfarrer dem Ordinariat Sarajevo Vorschläge unterbreiten, dort wird dann entschieden.

Beim Besuch im September in Podkraj warteten schon viele Menschen. Eine ganze Reihe von Leuten wollten auch Unterstützung für den Wiederaufbau haben. Anscheinend hat sich dort unser Engagement herumgesprochen und die Menschen möchten ihre Häuser renovieren.

Wir besichtigen eine Reihe der Häuser, die in Renovation sind. Es wird intensiv gearbeitet. Die Atmosphäre in Podkraj ist etwas gedämpft wegen der zwei Meuchelmorde einige Tage zuvor an Kroaten, die abends beim Abendessen durch das Fenster erschossen wurden. Dies geschah in Turbe, der Stadt, zu der Podkraj gehört.

Die zehn im Ausbau befindlichen Häuser werden kurz besichtigt. Überall regt sich in der Zerstörung Leben. Die Menschen möchten zurück. Beim ersten Besuch konnten nur zwei Familien zum Wiederaufbau angesprochen werden, jetzt sind es viele. Bei 10 Häusern erfolgt unsere Mithilfe. Sie ist Hilfe zur Selbsthilfe, beinhaltet ein Dach über dem Kopf und zwei Zimmer. Für die Materialbeschaffung sind bewusst örtliche Unternehmer gefragt. Die Höchstsumme liegt in der Regel bei 10.000 DM pro Haus. Begleitet wird die Arbeit von Vertragsarchitekten des Erzbistums.

Der Aufbau der Pfarreiwohnung und des Gottesdienstraumes (?) wird von örtlichen Unternehmern durchgeführt, für die dies oft der wichtigste und manchmal nach dem Krieg der erste Auftrag ist. Männer aus den Orten verdienen dabei ihren Lebensunterhalt und auch Geld für den Wiederaufbau ihrer Häuser. So wirkt dieses Geld doppelt und dreifach. Es setzt ortsnahes Wirtschaften wieder in Gang.

Das Pfarrhaus ist in Podkraj ist wieder bewohnbar, außen und innen so weit fertig. Bezogen sind zwei Räume. In der Küche ist noch kein Wasseranschluss vorhanden. Es fehlen auch die weiteren Möbel. Strom gibt es nur in den muslimischen Ortsteilen. Vom Strom hängt auch das Wasser ab.

Die Kirche ist im Bau, die Kirchturmspitze ist so weit fertig. Das Dach wird mit Biberschwänzen gedeckt, die Sparren sind schon verlegt. Der Betonkranz zur Sicherung der Statik der Kirche ist geschaffen. Sie könnte meiner Schätzung nach tatsächlich Ende November 1997 fertig sein.

Es fand ein Gespräch im Pfarrhaus mit dem Pfarrer statt. Die Stadt verweigert den Stromanschluss. Sie sagt, das wäre zu gefährlich wegen der Minen. Dies ist natürlich ein vorgeschobenes Argument. Wir sind wie folgt verblieben: der Pfarrer schreibt erneut der Stadt, dass sie diese Arbeiten selbst machen und zum großen Teil auch das Material selbst finanzieren werden. Die Stadt sollte bitte die Genehmigung dazu erteilen. Hat dieses keinen Erfolg, so müssen Wege über die Politik gesucht werden. An der Stromleitung hängt auch die Wasserversorgung.

Beim Besuch im Dezember feiere ich mit der Gemeinde in Podkraj um 11 Uhr den Sonntagsgottesdienst. Die Gemeinde hat etwa 150 Gläubige. 90 bis 120 sind zurzeit die Gottesdienstbesucher. Der Gottesdienst findet noch im Pfarrsaal statt. Ich spreche ein Grußwort für die Gemeinde. Anschließend schauen wir uns die Kirche an. Die Kirche soll am 21. Dezember 1997 vom Kardinal wieder in Benutzung genommen werden. Bis dahin muss noch der Altar, der Fußboden und der Innenanstrich gemacht werden. Der anwesende Baumeister verspricht, dass dies geschehen wird.

Es ist wieder ein Meuchelmord an einem Kroaten geschehen. Die Menschen halten sich zum Schutz Hunde, der Hund des Pfarrers ist kurz vor dem Mord gestohlen worden, auch er ist besorgt.

Die Kinder werden mit einem VW-Bus privat in die Schule gebracht. Ich lasse von einer Spende 1.000,- DM dort einsetzen. Pfarrer Jelic wird sie für Busfahrten nach Podkraj transferieren.

Im Pfarrhaus findet ein Gespräch statt: Jelic, Pfarrer und Leuninger. Es geht vor allem auch um den Elektroanschluss. Inzwischen nennt die Gemeinde einen Betrag von 140.000 DM. Sie hätten kein Geld. Das stimmt, aber der Preis scheint auch politisch zu sein. Weitere Verhandlungen sollen folgen. Die Stromversorgung kommt dann später als Wahlkampfgeschenk.

Am vierten Advent 1997 erfolgte die feierliche Wiedereinweihung der Kirche. Damit ist die Hilfe des Bistums Limburg für das Projekt Podkraj abgeschlossen. Ein partnerschaftlicher Schritt für den Frieden wurde gegangen, viele weitere sind notwendig, besonders solche, die die Einstellung der Machthaber verändern und die Herzen erneuern. Das zeigt sich auch in Podkraj.

Von der Wiedereinweihung der Kirch in Podkraj am vierten Adventssonntag 1997 liegt folgender Bericht von Pfarrer Don Ante Jelic aus Sarajevo vor: "Heute war ich in Podkraj. Unser Kardinal Vinko Puljic hat die neu renovierte Pfarrkirche geweiht. Bei der heiligen Messe waren neben dem Pfarrer Zeljko Cuturic noch 12 andere Priester und 2 Diakonen anwesend. Der Kirchenchor aus Travnik hat bei der Messe gesungen. Die Kirche war ganz voll, es standen die Menschen noch draußen. Wir schätzen die Zahl der Gläubigen auf 1.000. Es waren wohl nicht alle aus der Pfarrei Podkraj, sondern auch aus den anderen Nachbarpfarreien. viele Vertriebenen aus Podkraj waren auch dabei. Es war auch eine Taufe. Es ist die erste Taufe in der neu renovierten Kirche gewesen. Da getaufte Mädchen heißt Antonela. Kardinal Puljic hat in seiner Ansprache herzlich der Diözese Limburg und allen Wohltätern aus dieser Diözese gedankt. Er hat betont, dass ohne ihre großzügige Hilfe und Sorge weder die Kirche, noch das Pfarrhaus, noch die 10 Familienhäusern renoviert wären. Es ist sicherlich das größte Weihnachtsgeschenk für unsere Diözese allgemein und für die Pfarrei Podkraj insbesondere.

Der Kardinal betonte die Notwendigkeit den Menschen im Mittelpunkt zu stellen. Der leidgeprüfte Mensch muss unsere prioritäre pastorale und seelsorgerische Aufgabe sein. Die Heilung der seelischen Wunden braucht Zeit und Menschen, die sich dieser Aufgabe stellen.

Er hat sich kritisch geäußert gegenüber den lokalen Kommunal- und Kantonalbehörden, die es nicht für notwendig erachtet hatten, die benötigte Infrastruktur für die Rückkehr zu schaffen; wie z.B. Strom und Wasserleitungen."

7. Glavice

Glavice ist im Raum Bugojno. Vor dem Krieg lebten dort 1.200 Katholiken. Jetzt (April 1998) sind es nur noch 100. Sehr viele sind in den kroatischen Teil der Konföderation geflüchtet. Das Pfarrhaus war von einem Iman bewohnt und ist dann wohl von diesem ausgeplündert und zerstört worden. Die Kirche ist innen zerstört und ausgeplündert. Kirche, Pfarrhaus und fünf Häuser sollen saniert werden. Insgesamt ist ein Betrag von DM 320.000 vorgesehen. Das Projekt hat in Sarajevo höchste Priorität. Dadurch könnte ein Rückkehrprozess in die Wege geleitet werden. Beim nächsten Besuch ist der Saal fertig, ich feiere dort mit einer wieder angewachsenen Gemeinde Sonntagsgottesdienst. Am 18.8.99 11.00 Uhr Gottesdienst in Glavice. Es sind etwa 100 Personen in der Kirche. Es konzelebriert der Pfarrer von Gracanica, der mit eine Musikgruppe der ACLI aus Italien da ist, die den Gottesdienst gestaltet. Hier funktioniert eine Art Partnerschaft aus Brescia. Die Kirche ist schön geworden. Etwa 100 Familien sind zurück. Der regelmäßige Gottesdienst und die renovierte Kirche wirken anziehend auf Rückkehr. Fünf Häuser wurden renoviert. Insgesamt ist es ein schönes Fest mit anschließendem gemeinsamen Essen im Pfarrhaus. Es ist ein neuer Pfarrer da. Wenn man die desolate Ausgangssituation bedenkt, macht dies alles richtig Freude.

8. Erfolgreiche Arbeit

Das Bistum Limburg hat beim Wiederaufbau beispielhaft mit gewirkt. Vor dem Krieg hatte das Erzbistum 144 Pfarreien mit 528 000 Katholiken. Der Krieg hat 62 Pfarreien des Erzbistums zerstört, also 45%. Viele mussten fliehen. Heute (2000) hat das Erzbistum etwa die Hälfte der ursprünglichen Katholiken. Die Mithilfe beim Wiederaufbau von 11 Pfarreien kann als ein voller Erfolg bezeichnet werden.

Es ist zu hoffen, dass der Weg des Friedens und der Versöhnung weitergeht und es auch zu einer inneren Befriedung der unterschiedlichen Volksgruppen kommt.

2.4.2 Wiederaufbau im Kosova

Als Bosnienbeauftragter des Bischofs ergab es sich nahezu konsequent, dass dieser Auftrag auch auf den Kosova ausgedehnt wurde. Meine Ausführungen folgen überwiegend dem Ablauf meiner Reisen in den Kosova. Sie sind keineswegs abschließender Natur. Wer hat schon ein abschließendes Urteil in dieser schwierigen Situation? Sie geben meine Eindrücke, die Ergebnisse von Gesprächen und meine Einschätzung der Situation wieder

12. Januar 1999: Fahrt nach Skopje wieder über die Seitenstraße aus Sicherheitsgründen. Die Lage scheint sich deutlich zu verschärfen. Mittagessen mit Bischof Herbut von Skopje. Rückflug mit Adria Airways über Lubljana, dies verlief reibungslos.

Mein Eindruck: es sind viele schlimme Dinge geschehen, Menschen wurden ermordet, Häuser zerstört, die Albaner aus allen Schlüsselpositionen entfernt. Die serbische Regierung macht die Albaner mehr und mehr zu "underdogs". Die Macht der UCK erscheint eher gering, sie beschränkt sich auf Racheakte und Dorfschutz, soweit es möglich ist. Mehr als 50.000 Häuser sollen zerstört sein, hunderttausende Menschen werden im Land herum getrieben, das alles sieht nach einem systematischen Vertreibungs- und Unterdrückungskonzept der serbischen Machthaber aus. Es herrscht Krieg der Serben gegen die Albaner, die erst langsam beginnen, sich zu wehren. Dies wird aber zum Anlass genommen, noch härter zuzugreifen.

Ein Besuch im Lager Stankovec unter sachkundiger Führung des Pressereferenten des Deutschen Caritasverbandes machte erschütternd klar, welche humanitäre Katastrophe sich hier abspielt. In den beiden Lagern sind zusammen über 40.000 Flüchtlinge in Zelten untergebracht. Die Lager unterstehen dem UNHCR, der die Aufgaben an NGOs (Nicht-Regierungs-Organisation) weitergibt. Das Lager Stankovec I steht unter Verantwortung des CRS (Hilfsdienst für Flüchtlinge der US-amerikanischen Bischofskonferenz). Der Deutsche Caritasverband ist beteiligt. So stellt Israel ein Zeltkrankenhaus und sorgt für Kinderspiele, eine andere katholische Organisation versorgt alte und verwirrte Menschen. Am Donnerstag fand ein Interviewe des Fernsehens im Lager mit dem Bischof statt.

Pec/Pejë, die religiöse Hauptstadt der Serben wirkt bis auf wenige Ausnahmen völlig durch Serben zerstört. Pec hatte vor dem Krieg etwa 90.000 bis 100.000 Einwohner, davon 80% Albaner und 15% Serben. Es kommen noch Montenegriner und andere dazu. Es gebe etwa 220 katholische Familien. 150 zerstörte Häuser sind in der Pfarrei erfasst. Die Leute kamen zurück, es muss schnell etwas geschehen, sonst wird es im Winter kritisch.

Besonders zerstört ist die alte Stadt Pec/Pejë. Hier oder vielleicht auch an anderen Orten soll in Absprache mit der dortigen Kirche die Aufbauhilfe des Bistums Limburg Ende August beginnen. "Ein Dach über dem Kopf und zwei Zimmer.", das ist das Konzept, das sich auch in Bosnien bewährt hat. Dafür soll eine Anzahl von Familien gesucht werden, darunter auch muslimische Familien, die das Geld - durch Materialspenden vor allem - zur Verfügung gestellt bekommen. Selbsthilfe ist angesagt. Etwa 10.000 DM werden pro Haus eingesetzt. Gedacht ist an arme Familien mit Kindern, die kein Einkommen in reichen Ländern haben. Diese Aufbauform wird auch von anderen Organisationen durchgeführt, so von der Deutschen Caritas in einem Ort mit zweihundert Familien, in dem es keine Männer mehr gibt, weil sie alle im Krieg getötet wurden.

Die beiden Pfarrer Krista und Sopi haben bei Wiederaufbaumaßnahmen in Pejë ihr Organisationstalent bewiesen. Wir hatten aus Kollektenmittel 340.000 DM zur Verfügung gestellt. Es sollten etwa 34 Häuser wiederhergestellt werden. Tatsächlich sind es 58 geworden. Gearbeitet wurde überwiegend in Selbsthilfe, die Familien erhielten das Material zur Verfügung gestellt. Das ging preiswert und sehr zügig. Repariert wurde das Dach, hergerichtet wurden zwei bis drei Zimmer. 24 Häuser konnten vor dem Kälteeinbruch mit bis zu -20° und einem Meter Schnee noch fertig gestellt werden. Über 60% der Häuser gingen an arme muslimische Familien, der Rest an Katholiken die im Kosova eine Minderheit darstellen. Leuninger konnte sich an Ort und Stelle über den Aufbau informieren. Katholische Organisationen sind führend in der Hilfe und im Wiederaufbau. So wirken u.a. in Pejë im Hausaufbau noch die italienische Caritas und das deutsche Kolpingwerk mit. Die Diakonie betreibt u.a. eine Fensterfabrik. In Pejë waren 90% der Häuser systematisch zerstört worden, im ganzen Land von 220.000 Wohneinheiten 120.000, die zumeist Albanern gehörten.

Die Hilfeleistung begann im Januar 1999. Sie wurde im April in Makedonien als Soforthilfe für die Flüchtlinge fortgesetzt. Die Arbeit der Caritas Makedonien wurde unterstützt, dazu wurde auch ein Kleintransporter gekauft. Hier wurden die Mittel der überraschend großen Sonderkollekte eingesetzt (ca. 1,1 Millionen DM, mit weiteren Spendenmitteln - auch großen Einzelspenden - standen für die Hilfe etwa 1,5 Millionen zur Verfügung einschließlich des Spendenkontos des Caritasverbandes und der "Kuh-Aktion). Mitgeholfen wurde beim Aufbau der Caritas Kosova durch den Kauf eines VW-Combis und eines Computers. Die meisten Mittel gingen in den Wiederaufbau von Häusern. Dies dürften über 80 gewesen sein. Das ganze wurde in kürzester Frist abgewickelt, beim Wiederaufbau gehörten wir zu den schnellsten, das war auch wichtig wegen des Wintereinbruchs. Ein Teil der Mittel wurde über Caritas International abgewickelt, die von dem Deutschen Caritasverband vertreten wird. Auch hier zeigte sich eine gute und kompetente Zusammenarbeit mit den örtlichen kirchlichen Stellen.

Dank gilt aber vor allem für die Spenden, hier hat sich die Lebens- und Handlungsfähigkeit der Kirche in unserem Bistum vor allem auch von der Basis her erneut bewiesen. Insgesamt haben Katholiken aus aller Welt und besonders auch aus Deutschland hier großes geleistet. Ein Muslime sagte dazu: "Es ist um katholisch zu werden". Hier zeigte die Kirche, wie lebendig sie im sozialen Bereich ist und wie sehr sie handlungsorientierte Sozialverkündigung betreibt.

2.5 Tun was dem Frieden dient

Es geht um die Entfaltung des Geistes der Gewaltfreiheit, der uns durch Christus geschenkt ist. Das Wort der Bischöfe "Gerechter Friede" soll hier stellvertretend stehen:

(203) Der geistliche Charakter der Friedensarbeit muss also den Geist aller katholischen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen bestimmen. Sowohl das persönliche Vorbild der dort Tätigen wie auch die Beschäftigung mit Heiligen, Märtyrern und anderen vorbildlichen Personen durch Literatur und Film, Meditation und Spiel sowie im Gottesdienst sollten selbstverständlich sein. 31 An ihnen kann und sollte anschaulich und begreiflich werden, dass der Geist der Gewaltfreiheit als der Geist Jesu Christi nicht Schwäche bedeutet, sondern Stärke, nicht Wegschauen, sondern Hinsehen, nicht Heraushalten, sondern Einmischen. Wir beten und hoffen, dass der Heilige Geist in der Kirche Begeisterung weckt für die Sache des gerechten Friedens – und damit für Gottes Herrschaft und Reich. 4.2 Der Geist der Gewaltfreiheit als inspirierende Kraft (204) "Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König" (Jes 52,7). Als Jesus in Galiläa auftrat und die Königsherrschaft Gottes ausrief, wusste er sich als dieser Friedensbote. Seine gute Botschaft bringt uns ein Ethos der Gewaltfreiheit, der Feindesliebe und der Versöhnungsbereitschaft. Wir sehen die Kirche als Ort der angebrochenen Königsherrschaft Gottes und uns, die wir als Glieder der Kirche in der Nachfolge Jesu stehen, als Bürgerinnen und Bürger des Gottes-reiches. Kraft der Taufe sind wir inspiriert durch den Geist Christi. Der Heilige Geist lässt uns die Welt mit anderen Augen sehen. Er tröstet uns, wenn unser Mühen wenig fruchtet oder scheitert. Er stärkt uns, wenn unsere Kräfte erlahmen. Ohne ihn erschöpft sich unser Einsatz für den Frieden in moralischer Pflichterfüllung. Wir denken auch an den Epheserbrief, der im 6. Kapitel ein gutes Wort etwa für die Firmung junger Menschen enthält, sie einstimmen kann auf ihren Friedensdienst in Kirche und Gesellschaft. Es geht darum, die "Rüstung Gottes" anzulegen. Wir haben es ja nicht nur mit Fleisch und Blut zu tun, nicht nur mit bösen Menschen und üblen Strukturen, sondern mit der gar nicht so leicht fassbaren Macht des Bösen. Allein auf uns gestellt stünden wir auf verlorenem Posten. Wer da widerstehen will, bedarf der "Rüstung Gottes". Die legt an, wer "Christus anzieht". Er rüstet uns mit seinen "Waffen" aus. Die sind einfach entwaffnend: "Gürtet euch mit der Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr die feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes."(Eph 6,14-17) So werden Waffen umgeschmiedet. (205) Friedensdienst ist kein betuliches und beschauliches Erlebnis, sondern "Kampf und Kontemplation". Oft genug schließt er die Bereitschaft ein, in der Nachfolge Jesu Christi das Martyrium zu erleiden, um den Mächten der Gewalt zu widerstehen und den Teufelskreis des Hasses zu durchbrechen. Gerade in Situationen, in denen Gewalt droht oder herrscht, brauchen wir den Geist der Wahrheit, der Mut und Standfestigkeit verleiht, und den Beistand, der vor Angst und Verzweiflung schützt.

Die Absicht muss es sein, eine Kultur der Gewaltfreiheit aufzubauen, die Voraussetzung für den Frieden ist. Gewalt muss abnehmen, sie muss verhindert, friedliche Lösungen angestrebt werden, die gewaltfreie Lösung hat immer Vorrang. Dies ist ein wichtiger Weg zum Frieden.

 

2.6 Fragen zum Kapitel 2.2

2.6.0 Vorbemerkung

Die Fragen sind nach dem Schema: Sehen-Urteilen-Handeln aufgebaut.

Die erste Frage ist jeweils eine Frage zum Überlegen und sollte aus der persönlichen Erfahrung bearbeitet werden.

Die zwei weiteren Fragen sind aus dem jeweiligen Textabschnitt zu bearbeiten.

Siehe dazu (und auch zur Arbeit in Gruppen) 1.4

 

2.6.1 Sehen (Krieg in Südosteuropa)

1. Welche Eindrücke haben Sie in der letzten Zeit über Krieg gewonnen?

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Wie stellt sich das Problem des Krieges heute in Europa dar?

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Nennen Sie Gründe für den Krieg in Bosnien-Hercegovina?

 

2.6.2 Urteilen (Die Lehre vom Frieden)

1. Was verstehen Sie unter Frieden?

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Was bedeutet "Schalom" in der Bibel?

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Wie steht das Zweite Vatikanische Konzil zum Krieg?

 

 

 

 

 

 

 

 

2.6.3 Handeln (Schritte auf dem Weg zum Frieden)

1. Welche Schritte halten Sie für angebracht?

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Welchen Geist muss Kirche deutlich machen, um den Frieden zu fördern (Brief der Bischöfe "Gerechter Friede" veröffentlicht 2000)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Welche friedensenserhaltenden Institutionen werden weltweit gefordert? (Siehe Brief Gerechter Friede)

 

3 Dritte Welt: Zum Beispiel die Verschuldung der armen Länder

3.0 Hinführung und Frage zum Überlegen

3.0.1 Hinführung

Die Situation der überwiegend in der südlichen Hemisphäre liegenden Länder ist durch Armut, Hunger, Kindersterblichkeit, extreme Korruption und vor allem durch hohe Verschuldung gekennzeichnet. Zuerst soll in einem ersten Schritt soll die Gesamtsituation skizziert, in einem zweiten Schritt besonders die Verschuldung mit ihren Konsequenzen angegangen werden. Danach wird eine Stellungnahme aus der katholischen Soziallehre aufgezeigt und der Gedanke des Erlaßjahres als möglicher Weg aus der Krise vorgetragen werden. Dritte Welt ist hier eine geografische Bezeichnung, wir gehören natürlich alle zu Einer Welt.

Literatur z.B. Erlaßjahr 2000 Herausgeber, Aktionshandbuch zu Erlaßjahr 2000, Entwicklung braucht Entschuldung, Siegburg (2) 1998.

Im Internet wird auf die Seiten zum Erlassjahr http://www.leuninger.de/sozial/erlaßj.htm   hingewiesen. Suchen Sie auch selbst Seiten zu Dritte Welt, Eine Welt, Entwicklungshilfe, Misereor http://www.misereor.de/   Adveniat http://www.adveniat.de , Brot für die Welt http://www.brot-fuer-die-welt.de/   um nur eine Stichworte zu nennen.

 

3.0.2 Frage zum Überlegen?

Überlegen Sie, warum es diese große Armut in der Welt gibt?

 

 

 

3.1 Die Situation der Dritten Welt und die Schuldenkrise

3.1.1 Die besonderen Probleme der Dritten Welt

3.1.1.1 Das Bevölkerungswachstum

Das Bevölkerungswachstum auf der Welt gehört zu den größten Problemen einer kommenden Entwicklung der Welt. Es besteht nach Auffassung von Wissenschaftlern die Gefahr, dass die Ressourcen für die Menschen nicht ausreichen und die Erde die Menschen nicht ernähren kann. Dies ist nach Lage der Dinge schwierig zu entscheiden. Erst sollen aber einmal die Fakten aufgezeigt werden.

1990 hat die UN Vorausplanungen für die Weltbevölkerung veröffentlicht. Diese zeigen in der mittleren Schätzung für 1990 ca. 5,3 Milliarden, ca. 6,2 Milliarden in 2000 und ca.8,5 Milliarden in 2025. Die hohe Vorausplanung für 2025 beinhaltet ca. 9,1 Milliarden, die niedrige 7,9 Milliarden. Die durchschnittliche Weltgeburtsrate wird von 26 pro 1000 (1990) bis 22 pro 1000 (2000) und 17 pro 1000 (2025) abzunehmen. Im höchsten und niedrigsten Fall entsprechend weniger oder mehr. Die durchschnittliche Weltlebenserwartung wird von 65 Jahren 1990 auf 73 Jahre in 2025 zunehmen.

Das bedeutet, dass in den Ländern des Südens vor allem die Zahl der Großstädte, Megastädte mit mehr als 10 Millionen Einwohner, rapide wachsen wird. 1970 wohnten 37% der Weltbevölkerung in Städten, 2010 werden es 53% sein.

Etwa 30% des Zuwachses kommt durch Wanderungsbewegungen infolge der Landflucht. Die Wanderungsbewegungen haben aber auch schon die reichen Länder erreicht. Die Arbeitsmigration (Wanderung, um Arbeit in einem fremden Land anzunehmen) wird zunehmen. Das gilt bezüglich der reicheren Länder in der Dritten Welt, so Saudi-Arabien und Südafrika, vor allem aber für die reichen Industrienationen des Nordens. Hinzu kommen die Flüchtlinge aus den unterschiedlichsten Gründen, die aber nur zum geringen Prozentsatz in den reichen Ländern des Nordens ankommen.

Es gibt eine Reihe Gründe für den starken Bevölkerungszuwachs. Einmal liegt dies in dem Zurückdrängen der Kindersterblichkeit und Krankheit überhaupt. Dabei könnten Länder in Afrika von neuer hoher Sterblichkeit durch eine Aidserkrankungswelle betroffen werden.

Kinder tragen durch Feldarbeit, in den Städten durch Verkauf auf den Straßen und Betteln, zum Unterhalt der Familie bei. Es gibt keine Sozialversicherung, die Kinder sind dies nach Auffassung der Eltern für sie. In Macho-Kulturen sind viel Kinde oft auch die Erfüllung eines Männlichkeitswahns. Es muss in vielen Kulturen ein männlicher Familienerbe da sein. Vielfach ist Familienplanung eine Überforderung. Daran ist aber nicht zuerst die katholische Kirche schuld, wie oft gesagt, dann wären im katholischen Südamerika die Kinderzahlen nicht rückläufig und die Familienplanung außer China mit 60% der Paare am höchsten, und Südamerika ist ein katholischer Erdteil. Der entscheidende Grund ist aber die Armut, die mit vielen Kindern aus Sicht der Eltern überwunden werden soll, aber nur noch zusätzliche Armut verursacht.

Gibt es eine Übervölkerung auf der Erde? Nicht das Ernährungsproblem ist das schlimmste, es wäre aber zum größten Teil durch andere Verteilung zu lösen. Schlimmer sind die Fragen der Umweltbelastung und des Ressourcenverbrauchs. Es ist unmöglich, absolut zu sagen, wo die Grenze zur Übervölkerung überschritten wird. Übervölkerung ist eine relativer Begriff. Er besagt, dass in einem Gebiet mehr Menschen leben, als dieses Gebiet von seinen gesamten Bedingungen her menschenwürdig unterhalten kann. Dieser Zustand ist aber änderbar, wenn sich die Produktionsverhältnisse, die Bodenverteilung, der Entwicklungsstand, die Sozialordnung und das Konsumverhalten verändern. Es gibt keine absolute Übervölkerung, es gibt also nur eine relative Übervölkerung. In den Industrieländern leben die Menschen sehr dicht, aber menschenwürdig. Es ist auch deshalb schwierig zu sagen was Übervölkerung ist, weil jeder Mensch in einem Entwicklungsland die Erde um einen Bruchteil dessen belastet, als ein Mensch in den USA oder Europa. Die Frage der Übervölkerung ist zuerst einmal eine Anfrage an die Lebensgewohnheiten in den reichen Ländern. Würden alle Menschen so leben wie die Mehrzahl der Menschen in der Dritten Welt, dann könnte die dreifache Summe der Menschen auf der Welt leben, ohne dass die Welt mehr belastet würde.

Es wird nicht ohne Familienplanung gehen. Viele Frauen z.B. in Afrika würden dies gerne tun, aber es fehlen oft die Einsichten in die Methoden und die Mittel; die Menschen sind einfach zu arm und zu wenig ausgebildet. Das müsste sich ändern. Bei dauernder Kürzung der Sozialetats und der Bildungsetats in vielen Ländern der Dritten Welt ist dies aber ein großes Problem.

3.1.1.2 Der Ressourcenverbrauch und die Ökokrise

Der vorherige Abschnitt hat deutlich gemacht, dass vieles in der Entwicklung von den reichen Ländern abhängt ((H) Kapitel 3. Frieden mit Umwelt und Natur). Im 3. Kapitel wurde dies umfassend ausgeführt. Die Zukunftsfähigkeit der Welt hängt überwiegend vom Verhalten der reichen Länder ab. Die Entwicklung dieser Länder darf auch nicht zu ungebremster Steigerung der Ressourcen führen, sondern es müssen neue Wege zu menschenwürdigem Leben gefunden werden. Dies muss aber auch vor allem in den reichen Ländern entwickelt werden.

3.1.1.3 Verteilung von Armut und Reichtum

Die Verteilung des Reichtums auf der Welt ist extrem ungerecht. In den ärmsten Ländern haben die Menschen kaum das Geld zum Überleben. Wenn für Äthiopien das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen im Jahr mit 400 Dollar angegeben wird, dann gibt es Menschen, die das mehrfache haben, die meisten werden viel weniger haben, denn der Unterschied zwischen Armut und Reichtum ist gerade in den armen Ländern sehr krass. Die geschätzte Wirtschaftsleistung 1993 in Dollar pro Jahr ist im armen Land Äthiopien 400 $ im reichsten, den USA 24700 $. Die Daten sind umgerechnet auf den Kaufpreis im jeweiligen Land, sonst wären die Unterschiede noch extremer.

Die absolute Armut ist definiert als das nicht mehr Erreichen des physischen Existenzminimums. Das ist in diesen Ländern schon vielfältig gegeben. Es gibt dann die extrem Armen, die unter 275 $ Jahreseinkommen haben und die Armen, die unter 400$ pro Jahr Einkommen haben. Die relative Armut, wie sie von der EU gesehen wird, liegt unter der Hälfte des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens. Diese Gruppe ist sogar in Europa trotz ständigen Anwachsens des Bruttuoinlandproduktes am Wachsen. Es liegen Verteilungsprobleme vor. Die relative Armut liegt in Deutschland immerhin über 15%. Dies ist aber nicht die extreme Armut in den Ländern der Vierten Welt, wie sie auch genannt werden.

Wer sind die Hauptbetroffenen in diesen armen Ländern?

Die Land- vor der Stadtbevölkerung
Das Land wird von vielen Regierungen vernachlässigt. In der Entwicklungshilfe kamen nur große Industrieprojekte vor. In der 80er Jahren flüchten ½ Milliarde Menschen vom Land in Stadt. Nun verlagert sich die Armut dadurch mehr und mehr in die Elendsviertel der Großstädte.

Die Kinder
Am meisten leiden die Kinder durch das Elend. Sie werden von unterernährten Müttern geboren, waren in den ersten Lebensjahren unterernährt, haben kaum Chancen zur normalen körperlichen und geistigen Entwicklung. Die Zahl der behinderten Kinder nimmt durch die Situation der Mütter zu, aber auch durch die Landminen in den vielen Kriegen, die im "Krieg nach dem Krieg" vor allem die Kinder treffen. Dazu kommt die Kinderarbeit als moderne Form der Sklaverei. Etwa 20-30 der Kinder zwischen 6-15 Jahren in der Dritten Welt sind erwerbstätig. In Indien sollen 44 Millionen Kinder arbeiten, teilweise in der schlimmsten Form der Ausbeutung, der lebenslangen Schuldknechtschaft. Nur 38% der arbeitenden Kinder werden in Indien entlohnt. Das widerspricht zwar allen internationalen Konventionen, aber das ist das Bild der Armut. In Afrika südlich der Sahara können z.B. nur 48% der Kinder eingeschult werden, davon verlassen 2/3 die Schule vorzeitig ohne solide Kenntnisse und ohne Abschluss. Es gibt so viele Straßenkinder auf der Welt, wie Deutschland Einwohner hat, nämlich 80 Millionen. Unter den arbeitenden Kindern sind die Mädchen noch einmal mehr benachteiligt.

Die Armut ist weiblich

Wie gesagt wird, mag den Frauen ja die "Hälfte des Himmels" gehören, die Hälfte der Erde noch lange nicht. Weltweit, vor allem aber in den armen Ländern, ist der ökonomische Indikator für Frauen erheblich schlechter als für Männer. Der Anteil der Frauen an den 1,3 Milliarden Armen (unter 400 Dollar pro Jahr) wird auf 70% geschätzt. Für die Frauen geht es schon nach der Geburt um Leben und Tod. Jährlich sollen etwa 1,5 Millionen kleine Mädchen sterben, weil sie bei der Ernährung oder bei der medizinischen Versorgung vernachlässigt werden. In manchen Gebieten gibt es deshalb schon einen ausgesprochenen Frauenmangel und es ist nicht bekannt, wie viele Mädchen aufgrund der pränatalen Diagnostik in China abgetrieben werden. Hier tut sich eine völlig neue Waffe gegen die Frauen auf. Die Chancen bei der Bildung sind erheblich schlechter. Sie sind die Lasttiere der meisten armen Gesellschaften und müssen Verstümmlungen über sich ergehen lassen bis zur Beschneidung der Klitoris. Feminisierung, das heißt auch den millionenfachen Zwang zur Prostitution. Zur Widersprüchlichkeit des Erfolges der Länder Thailand und Philippinen gehört es, dass bei allem wachsenden Reichtum dort die Hauptquellen der internationalen Prostitution liegen.

Frauen sind weltweit Haupternährerinnen ihrer Familien, sie sichern das Überleben. Viele Frauen in der Dritten Welt leiden an chronischer Erschöpfung. In der Verbindung von Haus- und Erwerbsarbeit wird der 16-Stundentag für sie eine Selbstverständlichkeit.

3.1.1.4 Die Folgen der Armut

Die Folgen der Armut sind

niedriger Lebensstandard

schlechte Ausbildung

schlechte soziale Absicherung

Krankheit

Hunger

Über den niedrigen Lebensstandard und die Konsequenzen daraus wurde schon gesprochen.

Wichtig ist auch der Hinweis auf die schlechte Ausbildung, die auch genannt wurde. Was sich schon in der Grundschule zeigt, setzt sich nach oben fort. Diese Länder haben nahezu kein Humanvermögen, in der Wirtschaft der Zukunft mitzuhalten.

Unser Sozialversicherungssystem ist in den armen Ländern unbekannt. Was sie Familie nicht schafft, das geschieht im wesentlichen nicht, es sei denn private Organisationen wie Missionsstationen helfen. 1,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zum Gesundheitswesen. Der Gesundheitszustand ist erschreckend.

Die größte Verdammnis unserer Zeit ist, dass mehr als ein viertel Million kleiner Kinder noch immer jede Woche aufgrund einer leicht zu verhindernden Krankheit stirbt. Jeden Tag sterben 8000 Kinder an Masern, Keuchhusten und Tetanus. Das sind Krankheiten, die durch preiswerte Kampagnen zu vermeiden wären. Jeden Tag kostet die durch die Diarrhöe verursachte Dehydration (Entwässerung) fast 7000 Kindern das Leben. Diese könnten fast ohne Kosten verhindert werden. Jeden Tag sterben mehr als 6000 Kinder an Lungenentzündung, die mit preiswerten Antibiotika behandelt werden könnte. Tod und Leiden in dieser Größenordnung müssen einfach nicht mehr sein und sind daher auch nicht mehr hinzunehmen (UNICEF 1990).

Malaria fordert jährlich mit steigender Tendenz 1,5-3 Millionen Tote. Krankheiten, die ausgerottet schienen wie Pest und Cholera tauchen wieder auf. Rund 8 Millionen der 1994 Aids-Infizierten wohnen in Afrika südlich der Sahara. Aber Aids steigt inzwischen auch in Asien schneller als in Afrika. In den Industrieländern nimmt die Infektionsrate ab. Aids wird zu einem besonderen Problem der Dritten Welt. Die wachsenden Slums in den Megastädten werden zu Brutzonen der Krankheiten.

Der Hunger nimmt zu. Die Zahl der hungernden Menschen soll sich in Zukunft zwischen 400-800 Millionen bewegen. Hinzu kommt eine Fehlernährung, die auch Erkrankungen nach sich zieht. Viele Entwicklungsländer sind noch auf Lebensmittelimporte angewiesen. Zwar soll die sogenannte "grüne Revolution" einiges verbessert habe. Oft gehen die, durch großflächigen Anbau und Einsatz von Pestiziden erreichten, gewachsenen landwirtschaftlichen Erträge aber auch wieder in den Export. Die großen Monokulturen (Bananen, Kaffee, Reis, usw.) bringen zusätzlich Probleme, da der Boden der Nahrungsmittelproduktion entzogen wird. Immer noch werden zu viele Nahrungsmittel verfüttert, um Fleisch exportieren zu können, oder es werden Futtermittel für die reichen Länder erzeugt. Der Hunger vieler Menschen liegt zum Teil auch an der Struktur der Landwirtschaft, vor allem aber an der Verteilung. Den ärmeren Schichten wurde oft der bisher bebaute Boden entzogen. Die Versorgung des ärmsten Teiles der Bevölkerung müsste gesichert werden.

3.1.1.5 Ursachen der Armut

Die Ursachen der Armut können in drei Gruppen eingeteilt werden:

1. Natürliche Bedingungen

2. Innere Gegebenheiten

3. Äußere Ursachen

2. Natürliche Bedingungen

In vielen Ländern herrscht Rohstoffmangel. Dies ist eine schlechte Voraussetzung, eine Wirtschaft zu entwickeln, obwohl andere Länder bewiesen haben, dass es geht.

Auch die Klimabedingungen, abgesehen von extremen Situationen, können nicht ausschlaggebend sein. Sie behindern zwar, aber die Menschen haben eine große Anpassungsfähigkeit.

In Afrika sind die Böden verbraucht und kaum noch ertragreich.

2. Innere Gegebenheiten

Die inneren Gegebenheiten sind z.B. der Bevölkerungszuwachs. Aber auch dicht besiedelte Gebiete sind oft hoch entwickelt. Bei der Phase der Armut und Entwicklung aber ist ein progressiver Bevölkerungszuwachs ein riesengroßes Problem.

Über die Situation der Schulen wurde schon gesprochen. Hier muss jede Entwicklung ansetzen. Ohne ein ausgebautes Schulwesen ist nur wenig möglich.

In vielen Entwicklungsländern herrscht Kapitalmangel. Das bei den Reichen dieser Länder oft vorhandenen Geld fließt in Länder, in denen es mehr Rendite erwirtschaftet und wird so der heimischen Wirtschaft entzogen. Hier gehen die Reichen und die Machthaber, die oft identisch sind, Hand in Hand auch mit Interessen der internationalen Industrie.

In vielen Fällen sind die politischen Verhältnisse nicht dazu angetan, die Wirtschaft zu entwickeln. Die Machthabenden verstehen den Staat als ihre Selbstbedienungskasse, aus der sie sich bereichern und deren Geld sie auf ausländische Banken transferieren. Diktaturen sind oft solche die Menschen ausbeutende Systeme. "Die Dritte Welt ist durch den Gegensatz zwischen obszönen Reichtum kleiner Minderheiten und der Armut von Bevölkerungsmehrheiten gekennzeichnet" (F. Nuscheler, Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik, Bonn4 1995 Seite 114).In Afrika ist der Tribalismus (Stämmeorientierung) ein Problem, über diese Stammesgrenzen hinaus vernünftige Entwicklungen in die Weg zu leiten.

Die ärmsten Staaten sind einerseits autoritär regiert, anderseits zu schwach, um die Situation zu meistern. Teilweise haben die Machthabenden auch keine Interesse daran. Eine echte Beteiligung des Volkes gibt es oft nicht.

In der Zeit der Machblöcke haben viele arme Länder unter Einfluss der jeweiligen Blockgegner sinnlos hoch aufgerüstet und damit der Wirtschaft wertvolles Kapital entzogen. In den derzeitigen Auseinandersetzungen z.B. in Afrika werden die letzten vorhanden Kapazitäten noch zerstört.

Hinzu kommen nach Meinung manchen Autoren kulturelle Selbstverständisse. Dass die Menschen in Afrika z. B. der freien Zeit mehr Bedeutung zumessen als der Arbeit, trifft z.B. die Situation nicht. Für das wenige was sie verdienen, müssen sie sehr schwer arbeiten. Dies dürfte keine so große Rolle spielen.

3. Äußere Ursachen

Als äußere Ursachen werden das Fortwirken kolonialer Strukturen vermutet. Es ist unbestritten, dass die europäischen Länder die Kolonien in ihrem Interesse ausgebeutet haben. Viele Entwicklungen in Europa, zum Teil zu Lasten der Kolonien, wurden in den Kolonien nicht durchgeführt; das wirkt bis heute nach.

Die "terms of trade" haben sich in den letzten Jahren für die Rohstofflieferanten (außer Öl) verschlechtert. Dies heißt, dass ein Land für notwendige Importe immer an Rohstoffen exportieren muss. Der Rohstoffexport bringt weniger ein, der Import wird teurer.

Hinzu kommt die hohe Verschuldung der Länder, die einen ernsthaften Wirtschaftsaufbau nahezu unmöglich macht. Dazu wird später einiges ausgeführt.

3.1.1.6 Zusammenfassende Bewertung

Vor einigen Jahren wurde vor allem die Dependenztheorie als Hauptursache für die Unterentwicklung vieler Länder angenommen. Der Reichtum des Nordens sei auf der Armut des Südens begründet. Diese Theorie erklärt vieles, aber nicht den ganzen Zusammenhang. Er ist viel differenzierter. Es ist unbestritten, dass bei den "terms of trade", und bei den Schuldenbergen die Industrienationen erheblich verdient haben. Auch die historische Abhängigkeit und Verantwortung für die entstanden Verhältnisse müssen gesehen werden. Die finanzielle Ausgangslage ist schlecht bis desolat.

Hinzu kommen aber auch innenpolitische Gegebenheiten. Manche Staaten werden von ihren Machthabern nahezu ausgeplündert. Diese stehen dann oft in guten Beziehungen zu Kapitalinteressen. Insgesamt ist die staatliche Struktur schwach und die Verwaltung korrupt und wenig durchsetzungswillig und -fähig. Die Staaten haben meist keine demokratische Legitimation.

Die Reichen der armen Länder sind oft superreich und bringen ihr Geld meist woanders unter. Sie kooperieren aber auch gerne mit den Interessen der Industrienationen.

Ausbildung und Gesundheitsfürsorge entsprachen in den ärmsten Fällen nicht den Mindestanforderungen in den Industrienationen.

Die ganze Situation ist in den armen und ärmsten Ländern eine Struktur der Benachteiligung, die mit Hilfe von außen aufgebrochen werden muss, damit sie nicht alte Benachteiligungen erhält oder sogar noch verstärkt und weiter neue hervorbringt.

3.1.2 Die Schuldenkrise

3.1.2.1 Die Situation der Verschuldung

Im folgenden ist einiges Material über die Aktion Erlaßjahr zusammengestellt. http://www.leuninger.de/sozial/erlaßj.htm . 1980 hatten die Entwicklungsländer 603 Milliarden US-$ Schulden, 1997 waren es schon 2171 Milliarden, also mehr als das Dreifache. Der Schuldendienst für die langfristigen Schulden beträgt 238 Milliarden im Jahr. Die meisten Schuldenländer sind in Lateinamerika und der Karibik mit 31%, gefolgt von Ostasien und Pazifik mit 23%, Europa und Zentralasien mit 18% und Subsahara-Afrika mit 10%.

Wer von den hochverschuldeten armen Ländern (HIPC) entschuldet werden will muss Gesamtschulden haben, die über 200-250% der Exporterlöse liegen und der Schuldendienst über 20-25% der Exporterlöse liegt. Das Pro-Kopf-Einkommen darf 785$ nicht überschreiten (Etwa 120 DM im Monat, in der Bundesrepublik Deutschland etwa 2500 pro Monat, Menschen unterer Einkommensschichten müssen in den armen Ländern oft mit einer Mark und weniger am Tag auskommen).

Bis dahin sind Schulden tragfähig. Im Londoner Schuldenabkommen hielt man für die Bundesrepublik einen Satz von im Schnitt 1,6% der Exporterlöse für den Schuldendienst für tragfähig.

Die Bundesrepublik hat insgesamt 59,8 Mrd. DM Forderungen davon an HIPC-Länder 15,5 Milliarden.

Der Schuldendienst für die langfristigen Schulden beträgt 238 Milliarden im Jahr. Die meisten Schuldenländer sind in Lateinamerika und der Karibik mit 31%, gefolgt von Ostasien und Pazifik mit 23%, Europa und Zentralasien mit 18% und Subsahara-Afrika mit 10%.

Bilateral: 39%

Multilateral (IWF und Weltbank durch Strukturanpassungsprogramme.) 37.%

Banken: 24%

Hier geht es vor allem um 1, aber auch um 2. Die Banken haben eigenen Wege, die aber über ein Insolvenzrecht geklärt werden müssten. Manchmal haben sie Schulden bei sich wertbereinigt, fordern aber noch den Schuldendienst ein.

Wer von den hochverschuldeten armen Ländern entschuldet werden will muss Gesamtschulden haben, die über 200-250% der Exporterlöse liegen und der Schuldendienst über 20-25% der Exporterlöse liegt. Das Pro-Kopf-Einkommen darf 785$ nicht überschreiten (Etwa 120 DM im Monat, in der Bundesrepublik Deutschland etwa 2500 pro Monat, Menschen unterer Einkommensschichten müssen in den armen Ländern oft mit einer Mark und weniger am Tag auskommen).

Bis dahin sind Schulden tragfähig. Im Londoner Schuldenabkommen hielt man für die Bundesrepublik einen Satz von im Schnitt 1,6% der Exporterlöse für den Schuldendienst für tragfähig.

Wer ist Schuld an den Schulden? - Eine Vorbemerkung

Oft wird darüber gestritten, wo die Schuld für die Schuldenkrise zu suchen ist: Sind die für viele Entwicklungsländer ungünstigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Hauptursache der Krise?

Oder haben die Regierungen innerhalb ihre Länder schlecht gewirtschaftet und die Probleme selbst verursacht?

Haben Banken und Staaten als Kreditgeber eine große Mitschuld, da sie oft wider besseres Wissen Kredite an korrupte Diktatoren vergaben?

Oder haben die Regierenden in den Schuldnerländern die Kredite und die Kreditgeber nur betrügerisch ausgenutzt, um selbst reich zu werden und das Geld ins Ausland zu schaffen?

Eines jedoch sollte nie vergessen werden: Egal, wer die Schulden gemacht hat und was mit dem Geld geschehen ist: Es sind immer die Armen, die den größten Teil der Schulden mit ihren Steuern abbezahlen müssen! Diese Armen sind es auch, die am stärksten unter den Einsparungen leiden, zu denen Regierungen gezwungen sind, wenn sie zu hohe Schulden begleichen müssen. Die Folgen sind in vielen Staaten Arbeitslosigkeit, der Zusammenbruch von Kleinunternehmen, eine sinkende Lebenserwartung, steigende Kindersterblichkeit und der Zusammenbruch der Gesundheits- und Bildungssysteme.

3.1.2.2 Der Glaube an das unbegrenzte Wachstum

Mitte der sechziger Jahre glaubten viele Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, dass die Entwicklungsländer ihre Wirtschaft mit Hilfe von geliehenem Kapital sehr schnell ausbauen könnten. Mit Hilfe der neu ausgebauten Wirtschaft sollten die Entwicklungsländer ihre Exporte deutlich steigern. Mit den Einnahmen aus diesen Exporten könnten sie dann binnen weniger Jahrzehnte alle Schulden abbezahlen - so die Theorie.

Doch die Hoffnungen der siebziger Jahre auf den schnellen Aufbau einer modernen Wirtschaft auch in den Entwicklungsländern erwiesen sich meist als voreilig:

Die Wirtschaftskrise der siebziger und achtziger Jahre führte bei vielen der in Entwicklungsländern produzierten Waren zu sinkenden Preisen und / oder geringeren Abnahmemengen, da die Industrieländer ihre Importe senkten.

Die Industrieländer schirmen ihre Märkte gegen viele Produkte aus Entwicklungsländern ab.

Während aufgrund dieser beiden Entwicklungen die Einnahmen vieler Entwicklungsländer aus ihren Exporten deutlich sanken, stiegen in den achtziger Jahren vor allem durch die kreditfinanzierte Aufrüstung der USA die Zinsen massiv an.

Es wurden auch sinnlose Dinge gebaut, die oftmals aufgrund von Korruption in Auftrag gegeben wurden und von denen hauptsächlich die Zuliefererfirmen in den Industrieländern profitierten. Ein Teil der Kredite floss direkt in die Taschen von korrupten Regierungsangehörigen. Ein Teil des Geldes für Waffenkäufe in den Industrieländern ausgegeben.

3.1.2.3 Vergabe von Krediten aus politischen Motiven

Eine der wichtigsten Ursachen der Überschuldung vieler Staaten hatte keine ökonomischen Ursachen, sondern war ein Ergebnis politischer Vorgaben: Während des Kalten Krieges sollten bestimmte Regime gestützt werden.

Dies gilt beispielsweise für den Zaire. Schon 1982 stellte ein Report des Internationalen Währungsfonds fest, dass die Kredite an den Zaire zum größten Teil direkt auf die Privatkonten des damaligen Präsidenten Mobutu flossen. Der Bericht nennt sogar Namen von Banken, die das Geld ins Ausland transferierten, darunter auch die Deutsche Bank.

Dennoch erhielt Mobutu nach einer Aufstellung der Financial Times in den achtziger Jahren Kredite in Höhe von rund 8,5 Milliarden US$: Als treuer Freund des Westens sollte Mobutu während des Kalten Krieges an der Macht und bei Laune gehalten werden. Heute fordern die Kreditgeber von der neuen Regierung Zaires (heutiger Name: D.R. Kongo) die Rückzahlung der Gelder.

Mobutu profitierte ebenso wie beispielsweise die Präsidenten Marcos (Philippinen), Moi (Kenia, er amtiert immer noch) oder Suharto (Indonesien) vom Ost-West-Gegensatz während des Kalten Krieges. Sie wurden mit Krediten unterstützt, egal was mit dem Geld geschah.

Heute wird nun von den Regierungen, die diese Kredite vergeben haben, darauf gedrängt, man müsse wirtschaftlich an die Schuldenkrise herangehen und die betroffenen Menschen in den Schuldnerländern sollten halt ihren Gürtel enger schnallen.

Gleiches passiert mit den Staaten, die aus dem Ostblock Geld, Waren und Waffen erhielten. Auch hier leidet heute die Bevölkerung unter den Folgen der Politik längst abgesetzter moskaufreundlicher Regierungen.

3.1.2.4 Externe Ursachen der Schuldenkrise

Seit Beginn der siebziger Jahre gab es mehrere Wirtschaftskrisen. Viele Entwicklungsländer litten sehr stark unter diesen Krisen, da sie im Gegensatz zu den Industrieländern über wenige oder gar keine Möglichkeiten verfügten, den entstehenden Problemen auszuweichen. Wer einen großen Teil seiner Exporterlöse aus dem Verkauf von beispielsweise Baumwolle, Kaffee, Tee oder Kupfer erwirtschaftet, kann nicht binnen weniger Jahre auf neue Produkte "umsteigen". Diese Probleme konnten von den Entwicklungsländern weder vorausgesehen noch gesteuert werden. Daher werden sie als externe Ursachen der Verschuldung bezeichnet. Die Ölpreissteigerungen von 1973 und 1979/80 führten zu einer drastischen Verteuerung der Energieimporte der öl-importierenden Entwicklungsländern.

Anfang der achtziger Jahre stiegen durch die Hochzinspolitik in den Industrieländern die Zinssätze auf den internationalen Kapitalmärkten stark an. Damit stiegen auch die Zahlungen an, die die Schuldner auf alte Kredite zu variablen Zinsen oder auf neue Kredite zu leisten hatten. Die Industrieländern schirmten ihre Märkte weiterhin gegen Importe aus Entwicklungsländern ab. Die Preise für viele Rohstoffe sanken deutlich, so dass die Entwicklungsländer nun wesentlich mehr Güter exportieren mussten, um auch nur die gleiche Menge Fertigprodukte aus den Industrieländern zu kaufen, wie sie bislang bezogen (Verschlechterung der Terms of Trade).

3.1.2.5 Interne Ursachen der Schuldenkrise

Neben den externen Ursachen für die Schuldenkrise gibt es auch noch eine Reihe von Fehlern, die von einigen Regierungen der Entwicklungsländer bewusst oder unbewusst gemacht wurden. Zu diesen internen Ursachenfaktoren gehören:

In einigen Ländern wurden große Industrieprojekte finanziert, die nie so effektiv arbeiteten, dass sie ohne Subventionen überleben konnten.

Mit Hilfe der Kredite wurden sinnlose Projekte finanziert, die oftmals aufgrund von Korruption in Auftrag gegeben wurden und von den hauptsächlich die Zuliefererfirmen in den Industrieländern profitierten.

Ein Teil der Kredite floss direkt in die Taschen von korrupten Regierungsangehörigen und wurde von diesen auf ausländische Konten - vorwiegend in Europa - transferiert.

Ein Teil des Geldes wurde für Waffenkäufe in den Industrieländern ausgegeben und konnte somit ebenfalls nicht gewinnbringend angelegt werden. 

3.1.2.6 Folgen der Schulden

Mosambik müsste 12 Jahre lang alle Einkünfte aus dem Verkauf seiner Exportgüter an die Gläubiger überweisen, um seine Schulden abzubezahlen. Doch das Land kann natürlich nicht 12 Jahreseinkommen für die Schulden aufwenden. Denn neben den Schulden müssen auch noch dringend notwendige Importprodukte bezahlt werden: Medikamente, Nahrungsmittel, Maschinen etc. Nach Abzug dieser notwendigen Ausgaben hat das Land in einigen Jahren nicht einmal alle anfallenden Zinsen bezahlen können. Zwar ist Mosambik ein besonders drastisches Beispiel. Doch viele Staaten sind in Höhe von mehreren Jahreseinkommen verschuldet. Und diese Jahreseinkommen reichen im Grunde nicht einmal aus, um die notwendigsten Importe zu bezahlen - geschweige, den größten Teil dieser Summe als Schuldendienst in die Industrieländer zu überweisen. Diese Staaten stecken in einer regelrechten Schuldenfalle: Selbst wenn sie die Staatsausgaben so massiv senken, dass die sozialen Folgen für die eigene Bevölkerung verheerend sind, haben sie keine Chance, die Schulden je zurückzuzahlen. Da sie oftmals nicht einmal alle anfallenden Zinsen und fast immer nicht die vollständigen Tilgungen bezahlen können, wachsen die Zahlungsrückstände. Und auf alle Rückstände müssen wiederum Zinsen gezahlt werden.

3.1.2.7 Auswirkungen der Schuldenkrise auf den Norden

Der Zwang zur Erwirtschaftung von Devisen zur Begleichung der Schulden führt in vielen Länder zu einer massiven Zerstörung der Umwelt, die weltweite Auswirkungen hat. Die Verarmung der Bevölkerung führt in vielen Ländern zur Ausdehnung der Anbauflächen für Drogen. Der Zusammenbruch ganzer Volkswirtschaften in Entwicklungsländern zerstört Absatzmärkte für hiesige Firmen. Der Verarmung verursacht die Zunahmen von Bürgerkriegen und Kriegen. Weltweit steigt die Zahl der Flüchtlinge, die der ausweglosen Situation in ihrer Heimat zu entfliehen suchen.

3.2 Gerechtigkeit für alle

3.2.0 Hinführung zum Thema

Wir kennen das Wort von der "himmelschreienden Ungerechtigkeit". Offensichtlich hat Gerechtigkeit im verbreiteten Sprachgebrauch etwas mit dem Himmel zu tun. Es gibt Verhältnisse, die wir auf Anhieb hin als ungerecht bezeichnen. Eigentlich dürften sie nicht sein. Und es trifft uns immer hart, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen. Wir halten Gerechtigkeit für wichtig, wissen aber auch, wie schwer sie herzustellen ist. Ja es gibt noch unterschiedliche Auffassung, was gerecht ist. Was die einen eine Forderung der Gerechtigkeit nennen wird von anderen als Sozialneid bezeichnet. Gerade in Eigentum und Besitz wird Ungerechtigkeit oft sichtbar deutlich. Das gilt für unser Land, das gilt in besonderer Weise für die Länder untereinander, besonders im Verhältnis der reichen zu den armen Ländern. Die Situation kann uns schon bedrücken. Was also ist Gerechtigkeit, wie soll ein gerechtere Welt aussehen, was sind Kriterien für unser Gerechtigkeitshandeln?

Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit dem biblischen Gerechtigkeitsbegriff. Dazu ist das Buch, R. Baumann, Gottes Gerechtigkeit, Verheißung und Herausforderung für diese Welt, Freiburg 1989 lesenswert. Im zweiten Abschnitt wird von der Antike bis zur Neuzeit die Entwicklung des Gerechtigkeitsbegriffes aufgezeigt. Der 3. Abschnitt beschäftigt sich besonders mit den neueren Texten der katholischen Soziallehre vor allem auch unter der Rücksicht der sozialen Gerechtigkeit. Als Lektüre wird empfohlen das römische Schreiben der Bischofssynode 1971 "De justitia in mundo (Gerechtigkeit in der Welt)" siehe auch KAB-Texte. Weiterhin die ökumenischen Texte zum Konziliaren Prozess "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" und von der Deutschen Kommission von Justitia et Pax die Veröffentlichung "Gerechtigkeit für alle - Zur Grundlegung kirchlicher Entwicklungsarbeit" Bonn 1991 Kommission Justitia et Pax, Kaiserstr. 163, 53113 Bonn.

3.2.1 Gerechtigkeit und Frieden küssen sich (Psalm 85,11)
- Gerechtigkeit nach der Bibel

Die Entfaltung des Gerechtigkeitsbegriffs in der Bibel beginnt mit der alten Rechtsprechung am Tor. Die Versammlung der Ältesten am Tor hatte Recht zu sprechen und unter Umständen auch die Strafe der Steinigung zu verhängen (Deuteronomium 17.5;21.9). Auch in Fragen der Leviratsehe (wenn ein Mann ohne einen Sohn stirbt, muss der unverheiratete Bruder die Frau heiraten, um seinem Bruder Nachkommenschaft zu verschaffen) war das Gericht am Tor zuständig (Deuteronomium 25.7).

Allgemeine Rechtsregeln werden entwickelt, wie: sich nicht der Mehrheit beugen, unbestechlich sein, nicht als falscher Zeuge auftreten, den Armen in seinem Recht nicht beugen und einen Fremdling nicht ausbeuten. Gerechtigkeit ist ohne Ansehen der Person, kann aus diesen Sätzen geschlossen werden

Exodus 23

1 Du sollst kein leeres Gerücht verbreiten. Biete deine Hand nicht dem, der Unrecht hat, indem du als falscher Zeuge auftrittst. 2 Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist, und sollst in einem Rechtsverfahren nicht so aussagen, daß du dich der Mehrheit fügst und das Recht beugst. 3 Du sollst auch den Geringen in seinem Rechtsstreit nicht begünstigen.

6 Du sollst das Recht des Armen in seinem Rechtsstreit nicht beugen. 7 Von einem unlauteren Verfahren sollst du dich fernhalten. Wer unschuldig und im Recht ist, den bring nicht um sein Leben; denn ich spreche den Schuldigen nicht frei. 8 Du sollst dich nicht bestechen lassen; denn Bestechung macht Sehende blind und verkehrt die Sache derer, die im Recht sind. 9 Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.

Abraham glaubt an Gott; das bringt ihn ins rechte Verhältnis zu Gott, das rechnet ihm Gott als Gerechtigkeit an. In richtigen Beziehungen zu Gott und den Menschen zu leben, bedeutet gerecht zu sein (Gen 15,6).

Der König wird zum Garant des Rechtes. Das Recht und die Gerechtigkeit werden zu einem sozialen Phänomen. Deshalb hat der König im Auftrag Jahwes die zu schützen, die arm und schwach sind, weil Gott auch ihnen in besonderer Weise Recht schaffen wird. Gott schafft Frieden für das Volk (Psalm 72).

Psalm 72

1 Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König, dem Königssohn gib dein gerechtes Walten!
2 Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit und deine Armen durch rechtes Urteil.
3 Dann tragen die Berge Frieden für das Volk und die Höhen Gerechtigkeit.
4 Er wird Recht verschaffen den Gebeugten im Volk, / Hilfe bringen den Kindern der Armen, er wird die Unterdrücker zermalmen.
5 Er soll leben, solange die Sonne bleibt und der Mond, bis zu den
fernsten Geschlechtern.
6 Er ströme wie Regen herab auf die Felder, wie Regenschauer, die die Erde benetzen.
7 Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen und großer Friede, bis der Mond nicht mehr da ist.

Die Huld Gottes und seine Treue sind dann im Volke da, "Gerechtigkeit und Frieden küssen sich" (Ps85). Die Gerechtigkeit wird zum Begriff für Leben in Fülle. Der König soll im Auftrag Gottes der Garant dafür sein.

In Israel darf nicht das Prinzip gelten, dass nur wenige im Luxus leben. Die Ausbeutung der Schwachen ist nicht im Sinne der Gerechtigkeit Gottes. Im Jubeljahr wird so etwas wie eine egalitäre Gesellschaft gefordert: Jeder soll zu seinem ursprünglichen Grundbesitz zurückkehren.

Levitikus 25

8 Du sollst sieben Jahreswochen, siebenmal sieben Jahre, zählen; die Zeit von sieben Jahreswochen ergibt für dich neunundvierzig Jahre.9 Im siebten Monat, am zehnten Tag des Monats, sollst du das Signalhorn ertönen lassen; am Versöhnungstag sollt ihr das Horn im ganzen Land ertönen lassen. 10 Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr. Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren.

Es geht darum, dass die ursprüngliche Verteilung nach dem Auszug aus Ägypten und dem Einzug in das gelobte Land wiederhergestellt wird. Besitzgleichheit ist angezielt. Dass dies auf diese Weise kaum zu erreichen ist, ist einsichtig. Es gibt auch keine Belege, dass dieses Jubeljahr so jemals durchgeführt wurde, dahinter steckt aber die Idee von sozialer Gleichheit, die eigentlich in Israel herrschen müsste. Landbesitz sollte letztlich Eigentum Gottes bleiben, der Besitz sich nur auf den Ernteertrag beziehen.

Den Einsatz für die Schwachen mahnen die Propheten an, vor allem der Prophet Amos

Amos 5,

5:7 Weh denen, die das Recht in bitteren Wermut verwandeln und die Gerechtigkeit zu Boden schlagen.

5:10 Bei Gericht (wörtlich: Im Stadttor) hassen sie den, der zur Gerechtigkeit mahnt, und wer Wahres redet, den verabscheuen sie.

5:11 Weil ihr von den Hilflosen Pachtgeld annehmt und ihr Getreide mit Steuern belegt, darum baut ihr Häuser aus behauenen Steinen - und wohnt nicht darin, legt ihr euch prächtige Weinberge an - und werdet den Wein nicht trinken. 12 Denn ich kenne eure vielen Vergehen und eure zahlreichen Sünden. Ihr bringt den Unschuldigen in Not, ihr laßt euch bestechen und weist den Armen ab bei Gericht.

13 Darum schweigt in dieser Zeit, wer klug ist; denn es ist eine böse Zeit. 14 Sucht das Gute, nicht das Böse; dann werdet ihr leben, und dann wird, wie ihr sagt, der Herr, der Gott der Heere, bei euch sein. 15 Haßt das Böse, liebt das Gute, und bringt bei Gericht das Recht zur Geltung! Vielleicht ist der Herr, der Gott der Heere, dem Rest Josefs dann gnädig.

Gottes Gerechtigkeit soll nicht nur in Israel herrschen; sie gilt für alle Völker. In den späteren Schriften wird Gerechtigkeit zum Kern des künftigen Heilshandelns Gottes. Gerechtigkeit und Frieden sind die Elemente seiner Herrschaft.

Jesaja 32

15 Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten, und der Garten wird zu einem Wald. 16 In der Wüste wohnt das Recht, die Gerechtigkeit weilt in den Gärten. 17 Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer.

Im Neuen Testament wird dieses Reich in der Erfüllung ins Jenseits verlagert, wenn der Herr den Einsatz für die anfragt, die im Leben auf der Schattenseite gestanden haben Mt 25,31-40. Es ist mit Jesus schon gekommen und verborgen gegenwärtig. Jesus macht dies in Wort und Werk deutlich. Jesus greift die Anliegen der Propheten auf und stellt sich an die Seite der Armen. Er verkündet die Botschaft von dem in ihm angekommenen Reich Gottes. In seinem Reich soll sogar eine größere Gerechtigkeit, (Mt 5,20) herrschen, die letztlich vom Gebot der Liebe getragen ist. Sein Jüngerinnen und Jünger sind aufgerufen, Zeugnis dafür abzulegen, dass das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens schon verborgen da ist. Dazu sind sie erlöst, also befreit. Durch diese Befreiung wird der Mensch frei zur Liebe und damit zum solidarischen Einsatz für eine gerechtere Welt. Die Liebe beinhaltet Motivation und auch Zielrichtung von Gerechtigkeit. So wird der Einsatz des Christen für das Reich Gottes deutlich, das mit Jesus angebrochen ist. Er sagt in der Bergpredigt seinen Jüngern:

Matthäus 6

33 Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.

Es wird das verheißene Reich der Gerechtigkeit. und des Friedens für alle sein, die sich hier auf dieser Welt schon dafür eingesetzt haben, dass Gerechtigkeit und Frieden herrscht und den Armen und Schwachen geholfen wird. Damit geschieht das Gegenwärtigsetzen Gottes in dieser Welt, wie es der Messias zu denen auf seiner Rechten sagt:

Matthäus 25

40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Wer gerecht handelt, handelt nicht nur im Sinne des gerechten Gottes, sondern er erfährt auch die Gegenwart Gottes in seinem Handeln in dieser Zeit. Das in Jesus gekommene Reich Gottes und mit ihm seine umfassende Gerechtigkeit, im Sinne der Gott gewollten Ordnung wird erfahrbar. Gerechtigkeit heilt die Kranken, stützt die Schwachen, lässt auch die geringen Gerechtigkeit erfahren und schafft ein Reich des Friedens.

3.2.2 Gerechtigkeit im antiken Verständnis

Die Gerechtigkeit wird seit der Antike in einem doppelten Sinn aufgefasst. Sie ist zuerst eine Tugend des einzelnen. Dann ist sie aber auch der gerechte Zustand einer Gesellschaft. In dieser Form wird der Begriff in der Moral und in der Rechtsphilosophie gebraucht.

Der Begriff der individuellen Gerechtigkeit, hat zwar ursprünglich in der Antike auch religiösen Charakter, wird aber später zur Tugend des Bürgers, in Rechtschaffenheit und Pflichterfüllung zu leben. Aristoteles (384-322 vor Christus) vor allem hat diesen Begriff deutlich herausgearbeitet als Grundlage aller Tugenden, aber auch zugleich als eine Einzeltugend neben den anderen drei Kardinaltugenden der Klugheit, des Maßes und der Tapferkeit. Durch die Tugend der Gerechtigkeit erhält jeder das Seine, wie es das Gesetz vorschreibt. Dies wird aber nicht positivistisch gedeutet, sondern muss sich daran messen lassen, was "von Natur aus gerecht" ist. Ungerechtigkeit. bedeutet demnach Ungleichheit, das Gleiche Gerechtigkeit. Daraus ergibt sich die Grundforderung der Gerechtigkeit Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Die Gerechtigkeit gegeneinander wird die "ausgleichende", die gegenüber der Gemeinschaft die "austeilende" Gerechtigkeit genannt. Recht muss für alle gelten und für alle gleichermaßen, Allgemeinheit und Gleichheit des Rechts sind ein Schutz für alle Menschen. Gerecht ist nicht einfach, dass was in einem Gesetz steht, das wäre eine positivistische Rechtsauffassung die bis in unserer Tage vertreten wird. Nach dieser Auffassung ist eine Gesetz nicht mehr darauf zu befragen, ob es gerecht ist. Eine Gerechtigkeit als solche gibt es für diese Auffassung gibt es nicht. Naturrecht macht deutlich, dass Gerechtigkeit im Wesen des Menschen und seinem Umgehen mit anderen begründet ist und nicht einfach von Machthabern willkürlich gesetzt werden kann.

Sowohl die Tugend des einzelnen als auch die gerechte, vom Staat zu wahrende Ordnung werden zu den beiden Grundpfeilern der Gerechtigkeit auch im römischen Denken. Dieses Verständnis von Gerechtigkeit wird nicht aus der Offenbarung, sondern aus der Vernunft abgeleitet.

3.2.3 Gerechtigkeit in der Theologie des Mittelalters und von da ausgehend

Dieser antike Gerechtigkeitsbegriff fließt sehr stark in das Denken der Theologie ein. Die Offenbarung gibt dazu eher kritische Korrekturen ab. Eine eigene Rolle spielt der Begriff der Gerechtigkeit, die Gott den Menschen schafft. wie z.B. im Ansatz des Paulus beschrieben. Hier wird die kommende Gerechtigkeit angesprochen, die im Glaubenden schon da ist. Dazwischen liegt der angestrebte gesellschaftliche Zustand der Gerechtigkeit. Thomas von Aquin ( 1225-1274) der bis ins 20. Jahrhundert hinein bestimmend für diese Fragen war hat im 13 Jahrhundert eine intentensive Aristotelesrezeption (Aufnahme seiner Gedanken) betrieben, deshalb haben die antiken Überlegungen eine solche große Bedeutung in der gesamten Theorie von Recht und Gerechtigkeit erhalten.

Im Naturrechtsdenken, das vor allem nach dem Mittelalter entstand, wird die Gerechtigkeit in der Natur verankert: vorwiegend geschieht dies außerhalb der Theologie und mehr in der Rechtsphilosophie. Es kommt zu Interpretationen der Natur, die wir heute nicht mehr nachvollziehen können. So wurde auch die ständische Gesellschaftsordnung (Ordnung nach Berufsständen) als naturgemäß bezeichnet. Wichtig für diesen Ansatz ist aber, dass er Rechte des Menschen formuliert, die in der Natur begründet sind. Die katholische Theologie hat diese neuere Naturrechtslehre aufgegriffen, mit Gedanken von Thomas von Aquin verbunden und lange verteidigt. Auch heute noch wird diese Auffassung vertreten. In der Naturrechtslehre beginnt eine intensive Diskussion der Menschenrechte.

3.2.4 Entfaltung in der Moderne

Der Umbruch im Denken weg von einer objektiven Ordnung hin zum einzelnen Menschen zum Subjekt mit seiner Würde und seinen Rechten ist der entscheidende Ansatz des Denkens der Moderne. In der Revolution in Frankreich und den Befreiungskämpfen der USA werden diese zur Grundlage der neuen Verfassungen. Gerechtigkeit ist nicht mehr begründet in einer heiligen Staatsordnung und dort von einem durch Gottes Gnade eingesetzten Herrscher ausgelegt, sondern ist begründet in den Menschen selbst. Sie haben auch das Recht zur Auslegung. Die amerikanische Verfassung konnte auf englische Traditionen zurückgreifen, während die Französische Revolution Naturrecht nicht mehr in Gott und damit theologisch, sondern im Menschen und in der Vernunft begründet sieht. Im Grunde werden aber auch in den Prinzipien der Französischen. Revolution Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit alte biblische Traditionen aufgegriffen. Der souveräne Staat, als Rechtsstaat konzipiert, wird zum Garant der Gerechtigkeit für seine Bürger. In der neueren Entwicklung wird das Menschenrecht zum Völkerrecht. Bei der Erklärung der Menschenrechte von 1948 wird mehr die individuelle, auf den Freiheitsrechten der Person begründete Tradition weiterentwickelt. Deklarationen von sozialen Rechten haben bisher keine allgemeine Anerkennung gefunden. Diese lagen wohl aus dem Blick der westlichen Länder mehr in der Tradition des Sozialismus. Solche Gedanken werden aber gerade in der Phase der Globalisierung immer wichtiger. Es bedarf neuer Anstrengungen, um die sozialen Rechte für alle Menschen zu definieren und noch mehr Anstrengung diese umzusetzen. Die Tugend der Gerechtigkeit muss auf globale Gerechtigkeit muss hin weiter entwickelt werden.

Insgesamt müsste der Gedanke Kants (1724-1804), dass eine Menschenrechtsverletzung, gleich wo sie geschieht, alle angeht, mehr Platz greifen. Hier müsste Volkssouveränität ihre Grenze haben. Das stellt die Frage nach einer weltweiten Organisation, die in der Lage ist, eine Ordnung der Gerechtigkeit. in der Welt für alle zu begründen und mit zu gestalten. Das fordert ja auch immer wieder die neuere katholische Soziallehre.

Es gibt verschiedene Theorien darüber, was Gerechtigkeit sei. Von großen Denkern, die sich damit auseinandergesetzt haben, wird meistens Gerechtigkeit als Gleichheit definiert: so sehen es auch die meisten Hochreligionen. J. Rawls hat zu einer Theorie der Gerechtigkeit. zwei Grundsätze aufgestellt:

"Jedermann soll gleiches Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen System für alle anderen verträglich ist. ... Soziale und wirtschaftliche Grundfreiheiten sind so zu gestalten. daß (a) vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen, und (b) sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen« (J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt 1979, 81f.).

3.2.5. Die Entfaltung des Gerechtigkeitsbegriffes in der katholischen Soziallehre bis hin zur sozialen Gerechtigkeit

Die Tugend der Gerechtigkeit. hat in der kath. Moral immer einen hohen Stellenwert gehabt. In einer Zeit wachsender Individualisierung und weltweiter Verarmung ist diese besonders herausgefordert. Es geht vor allem auch um die Einlösung einer sozialen Gerechtigkeit. Als erster benutzte den Begriff der "sozialen Gerechtigkeit" der sizilianische Priester Taparelli d´Azeglio in seinem Werk Saggio teoretico di diritto naturale appoggiatio sul fatto (1840).

Seit der Enzyklika »Rerum novarum«, 1891 von Leo XIII. (Papst v, 1878-1903) veröffentlicht, wird die soziale Gerechtigkeit zunehmend Teil der sittlichen Botschaft der Kirche. Sie ging ja von den Unrechtsverhältnissen gegenüber den Arbeitern zu Beginn der Industrialisierung aus.

88...Höhere und edlere Kräfte müssen es sein, die die wirtschaftliche Macht in strenge und weise Zucht nehmen: die soziale Gerechtigkeit und die soziale Liebe! Darum müssen die staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen ganz und gar von dieser Gerechtigkeit durchwaltet sein; vor allem aber tut es not, daß sie zur gesellschaftspolitischen Auswirkung kommt, d.h. eine Rechts- und Gesellschaftsordnung herbeiführt, die der Wirtschaft ganz und gar das Gepräge gibt. Seele dieser Ordnung muß die soziale Liebe sein; die öffentliche Gewalt aber hat sie kraftvoll zu schützen und durchzusetzen, was sie um so leichter vermag, wenn sie sich jener Belastungen entledigt, die, wie oben dargelegt, ihr wesensfremd sind.

Die soziale Gerechtigkeit, beseelt von der sozialen Liebe, muss Regulativ der Wirtschaft sein, denn ein Selbststeuerung der Wirtschaft kann sie sich nicht geben. Dies geht bis zu zwischenstaatlichen Absprachen, damit unter den Völkern eine gedeihliche wirtschaftliche Zusammenarbeit gefunden wird.

Mit der Weihnachtsbotschaft Pius XII. (Papst v. 1939-1958) begann 1944 die Rezeption des Begriffs der Menschenwürde in die offizielle katholische Soziallehre. Damit wird sie in ihren Begründungszusammenhängen noch deutlicher für alle Menschen konzipiert. Sie begründet über die Menschenrechte neu den Einsatz für Gerechtigkeit.

Seit »Mater et magistra« http://www.stjosef.at/CSL/   (Johannes XXIII. (Papst v. 1958-1963), 1961) kommen die Probleme der weltweiten Ungerechtigkeit. mehr und mehr in den Blick der Soziallehre. Die Armutsschere kann nicht akzeptiert werden. Ständig wachsender Reichtum der schon reichen Nationen kann nicht hingenommen werden. solange noch Hunderte von Millionen Menschen um ihre Grundbedürfnisse ringen müssen. In der Theologie der Befreiung wurde der Begriff der grundsätzlichen Option der Kirche für die Armen eingeführt, der inzwischen in der Soziallehre Allgemeingut geworden ist. Es geht jetzt darum, Strategien zu entwickeln, wie diese Ungerechtigkeit zu Gunsten von mehr Gerechtigkeit für die Armen der Welt geändert werden kann, national und international. Hier werden die Ansätze der Bibel wieder deutlich. Dazu bedarf es einer Förderung der Tugend der Gerechtigkeit und deren Zuschärfung auf das Unrecht im sozialen Bereich und der Entwicklung von gerechteren Strukturen in der National- wie Weltgesellschaft.

"157. Eine der größten unserer Zeit gestellten Aufgaben ist wohl diese, zwischen den wirtschaftlich fortgeschrittenen und den wirtschaftlich noch in Entwicklung begriffenen Ländern die rechten Beziehungen herzustellen. Während die einen im Wohlstand leben, leiden die andern bittere Not. Wenn nun die wechselseitigen Beziehungen der Menschen in allen Teilen der Welt heute so eng geworden sind, daß sie sich gleichsam als Bewohner ein und desselben Hauses vorkommen, dann dürfen die Völker, die mit Reichtum und Überfluß gesättigt sind, die Lage jener anderen Völker nicht vergessen, deren Angehörige mit so großen inneren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, daß sie vor Elend und Hunger fast zugrunde gehen und nicht in angemessener Weise in den Genuß der wesentlichen Menschenrechte kommen. Dies um so weniger, als die Staaten täglich mehr voneinander abhängig werden und ein dauerhafter und segensreicher Friede nicht gewährleistet ist, wenn die wirtschaftliche und soziale Lage des einen von der des andern allzu stark abweicht.

161. Wenn offenbar manche Völker Überfluß haben an Nahrungsmitteln, namentlich an Stapelprodukten, während in anderen Ländern breite Volksmassen Hunger und Not leiden, dann fordern Gerechtigkeit und Menschlichkeit, daß die Überschußländer den Mangelgebieten zu Hilfe kommen. Lebensnotwendige Güter einfach zu vernichten oder sonstwie zu vergeuden verstößt unter solchen Umständen gegen Gerechtigkeit und Menschlichkeit.

164. Das Bewußtsein der Verpflichtung, jenen Völkern, die über wenig Mittel und eine unzureichende Ausstattung verfügen, Entwicklungshilfe zu leisten, hat - Wir verkennen das nicht - in den letzten Jahren weite Kreise ergriffen.

165. In diesem Sinne bemühen sich internationale und nationale Institutionen, ebenso private Unternehmen und Gesellschaften. Wir sehen, wie sie jenen Ländern in immer großzügigerer Weise ihren Beistand gewähren, indem sie ihnen leistungsfähigere Produktionsverfahren vermitteln."

Noch ist die unmittelbare Hilfe als erstes angesagt, aber es werden auch schon Ansätze zur Entwicklungshilfe deutlich. Der Gerechtigkeit erschließt sich ein neues Feld.

Das Zweite Vatikanische Konzil wird in der Pastorale(n) Konstitution über die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes) http://www.stjosef.at/CSL/   schon deutlicher. Die Entwicklungshilfe wird zu einem Auftrag aus der Gerechtigkeit. Es geht darum, allzu große Unterschiede abzubauen.

"66. (Abbau übergroßer sozialökonomischer Unterschiede) Um den Erfordernissen von Gerechtigkeit und Billigkeit Genüge zu tun, müssen ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um - unbeschadet der Rechte der menschlichen Person und der besonderen Veranlagung jedes einzelnen Volkes - die übergroßen und noch weiter zunehmenden Ungleichheiten der wirtschaftlichen Lage und die damit Hand in Hand gehende persönliche und soziale Diskriminierung möglichst rasch abzubauen."

Damit wird eine Aussage der sozialen Gerechtigkeit die besagt, dass allzu große Unterschiede nicht zulässig seien, auf die Ebene zwischen den Völkern übertragen. Diese Formulierung ist zwar sehr offen, aber das Konzil wusste auch, dass absolute Gleichheit kaum zu verwirklichen ist. Damit wurde ein pragmatischer Weg gewählt. Es geht um eine neues Verständnis der Menschen untereinander, Solidarität ist weltweit. Dazu führt die Enzyklika Populorum progressio (Fortschritt der Völker) http://www.stjosef.at/CSL/  aus:

"Um eine solidarische Entwicklung der Menschheit

43. Die allseitige Entwicklung des Einzelmenschen muß Hand in Hand gehen mit der Entwicklung der gesamten Menschheit; beide müssen sich wechselseitig unterstützen. Wir sagten in Bombay: "Der Mensch muß dem Menschen begegnen. Die Völker müssen sich als Brüder und Schwestern begegnen, als Kinder Gottes. In diesem gegenseitigen Verstehen und in dieser Freundschaft, in dieser heiligen Gemeinschaft müssen wir mit dem gemeinsamen Werk und der gemeinsamen Zukunft der Menschheit beginnen47." Deshalb schlugen Wir vor, konkrete Mittel und praktische Formen der Organisation und Zusammenarbeit zu suchen, um die verfügbaren Hilfsmittel gemeinsam zu nutzen und so eine echte Gemeinschaft unter den Völkern zu stiften.

44. Diese Pflicht betrifft an erster Stelle die Begüterten. Sie wurzelt in der natürlichen und übernatürlichen Brüderlichkeit der Menschen, und zwar in dreifacher Hinsicht: zuerst in der Pflicht zur Solidarität, der Hilfe, die die reichen Völker den Entwicklungsländern leisten müssen; sodann in der Pflicht zur sozialen Gerechtigkeit, das, was an den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den mächtigen und schwachen Völkern ungesund ist, abzustellen; endlich in der Pflicht zur Liebe zu allen, zur Schaffung einer menschlicheren Welt für alle, wo alle geben und empfangen können, ohne daß der Fortschritt der einen ein Hindernis für die Entwicklung der anderen ist. Diese Angelegenheit wiegt schwer; von ihr hängt die Zukunft der Zivilisation ab."

Entwicklungshilfe ist nicht eine Frage der Beliebigkeit, sondern der Pflicht auch aus der sozialen Gerechtigkeit heraus. Entwicklung ist der neue Name für Friede betont der Papst (76) Ein Knäuel von Ungerechtigkeiten bildet nach dem Brief der römischen Bischofssynode 1971 das Kernproblem unserer Zeit (20). Die entstehende Weltgesellschaft braucht unsere Dienste, um die Ungerechtigkeit zu überwinden. Es geht um eine Botschaft der Befreiung, die die Kirche zu verkünden hat. Ungerechtigkeiten müssen aufgehoben werden. Befreiung, Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden gehören zur Evangelisation der Kirche (Evangelii nuntiandi 1975 Nr. 30).

Die Deutsche Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden) hat 1991 einen Text mit dem Thema "Gerechtigkeit für alle, Zur Grundlegung kirchlicher Entwicklungsarbeit" herausgegeben. Die Gerechtigkeit fordert ihrer Auffassung nach den Austausch zwischen reichen und armen Ländern so zu organisieren, dass die am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil davon haben. Grundlage jeglicher sozialer Gerechtigkeit sind die Menschenrechte, die eine gleich Würde für alle begründen. Sie sind die letzte Begründung jeder Entwicklungshilfe und verpflichtet vor allem Christen zu solidarischem Handeln. Dadurch bezeugen Christen ihre Hoffnung auf die Vollendung der Welt durch Gott. Daraus folgt, dass es für die Entwicklungsarbeit eine vorrangige Entwicklung für die Armen gibt. Ziel ist es, menschenwürdige Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. Eine entwicklungspolitische Strategie muss diese Armenorientierung sein.

Bei der Ausgestaltung von Entwicklungspolitik und Entwicklungsprozessen schlägt die Kommission folgende Grundsätze vor (4.2.2):

"(1) Ziel des Entwicklungsprozesses ist die Herstellung menschenwürdiger Verhältnisse für alle. Eine zentrale Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit ist deshalb die Bekämpfung der Armut sowohl in ihren materiellen wie in ihren nicht-materiellen Dimensionen.

(2) Sämtliche Maßnahmen der Entwicklungspolitik und Entwicklungsarbeit sind daraufhin zu überprüfen und daran zu messen, welche Auswirkungen sie für die Armen haben. Das auch weiterhin notwendige wirtschaftliche Wachstum muß in erster Linie ihnen zugute kommen. Andere, nicht unmittelbar entwicklungsbezogene Maßnahmen der Außenpolitik, der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Verteidigungspolitik usw. sowie der wirtschaftliche, wissenschaftliche, kulturelle und sonstige gesellschaftliche Austausch müssen sich nach den Folgen für die Armen befragen und beurteilen lassen.

(3) Selbsthilfe und Partizipation der Armen stellen unverzichtbare Grundsätze in der Entwicklungszusammenarbeit dar. Das heißt zum einen: Konkrete Projekte sind so auszugestalten, daß sie die Selbsthilfe der Armen ermöglichen und fördern. Zum andern: Nicht unmittelbar projektbezogene Maßnahmen, wie etwa die Handelspolitik, müssen nicht zuletzt von dem Ziel bestimmt sein, die Handlungsspielräume der Armen zu erweitern und ihnen Chancen zu eröffnen, ihre kreativen Fähigkeiten zur Besserung der eigenen Lage zu nutzen. Nur wo es gelingt, die Selbsthilfe der Armen zu aktivieren, können dauerhafte Entwicklungsfortschritte erzielt werden.

(4) Ein stabiler Entwicklungsprozeß läßt sich nur erreichen, wenn die unmittelbar bei den Armen ansetzende Projektarbeit durch Maßnahmen ergänzt wird, die auf eine Beseitigung der Ursachen der Armut zielen, mögen diese im Gesellschafts- und Wirtschaftssystem eines Landes oder in den Auswirkungen des Weltwirtschaftssystems liegen. Solche Maßnahmen, die bei den strukturellen Gründen der Armut ansetzen, werden um so mehr zum Erfolg führen, je mehr sie die Handlungsmöglichkeiten der Armen sichern und erweitern."

Der ökumenische konziliare Prozess der Kirchen hat durch seine Texte und die Versammlungen in Stuttgart 1988, Dresden/Magdeburg/Dresden 1988/89, Basel 1989 und Seoul 1990 diese Themen verstärkt in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Es wird von einer globalen Krise der Menschheit gesprochen, die Probleme müssen zusammen gesehen werden. Christen müssen zusammenarbeiten, um eine gemeinsame Antwort auf die Bedrohungen zu geben. Eine gerechte Entwicklung der Welt führt zum Frieden und schließt die Schöpfung mit ein. Wenn diese zerstört ist, dann wird es auch keine Entwicklung zu Gerechtigkeit geben. Gerechtigkeit ist eingebettet in einen größeren Zusammenhang von Frieden, Entwicklung und Ökologie.

3.2.5. Eine Handlungsmaxime für Christen

Eine römische Bischofssynode formulierte 1987 den Zusammenhang von christlicher Spiritualität und Gerechtigkeit wie folgt:

"Der Heilige Geist lässt uns immer klarer erkennen, dass Heiligkeit heute den Einsatz für Gerechtigkeit und die Solidarität mit den Armen und Unterdrückten erfordert. Die Umgestaltung der Gesellschaft nach dem Plan Gottes gehört zur wahren Heiligkeit der Christgläubigen."

Dadurch wird Soziallehre für mehr soziale Gerechtigkeit praktisch. Es geht darum, an einer Stelle zu beginnen, für mehr Gerechtigkeit einzutreten, wo wir sie nicht gewährleistet sehen.

3.3 Am Beispiel Schuldenerlass

3.3.1 Eine Idee wird auf den Weg gebracht

Erlaßjahr 2000 - Entwicklung braucht Entschuldung - Internationale Kampagne für einen Schuldenerlass zugunsten der armen Staaten, so lauten die Grundthemen der Aktion Erlaßjahr. Mitte September 1997 wurde während einer Tagung in Wuppertal die Gründung der Kampagne "Erlaßjahr 2000 - Entwicklung braucht Entschuldung" beschlossen. Die mehr als 50 anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfswerken, entwicklungspolitischen Initiativen und kirchlichen Verbänden verlangen eine umfassende und endgültige Lösung der Schuldenkrise. Sie forderten die Durchsetzung von zwei Hauptpunkten: "Einen weitreichenden Schuldenerlaß für die armen Länder der Erde im Jahr 2000", sowie: "Die völkerrechtlich verbindliche Neugestaltung internationaler Finanzbeziehungen im Sinne eines fairen Interessenausgleichs zwischen Schuldnern und Gläubigern (‘Internationales Insolvenzrecht’)". beschreibt detailliert, wie beide Ziele bis zur Jahrtausendwende erreicht werden können.

3.3.2 Der Schuldenerlass

3.3.2.1 Was bringt er für die betroffenen Länder

21 Millionen Kinder können durch den Schuldenerlass gerettet werden. Was das Zögern der damaligen Bundesregierung und der anderen Industrienationen in der Frage eines Schuldenerlasses für die Betroffenen bedeutet, läßt sich im "Bericht über die menschliche Entwicklung" 1997 des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) nachlesen: "Die hoch verschuldeten armen Länder brauchen die Schuldenerleichterung sofort und nicht irgendwann in der Zukunft. Eine spürbare Erleichterung für die 20 am stärksten verschuldeten Länder würde zwischen 5,5 und 7,7 Milliarden Dollar kosten; dies ist weniger als der Preis eines einzigen Stealth-Bombers oder ungefähr genausoviel wie der Bau des Vergnügungsparks Eurodisney in Frankreich gekostet hat. Diese geringen finanziellen Kosten stehen in scharfem Gegensatz zu den erschreckend hohen menschlichen Kosten weiterer Untätigkeit. Die Gruppe der Sieben (G7) und die Bretton-Woods-Institutionen sollen sich das Ziel setzen, die Schuldenkrise der ärmsten Länder bis zum Jahr 2000 zu lösen. Dies müßte jedoch von speziellen Maßnahmen begleitet sein, um die Schuldenverringerung in eine Verringerung der Armut umzuwandeln und die Prioritäten der betreffenden Länder auf die Ziele der menschlichen Entwicklung auszurichten. Wenn die hochverschuldeten Länder von ihren jährlichen Schuldenrückzahlungen befreit würden, könnten sie diese Mittel für Investitionen einsetzen, die allein in Afrika bis zum Jahr 2000 das Leben von rund 21 Millionen Kindern retten und 90 Millionen Mädchen und Frauen den Zugang zu elementarer Bildung sichern könnten."

3.3.2.2 Der Weg zum Erlass

Die Britische Regierung ging in die richtige Richtung. Vor diesem Hintergrund ist es um so bedeutender, dass der britische Schatzkanzler Brown, also einer der Finanzminister der wichtigsten Gläubigerstaaten, einen massiven Schuldenerlaß fordert. Bei einem Treffen der Finanzminister der Commonwealth-Staaten schlug er ein ganzes Bündel von konkreten Maßnahmen vor. Er regt in einem "Debt 2000" genannten Aktionsprogramm beispielsweise an, dass bis zur Jahrtausendwende für mindestens 75 Prozent der armen Staaten das Verfahren zum vollständigen oder weitgehenden Erlaß der Schulden dieser Länder beim Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und anderen öffentlichen Gläubigern in Gang gesetzt worden sein soll. Dabei nimmt er ausdrücklich die im sogenannten Pariser Club zusammengeschlossenen wichtigsten Gläubigerländer, zu denen auch Deutschland gehört, in die Pflicht. Er fordert diese auf, je nach Situation im Schuldnerland auch mehr zu erlassen als die bisher geltende Höchstgrenze von 80 Prozent der Schulden.

Wie zu erwarten, wurden damals die Vorschläge Browns von den anderen Hauptgläubigerstaaten abgelehnt. Deutschland spielte lange eine unrühmliche Vorreiterrolle bei der Verhinderung von Maßnahmen zur Entschuldung der armen Staaten, dabei hatte unser Land die Bedeutung eines Schuldenerlasses erfahren.

3.3.2.3 Deutschland hat selbst beste Erfahrungen mit Schuldenerlass

Dabei müsste gerade die Regierung der Bundesrepublik Deutschland sehr sensibel auf die Forderungen nach einem Erlass untragbarer Schulden reagieren. Auch das kriegszerstörte Westdeutschland konnte in den Nachkriegsjahren seine Schulden nicht bedienen. Daher wurden 1953 in einer umfassenden Lösung alle Vorkriegs- und Nachkriegsschulden bei Staaten, Privatbanken sowie aus Anleihen bei Privatanlegern in einem Vertrag geregelt.

Vertreter aus 20 Gläubigerstaaten, der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sowie private Gläubiger waren bereit, die Schulden Deutschlands nach einer Begutachtung der ökonomischen Leistungsfähigkeit des Landes, neu festzulegen.

In den "Richtlinien für die Ausarbeitung der Empfehlungen" für die Londoner Konferenz heißt es, der Plan solle die allgemeine Wirtschaftslage der Bundesrepublik berücksichtigen und "er darf weder die deutsche Wirtschaft durch unerwünschte Auswirkungen auf die innere Finanzlage aus dem Gleichgewicht bringen noch vorhandene oder künftige deutsche Devisenquellen über Gebühr in Anspruch nehmen". Ziel des Vertrages sei, so ein Absatz des Schlußtextes, einen Beitrag zur Entwicklung einer blühenden Völkergemeinschaft zu leisten.

Letztendlich wurden die Zinsen und Zinseszinsen - nach Schätzungen rund 14,6 Mrd. DM - auf nicht mehr bediente Vorkriegsschulden bereits vorab weitgehend erlassen. Auch von der verhandelten Summe der verbliebenen Vorkriegs- und Nachkriegsschulden in Höhe von 29,7 Mrd. DM wurden rund 50 Prozent erlassen. Die verbleibende Restschuld in Höhe von 14,45 Mrd. DM wurde zinsfrei bzw. zu niedrigen Zinsen (2,5 bzw. 4-5,5 %) umgeschuldet.

Die verbliebenen Schulden erwiesen sich als gut tragbar und ermöglichten eine solide Finanzplanung. Die BRD wurde wieder zu einem berechenbaren Kreditnehmer auf den internationalen Finanzmärkten und erhielt frisches Geld.

Diese Behandlung Deutschlands steht im starken Gegensatz zur Haltung der Bundesregierung zu den heute verschuldeten Ländern. Dort folgte Bonn der zweifelhaften Logik der internationalen Finanzinstitute, die eine Schuldendienstquote von jährlich 20-25 % der Exporterlöse für tragfähig und entwicklungsverträglich halten. Die vorgesehenen Zahlungen für die BRD lagen dagegen bereits 1952 mit 3,35% weit unter dieser Quote. Inzwischen hat sich die Haltung der Bundesregierung (Berlin) verbessert.

3.3.2.4 Wer wird entschuldet?

Wer von den hochverschuldeten armen Ländern entschuldet werden will muss Gesamtschulden haben, die über 200-250% der Exporterlöse liegen und der Schuldendienst über 20-25% der Exporterlöse liegt. Das pro-Kopf-Einkommen darf 785$ nicht überschreiten (Etwa 120 DM im Monat) Die "Kölner Schuldeninitiative" sieht eine deutliche Erweiterung der "HIPC-Initiative" vor (HIPC II). Die G7-Regierungen beschlossen beim Weltwirtschaftsgipfel in Köln im Juni 1999, die Belastbarkeitsgrenze (150%) der Länder für die Rückzahlung ihrer Schulden weiter zu senken. Mittelfristig werden die Schulden von bis zu 36 Staaten zum Teil erlassen.

Nicht zuletzt durch den Druck der Erlassjahr-Kampagnen in aller Welt wurde auch eine Reform der Bedingungen für Schuldenerlasse angestoßen. Die Bindung von Erlassen an die Durchführung von Armutsbekämpfungsprogrammen und die Einbeziehung weiter Teile der Zivilgesellschaft in die Formulierung dieser Programme berühren zentrale Schwächen der bisherigen Strukturanpassungsprogramme.

Was ist die "HIPC-Initiative"? Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds haben 1996 erstmals den Vorschlag gemacht, dass eine Gruppe von hochverschuldeten armen Ländern im Rahmen der "HIPC-Initiative" einen Schuldenerlass bekommen soll, der alle Kredite einbezieht: bilaterale Schulden bei Staaten, multilaterale Schulden gegenüber den multinationalen Entwicklungsbanken (vor allem dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank), Schulden bei privaten Banken.

Wer zählt zu den "HIPC-Staaten"(Hoch verschuldete arme Länder)? Angola, Äquatorial-Guinea, Äthiopien, Benin, Bolivien, Burkina Faso, Burundi, Cote d'Ivoire, Demokratische Republik Kongo, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Guayana, Honduras, Kamerun, Kenia, Kongo, Laos, Liberia, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mosambik, Myammar, Niger, Nikaragua, Ruanda, Sambia, Sao Tomé und Principe, Senegal, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Tansania, Togo, Tschad, Uganda, Vietnam, Yemen, Zentralafrikanische Republik.

Welche Staaten sollen wann entschuldet werden? (Vorläufige Angaben!) Zur Zeit stehen an: Bolivien, Mauretanien, Uganda. Bis April 2000 sollen folgen: Benin, Burkina Faso, Mali, Mosambik, Senegal, Tansania. Bis Dezember 2000 sollen folgen: Äthiopien, Cote d'Ivoire, Guayana, Guinea, Guinea-Bissau, Honduras, Kamerun, Laos, Malawi, Niger, Nikaragua, Ruanda, Sambia, Sierra Leone, Tschad. Noch kein Zeitplan steht fest für: Angola, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Ghana, Kongo, Liberia, Madagaskar, Myammar, Somalia, Sudan, Togo, Zentralafrikanische Republik. Aufgrund einer laut HIPC-Definition tragfähigen Verschuldung sollen folgende Staaten keinen Erlass erhalten: Äquatorial-Guinea, Kenia, Sao Tomé und Principe, Vietnam, Yemen.

2.3.3.2.4 Die Bildung von Gegenwertfonds

Wichtig ist, dass die Länder und die Betroffenen dort selbst aktiv werden. Es müssen für erlassenen Schulden Gegenwertfonds gebildet werden, die dazu beitragen, dass das Bildungs- und Sozialwesen, sowie die Basiswirtschaft dort wieder funktioniert oder erst aufgebaut werden kann. Dazu bedarf es örtlicher Initiativen. Eine Bürgergesellschaft, wie wir sie selbtverständlich haben, muss dort erst aufgebaut werden. Diese Gegenwertfonds müssen beim Erlass festgeschrieben und deren Erfüllung kontrolliert werden. In Köln haben die Schuldnerländer dies grundsätzlich eingesehen.

3.3.2.5 Aktivitäten der verschuldeten Länder am Beispiel Bolivien

Die Aktion Erlassjahr und ihre Beteiligten bilden deshalb ein internationales Netzwerk, so auch mit Bolivien. Bereits im November - als die Beschlüsse vom Jahrestreffen der Weltbank und des IWF vorlagen - haben die bolivianischen Bischöfe eine weitreichende Entscheidung getroffen: Angesichts des geforderten Konsultationsprozesses für die "Armutsbekämpfungsstrategie" beschlossen sie, nicht allzu sehr auf den angekündigten "Nationalen Dialog" der Regierung zu vertrauen, sondern selbst die gesellschaftlichen Gruppen zum Gespräch einzuladen. Das Forum "Erlassjahr 2000" wird in allen neun Regionen Boliviens stattfinden und schliesslich in einem nationalen Forum zum Abschluss kommen.

"Wir wollen den Dialog unter allen gesellschaftlichen Gruppen fördern, wichtige Akteure gerade in den Provinzen zu Wort kommen lassen und mögliche Prioritäten in der Armutsbekämpfung identifizieren", erklärt Juan Carlos Nuñez aus dem Koordinierungsteam "Jubileo 2000".

Der erste "Nationale Dialog" in Bolivien vor zweieinhalb Jahren ist zum einen gescheitert, weil die Regierung gar keine Vorschläge haben wollte, nicht rechtzeitig informierte und danach keine Kontrollmöglichkeit für die Umsetzung der Beschlüsse bestand. Aber andererseits hatten die gesellschaftlichen Gruppen auch nichts zu bieten: Sie kamen mit leeren Händen zum Dialog und genau so sind sie wieder gegangen.

Es werden Foren eingerichtet. Die Foren sollen helfen, dass das dieses Mal anders wird. Sie sollen es den gesellschaftlichen Gruppen ermöglichen, gemeinsame Forderungen mit mehr Druck gegenüber der Regierung vorzubringen. In acht Arbeitsgruppen sollen die zentralen Themen auf den Foren behandelt werden:

1.Wirtschaftspolitik und Strukturanpassung: In diesem Bereich soll der Armutsbekämpfungsplan der Regierung analysiert werden sowie die strukturellen Rahmenbedingungen, die für eine effektive Armutsbekämpfung nötig sind; 2. Partizipation und Menschenrechte, wo es vor allem um die Erarbeitung effektiver Kontrollmechanismen in mittelfristiger Perspektive geht; 3. - 5. Entwicklung der ausgegrenzten städtischen Bereiche mit drei Arbeitsgruppen zu Bildung und Erziehung (3), Gesundheitsdienste (4) und Produktivität/Arbeit (5); 6. - 8. und ländliche Entwicklung ebenfalls mit diesen drei Arbeitsgruppen (6-8).

Im besten Fall sollen aus diesen Arbeitsgruppen so etwas wie Runde Tische entstehen, die langfristig an der Kontrolle und Einhaltung des Armutsreduzierung beteiligt sind. "Wir brauchen in Bolivien effektive Mechanismen sozialer Kontrolle - wenn es uns gelingt, mit den Foren einen Schritt in diese Richtung zu tun, ist das mehr wert als die erlassene Summe", davon ist Juan Carlos Nuñez überzeugt. Außerdem geht es im Armutsbekämpfungsplan nicht nur um die freigewordenen Mittel, sondern um die gesamten Sozialausgaben.

Ein Netzwerk entstand. Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung ist der Kampagne bereits gelungen: War die Etappe der Unterschriften vor allem eine Initiative der katholischen Kirche, haben die Bischöfe jetzt alle gesellschaftlichen Gruppen eingeladen, Mitveranstalter der Foren zu werden - und die ersten Zusagen von Gewerkschaften, Nicht-Regierungsorganisationen und Arbeitgebern liegen bereits vor. Von der Federführung der Kirche erhoffen sich viele, dass es in den Foren zu einem echten Dialog kommt und nicht nur zu einer Showveranstaltung gegenüber den internationalen Geldgebern. Erst im Dezember hat eine Umfrage ergeben, dass die katholische Kirche an erster Stelle der Glaubwürdigkeit im Land steht. Auch die bolivianische Regierung weiß, dass die Kirche eine Schlüsselposition im Dialog mit der Gesellschaft hat. Deshalb wollte sie auch die Kirche im Organisationskomitee für den "Nationalen Dialog" haben, der Ende Mai stattfinden soll. Doch war den Bischöfen klar, dass die Regierung die Kirche vor allem benutzen wollte, um überhaupt irgend jemand an den Verhandlungstisch zu bekommen. Denn der letzte "Nationale Dialog" hat in Bolivien nur Enttäuschung zurückgelassen, und das wenige Vertrauen in die Regierung zerstört. "Wir wollen eine unabhängige Position gegenüber der Regierung, um wirklich fordern und verhandeln zu können. Wenn wir mit ihr im gleichen Boot sitzen, können wir das nicht. Deshalb war es gut, dass die Bischöfe die Mitarbeit im Organisationskomitee abgelehnt haben", meint Juan Carlos Nuñez. "Aber selbstverständlich wollen wir den Nationalen Dialog und unsere Foren sollen dafür sorgen, dass dort die Sachen wirklich auf den Tisch kommen. Und die Regierung nimmt uns jetzt viel ernster als am Anfang."

Enge Kontakte nach Deutschland sind wichtig. Gute Unterstützung erfährt die bolivianische Kampagne von ihren Partnerdiözesen Trier und Hildesheim sowie Misereor, die diese Arbeit für den Schuldenerlass zu einem ihrer Schwerpunktthemen gemacht haben. Die enge Zusammenarbeit stärkt die Arbeit am Ort, oft kommen die Informationen schneller aus Deutschland in Bolivien an als von der eigenen Regierung. Trier, Hildesheim und Misereor übernehmen wichtige Lobbyarbeit im BMZ und im Finanzministerium, und vor allem: Sie unterstützen durch Finanzen und Personal die Arbeit der Kampagne vor Ort. Sie denken mit und helfen, die Position und die Bedingungen der G7 zu verstehen und so effektiv wie möglich für Bolivien zu nutzen.

Trotzdem steht die Kampagne "Jubileo 2000" in Bolivien vor einer gigantischen Aufgabe: Neun regionale Foren müssen im März durchgeführt werden und noch sind Sommerferien. Die fehlende Infrastruktur im Land macht oft schon den bloßen Materialversand zu einer Lebensaufgabe. Auch wenn das Interesse groß ist bei vielen kirchlich engagierten Christen und in den gesellschaftlichen Gruppen, fehlt es doch überall an Personal und Geld, um die Vorbereitungen voranzutreiben.

"Die Foren sollen mehr sein als nur ein Treffen von irgendwelchen Repräsentanten, wir wollen eine Bewegung im Land schaffen, das Bewusstsein stärken, dass wir alle und jeder einzelne verantwortlich sind dafür, dass die Armutsbekämpfung nicht nur ein Stück Papier bleibt", erklärt Juan Carlos Nuñez. Dazu wird es Wettbewerbe in den Schulen geben, Workshops in vielen Diözesen, Podiumsdiskussionen und vieles mehr. In einigen Schulen planen die Lehrer, das Forum "Jubileo 2000" mit den Schülern durchzuführen, und eine Gruppe von Schuhputzerjungen in La Paz ist dabei, eine Blockade mit ihren Schuhputzkästen während des nationalen Forums zu planen, um so auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Im Moment sind es nur drei Mitarbeiter auf nationaler Ebene, die all das vorantreiben sollen, und oft bekommen sie zu hören: das ist doch alles viel zu kurzfristig!

"Trotzdem sind alle entschlossen, den Wettlauf gegen die Zeit aufzunehmen", versichert Juan Carlos Nuñez: "Wenn wir diese Chance für mehr Einflussnahme und Kontrolle gegenüber der Regierung ungenutzt verstreichen lassen, dann waren 400.000 Unterschriften in Bolivien umsonst, genauso wie der Einsatz unserer Partnerdiözesen Trier und Hildesheim, dann war Köln wirklich für die Katz."

3.3.2.6 Beispielland Sambia

Die Zeit drängt. Dies zeigt die Situation in den Schuldnerländern. Eines der Länder, in denen die Bevölkerung massiv unter den Folgen der Schuldenkrise leidet, ist beispielsweise Sambia. (Bilder einer Partnerschaftsreise 10/2000 aus dem Bistum Limburg nach Sambia http://www.leuninger.de/sambia/dias/ulthm.htm .) Das Land hatte Ende 1995 langfristige Auslandsschulden in Höhe von 5,091 Mrd. US-Dollar. Dabei unterwarf sich Sambia bereits Anfang der achtziger Jahre den vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verordneten Strukturanpassungsprogrammen. Der sambische Bischof De Jong beschrieb bei einem Vortrag anlässlich der Gründungsveranstaltung der deutschen Erlaßjahrkampagne begrenzte Erfolge dieser Programme. So sei die Inflation von 200% im Jahr 1991 auf rund 23% für 1997 gesunken. Erreicht worden sei auch ein ausgeglichener Staatshaushalt, eine schärfere Kontrolle der Geldmenge sowie die Freigabe der Wechselkurse.

"Die gesamtwirtschaftlichen Verbesserungen wurden jedoch um einen hohen menschlichen Preis erkauft. Von 1990 bis 1993 gab die sambische Regierung 37 Mio. US-$ für Grundschulbildung aus - gleichzeitig zahlte sie 1,3 Milliarden Dollar an Schuldendienst. Zwischen 1985 und 1995 sank die Lebenserwartung bei Geburt von 52 Jahren auf 48 Jahre. Im gleichen Zeitraum stieg die Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren von 13,5% auf 20,3 % und die chronische Unterernährung bei unter 5-jährigen von 40% auf 53%. Nach Angaben der Weltbank leben bis zu 80% der Sambier in absoluter Armut." Unterdessen stieg der Schuldenstand dennoch weiter an: Bei allen Anstrengungen reichten die Rückzahlungen nicht einmal zur Bedienung der fälligen Tilgungsraten und Zinsen.

Die deutsche Regierung ist für Sambia in zweifacher Hinsicht ein bedeutender Gläubiger: Zum einen war die Bundesrepublik am 31.12.1993 mit öffentlichen Forderungen in Höhe von 1,189 Mrd. DM der größte Gläubiger des Landes (21 Prozent der Schulden). Zum zweiten ist Deutschland bei den wichtigsten multilateralen Gläubigern, der Weltbank und dem IWF, eines der maßgeblichen Mitgliedsländer. Würde sich die Bundesrepublik für deutliche Schuldenreduzierungen einsetzen und mit den eigenen Außenständen den Anfang machen, könnte dies den Menschen in Sambia entscheidend weiterhelfen.

3.3.2.7 Ein internationales Insolvenzrecht muss her

Der Limburger Bischof Kamphaus fordert internationales Insolvenzrecht auf einer Tagung (26.8.1999) der Katholischen Akademie in Mühlheim.( Der Text wurde übernommen von der Pressestelle Bistum Essen). Damit würde eine zweite wichtige Forderung der Kampagne Erlassjahr 2000 erfüllt.

Der Bischof von Limburg, Franz Kamphaus, hat die deutsche Kampagne "Erlassjahr 2000" dazu aufgerufen, in ihrem Engagement für eine Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer nicht nachzulassen. Mit dem Kölner Weltwirtschaftstreffen sei die Schuldenkrise in den betroffenen Ländern noch nicht gelöst, unterstrich Kamphaus am Mittwoch, 26. August 2000, in der Katholischen Akademie Die Wolfsburg in Mülheim. Für einen radikalen Neuanfang reichten die vereinbarten Beschlüsse bei weitem nicht aus. Sorgen bereite ihm angesichts der Spardiskussion hierzulande, dass die Finanzierung der Schuldeninitiative noch nicht gesichert sei. "Ob die Kölner Beschlüsse nur ein billiger Medienerfolg waren oder ein wichtiger Baustein zu einer tragfähigen Lösung der Schuldenkrise, wird sich letztlich im zähen Ringen um die Details entscheiden", so Kamphaus. Deshalb werde die "Erlassjahr-Kampagne" die Umsetzung der Ergebnisse mit kritischer Aufmerksamkeit begleiten und wo nötig auf weitere Schritte drängen.

Kritik äußerte der Bischof an dem nach wie vor "unzulänglichen Schuldenmanagement". Der mit den Gläubigern vereinbarte Schuldendienst sei vielen Ländern nicht zumutbar, betonte er. Als "angemessen" könne nur ein Schuldendienst bezeichnet werden, so Kamphaus weiter, der entwicklungsverträglich sei und die sozio-ökonomische Entwicklung eines Landes nicht behindere. Ziel der Erlassjahr-Kampagne sei nicht einfach die Streichung der Schulden gewesen. "Dies wäre blauäugig, käme nur der herrschenden Klasse im Staate zugute und nicht den Armen", so Kamphaus. Zur Vereinbarung des Schuldenerlasses gehöre es auch, dass ein Teil dieser gesparten Gelder über sogenannte Gegenwertfonds zugunsten der Armen eingesetzt werden müsse.

Nachdrücklich forderte der Bischof ein internationales Insolvenzrecht "im Sinne eines fairen Interessenausgleichs zwischen Schuldnern und Gläubigern". Bei dieser Forderung gehe es der Entschuldungsinitiative um nicht mehr als die Übertragung des nationalen Konkursrechts auf die internationale Ebene. Kamphaus. "Jemandem der bankrott ist, darf nicht die Grundlage für eine menschenwürdige Existenz entzogen werden. Warum soll zwischen Gläubiger und Schuldnerstaaten nicht gelten, was in den einzelnen Staaten recht und billig ist?"

3.3.2.8 Ein gangbarer Weg zu mehr Gerechtigkeit

Noch wird zögerlich und eher verschleppend gearbeitet. Aber das Programm könnte eine echte Hilfe für die armen Länder werden. Aufgabe aller ist es, die Regierungen in diesem Zusammenhang immer wieder an ihre Verantwortung für eine gerechte Welt hinzuweisen.

 

3.4 Fragen zum Kapitel 3

3.4.0 Vorbemerkung

Die Fragen sind nach dem Schema: Sehen-Urteilen-Handeln aufgebaut.

Die erste Frage ist jeweils eine Frage zum Überlegen und sollte aus der persönlichen Erfahrung bearbeitet werden.

Die zwei weiteren Fragen sind aus dem jeweiligen Textabschnitt zu bearbeiten.

Sehen (Die Situation der Dritten Welt und die Verschuldung der armen Länder)

1. Wie sehen Sie die Situation der so genannten Entwicklungsländer?

 

 

 

 

 

 

 

2. Nennen Sie unterschiedliche Ursachen der Armut und erläutern Sie diese kurz?

 

 

 

 

 

 

 

 

3.Wie ist die Schuldenentwicklung in den armen Ländern von 1980 - 1997?

 

 

 

 

 

 

 

3.4.2 Urteilen (Gerechtigkeit für alle)

1. Was bedeutet für Sie Gerechtigkeit vor allem auch unter der Rücksicht der Verteilung der Güter dieser Welt?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Was steht die Bibel zur Ausbeutung der Schwachen?

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Was sagt das Wort der Kirchen "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" über das Menschenrecht auf Arbeit aus?

 

 

 

 

 

 

 

3. Was sagt die Katholische Soziallehre zur sozialen Gerechtigkeit?

 

3.4.3 Handeln (Am Beispiel Schuldenerlass)

1. Wo würden Sie ansetzen, um die Verhältnisse in den armen Ländern zu ändern?

 

 

 

 

 

 

 

2. Was bringt ein Schuldenerlass für die betroffenen Länder?

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Was versteht man unter Gegenwertfonds?

 

4 Die Umwelt und die Zukunftsfähigkeit

4.0 Hinführung und Frage zum Überlegen

4.0.1 Hinführung

Umweltschutz ist heute groß geschrieben, zumindest in der Theorie, in der Umsetzung gibt es noch eine Fülle von Problemen. In einem ersten Schritt sollen Probleme unserer Umwelt vorgestellt werden. Danach geht es um ihre ethische Bewertung. Im letzten Schritt wären wieder Handlungsperspektiven aufzuzeigen.

Literaturhinweis: MISEREOR, BUND, Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Eine Studie des Wuppertal Institutes, Kurzfassung, Bonn und Aachen 1995

Umweltbundesamt, Daten zur Umwelt 1990/91, erschienen 1992, jeweils die neueste Ausgabe.
Im Internet unter Stichworten Nachsuchen: Umweltschutz, Ökologie, Weltklima,

Einige Zugänge: Bundesumweltamt http://www.umweltbundesamt.de/   hier finden Sie vor allem auch die neueste politische Diskussion und Daten.

BUND (Bund Umwelt und Naturschutz) http://www.bund.net/   Dort auch das Projekt "Die BUND-Wildniskampagne" http://www.wildnis.net/

Eine besondere Herausforderung stellt Greenpeace dar, schauen Sie einmal rein:
http://www.greenpeace.de/

Im Kirchlichen Bereich gibt es auch erste Ansätze z.B.
http://www.bbsmoers.nw.schule.de/bbs/reli/zitateut.htm

Umfangreiche Hinweise finden Sie auch bei MISEREOR http://www.misereor.de/   dort können Sie auch Sendungen zu diesem Themenbereich aussuchen. Ähnliches gilt für Brot für die Welt http://www.brot-fuer-die-welt.de/

 

4.0.2 Frage zum Überlegen

1. Was tun Sie schon alles für den Umweltschutz?

 

 

 

4.1 Die Zerstörung der Lebensräume

4.2.1 Die Zerstörung des Lebensraumes weltweit

Es ist im Zusammenhang dieses Textes kaum möglich, alle Umweltbelastungen aufzuzeigen. Die wichtigsten sollten hier genannt werden, dabei halten sich diese Ausführungen an das Schema des (B) Umweltbundesamtes, Daten zur Umwelt 1990/91, erschienen 1992.

In den letzten 40 Jahren hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt und beträgt nun über 5,8 Milliarden (1995 geschätzt). Die Weltbevölkerung verschiebt sich immer mehr in die armen Länder. Die Folgen dieser Bevölkerungsentwicklung sind neben Hunger und Armut auch die Überbeanspruchung der Lebensgrundlagen.

Die Wirtschaft globalisert sich immer mehr. Sie handelt weltweit, wobei sich nahezu 4/5. der Produktion und des Handels immer noch zwischen den Industrienationen abspielen, also etwa bei einem Fünftel der Weltbevölkerung. Dabei liefern die armen Länder des Südens die Ressourcen meist zu sehr niedrigen Preisen, während die reichen Industrieländer ihre Produkte sehr teuer verkaufen. Die Ausplünderung der armen Länder, verwiesen sei hier nur auf den Raubbau am Regenwald, führt zu fortschreitender Verarmung und Zerstörung der Lebensgrundlagen. Die europäischen OECD-Länder führten 1988 für 2,1 Milliarden US $ Tropenhölzer ein.

Die armen Länder haben in unserem System des Wirtschaftens keine Chance. Ihnen fehlt das Kapital, dafür sind sie überschuldet, ihnen fehlen die Patente, ihnen fehlt die Infrastruktur, die für einen Wirtschaftsstandort notwendig ist. Während im reichsten Land der Welt, der Schweiz, das pro Kopf Bruttosozialprodukt 1988 bei 27 260 US $ liegt, liegt es im einem der ärmsten Länder, Bangladesch bei 170 US $. Deutschland hatte 1988 18 530 US $. Hunger und Elend sind in den armen Ländern an der Tagesordnung.

Während die reichen Länder einem hohen Pro-Kopf Energieverbrauch haben, bleibt für die armen Länder kaum etwas übrig. In den USA ist dieser Energieverbrauch noch höher. Deutschland steht hier stellvertretend für die Industrieländer. Im wesentlichen handelt es sich dabei um Energie aus fossilen Materialien (Kohle, Erdöl) die nicht erneuerbar sind. Die reichen Ländern plündern die Energiereserven der Erde aus.

Die Menschen in Deutschland verbrauchen das Siebenfache an Energie wie die Menschen in einem Entwicklungsland. Damit sieht es natürlich mit der Umweltbelastung durch Emissionen analog aus. Bei den Treibhausgasen ist es das Zehnfache und bei den Ozonschichtkillern das Achtzehnfache.

Die Treibhausgase, hauptsächlich CO² (= Kohlendioxid, entsteht bei Verbrennung) schaffen über der Erde eine Treibhausglocke, die zu einer langsamen Erwärmung der ganzen Erde führt. Diese Treibhausglocke hält wie in einem echten Treibhaus die Wärmerückstrahlung (Infrarotstrahlung) zurück und sorgt deshalb für schnellere Erwärmung und erheblich langsamere Abkühlung. Dadurch schmelzen die Polkappen ab und der Meeresspiegel steigt, für Länder, wie Bangladesch eine nicht zu bewältigende Katastrophe. Es trifft zwar auch Deutschland und die Niederlande, aber diese haben durch Deichbau noch Abwehrmöglichkeiten. Insgesamt wird das Klima sich verändern.

Die Ozonkiller, hauptsächlich Treibgase (FCKW = Fluorkohlenwasserstoff) aber gemeinsam damit die Stickstoffe, reißen die Ozonschicht, die die Erde in großer Höhe umgibt, auf. Die Ozonschicht filtert für die Haut des Menschen und die Biosphäre schädliche Lichtanteile (UV = Ultraviolett Filter) heraus. Über den Polkappen reißt diese Schicht in der dortigen Frühlingszeit immer wieder auf. Sie wird insgesamt dünner. Dieses Gas und das daran beteiligte Halon wurde nahezu ausschließlich in den Industrienationen hergestellt und verbraucht. Die Produktion vor allem von FCKW ist stark rückläufig, sie soll 1997 ganz eingestellt sein. Sie sind aber noch in vielen Gegenständen (z.B. alte Kühlschränke) enthalten und haben noch eine Langzeitwirkung.

Hingewiesen sei nur noch auf die Belastung der Weltmeere durch Eintrag von Abfall und Schadstoffen vor allem durch die Industrienationen. Die Fischbestände nehmen ab, die Verschmutzung vor allem des Mittelmeeres, der Nord- und Ostsee nimmt zu. Dies belastet dann auch wieder die Nahrungskette über die dort lebenden Pflanzen und Tiere.

Weltweit geht der Ressourcenverbrauch überwiegend auf die reichen Länder zurück. Einige Beispiele sollen dies aufzeigen. Deutschland verbraucht gegenüber in Entwicklungsländern pro 1000 Personen das Vierzehnfache an Aluminium, hat die dafür 443 Pkws statt 6 und verbraucht 655 Tonnen Stahl gegenüber 5. Das gilt ähnlich oder noch intensiver von anderen Industrienationen.

Fazit ist: Die reichen Industrieländer verbrauchen die Ressourcen und belasten die Meere und vor allem die Atmosphäre.

4.2.2 Die Belastung des Lebensraumes in Deutschland

Die folgenden Probleme werden für die Bundesrepublik dargestellt, sie haben natürlich auch ihre weltweiten Komponente und kommen auch in anderen Ländern vor.

In der Bundesrepublik gab es 1990 45.000 Tierarten. Weltweit wird mit 1,1 Millionen gerechnet. Es sind aber noch nicht alle Tiere bekannt. Der Gesamtbestand der Pflanzen wird in der Bundesrepublik auf 27.350 geschätzt. Seit 1977 sind in der alten Bundesrepublik von den 2.728 Arten von Farn- und Blütenpflanzen 27% ausgestorben oder gefährdet, 4% potentiell gefährdet. Erschreckend ist auch der Rückgang solch selbstverständlicher Arten, wie Feldlerche, Heuschrecke, Frösche, Eidechse, Kuckuck, Klatschmohn, Magarite, Kornblume und Heckenrose, die das Bild unserer Kulturlandschaft bisher geprägt haben.

Die Flächennutzung in der Bundesrepublik stellt zum 3.10.1990 sich wie folgt dar: Landwirtschaft 54,2%, Wald 30,1%, Siedlung/Straße 12,3%, sonstige 3,3%.

Die Bodenversiegelung durch Straße und Besiedlung sieht im ersten Moment nicht so besorgniserregend aus. Sie steigt aber kontinuierlich. In Regionen mit großer Verdichtung steigt sie auf 18%, in den Kernstädten auf 50,8%. 1950 betrug diese Siedlungs- und Verkehrsfläche etwa die Hälfte. Eine nochmalige Verdoppelung in 40 Jahren wäre nicht zu verkraften. Täglich gehen 90 ha Landwirtschaftsfläche verloren, der Wald wächst zwar auch um 26 ha pro Tag, wohl auf Kosten der Landwirtschaftsfläche. In dieser Bilanz sind nicht enthalten die Ausräumung der Landschaft zu Intensivierung der Agrarwirtschaft durch Einräumen von Hecken, Flurgehölzen, Kleingehölzen und das Ausbreiten von Monokulturen.

Seit etwa 15 Jahren treten in Deutschland Waldschäden in beachtlichem Ausmaß auf, die im wesentlichen durch die Luftverschmutzung bedingt sind. Eine umfassende Untersuchung in ganz Deutschland von 1991 ergab, dass 39% des Waldbestandes schwach geschädigt und 25% deutliche Schäden zeigen. Nur 36% des Baumbestandes sind nicht geschädigt. Bei den norddeutschen Bundesländern liegt der Durchschnitt bei 11%, in Ostdeutschland bei 38% und in den süddeutschen Ländern bei 25%. Rheinland-Pfalz liegt bei guten 12%. Ein Alarmsignal! Die Waldschäden in Osteuropa sind noch wesentlich höher. Saurer Regen, der durch die Schadstoffemmisonen in die Luft entsteht, kommt in die Böden und belastet die Bäume in ihrer Entwicklung.

Zur Luftverschmutzung wurden schon weiter oben bei den globalen Auswirkungen der Umweltbelastungen Hinweise gegeben. In der Bundesrepublik nehmen die Schadstoffe Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid leicht ab durch die Umstellung von Kohle auf Gas und Öl. Die Abnahme der Stickoxyde durch die Verbesserung der Emissionen in den Großfeueranlagen wird leider wieder wettgemacht durch den gewachsenen Verkehr. Auch der Kohlendioxidausstoß hat kaum nachgelassen. Etwa 75% dieser Belastung sind den Bereichen, Wohnen, Ernährung und Freizeit zuzurechnen. Betrachtet man vor allem den durch Energieverbrauch bedingten Schadstoffausstoß, so ist der Energieverbrauch in den letzten 20 Jahren in der westdeutschen Industrie um ein Drittel gesunken, in den Haushalten und im Kleinverbrauch gleich geblieben und im Verkehr um die Hälfte gestiegen. Ähnlich verläuft dann die Kurve im Schadstoffausstoß.

Wasserzustand

Das Wasser kommt vor allem vor als

Regen

Fließgewässer

Seen

Grundwasser

Meer

Das Wasservorkommen auf der Erde beträgt etwa 1,35 Milliarden Kubikkilometer, die großen Meere bedecken 71% der Erdoberfläche. 97% des Wassers sind aber Meerwasser, das wegen des Salzgehaltes für die Menschen ungenießbar ist. Das meiste Süßwasser ist unter den Polkappen eingeschmolzen. Nur 0,3% des gesamten Wasservorrates stehen als Trinkwasser zur Verfügung. Der Bedarf steigt aber weltweit ständig. Nicht nur in trocknen, sondern auch in regenreichen Ländern wird gutes Trinkwasser inzwischen knapp. Dem Wasser insgesamt macht mit dem wachsenden Bedarf gleichzeitig der wachsende Anfall von Abwasser Probleme. Die mit dem Abwasser transportierten Belastungen sind das Grundübel unseres Wassersystems.

Über die Probleme des Regens wurde weiter oben gesprochen. Der Regen wird durch die Emissionen sauer, das heißt er ist nicht mehr ph-neutral, sondern hat Säurewerte. Diese Säurewerte machen dem Wald zu schaffen, viele Kleinlebewesen können im übersäuerten Boden nicht leben, die Bäume bekommen Schwierigkeiten mit der Wasserzirkulation, weil er Schaden leidet an Wurzeln Blättern und Nadeln. Der saure Regen dringt über die Quellen auch in die Fließgewässser und Seen ein und belastet das Leben dort.

Die Fließgewässer sind weithin verschmutzt, ihr Zustand hat sich aber durch strenge Abwasserauflagen verbessert. Der Sauerstoffgehalt hat wieder zugenommen. Der Anteil aus Waschmitteln ist inzwischen gesunken. Steigend ist aber noch der Nitratgehalt. Das könnte z.B. am Niederrhein zu Problemen bei der Trinkwasserversorgung aus dem Rhein führen. Die Nitrate gelangen sehr stark über den Dünger in den Wasserkreislauf. Das zeigt sich an einer Überdüngung der Gewässer, sogenannte "Allerweltsalgen" verdrängen sensiblere Lebewesen. Beim Abbau der Algen wird wiederum Sauerstoff verbraucht, es kommt zur Sekundärverschmutzung der Fließgewässer. Zunehmend machen auch überwiegend in der Landwirtschaft verwandte oder als Produktionsreste ins Abwasser gelangende Pestizide Sorgen. Hinzu kommen noch all die Probleme, die durch die Bachbettverbauung als Eingriff in natürliche Biotope entstanden sind.

Was für die Fließgewässer gilt, gilt auch für die Seen. Dort steigt die Konzentration der belastenden Stoffe oft noch an, da der Zulauf meist größer ist, als der Ablauf.

Am besten für die Trinkwasserversorgung ist von Natur aus das Grundwasser geeignet. Heute ist es aber auch vielfältig durch Abwässer, Altlasten, Ölleckagen, Nitrat, Pestizide usw. belastet. Die Grenzwerte der EG (Europäischen Gemeinschaft) können von Tausenden von Brunnen in Europa nicht eingehalten werden. Auf diese Probleme wird überwiegend mit "Wasseraufbereitungskonzepten" reagiert, nicht dort wo die Probleme entstehen, bei der Schadstoffeinleitung. In nur vier Jahren (1981-84) sank der Anteil des Trinkwassers, der dem Verbraucher unmittelbar zugeleitet werden konnte von 52 auf 46%. Immer mehr wichen die örtlichen Wasserwerke auf Fernwasser aus, das dann den Grundwasserspiegel in ganzen Entnahmeregionen belastet. Innerhalb von 5 Jahren (Ende der 80er Jahre) wurden in Rheinland-Pfalz 40 Versorgungsnetze wegen zu hohem Nitratgehalts an überregionale Wasserversorgungsnetze angeschlossen. Gutes Trinkwasser wird immer kostbarer.

Die Ost- und Nordsee sind in besonderer Weise belastete Meere. Bei der Nordsee sind es vor allem die Küstenregionen und flussmündungsnahen Gebiete, die besonderes belastet sind durch Phosphate, Stickstoffe, Schwermetalle; einige Fischarten sind über die zulässigen Werte kontaminiert (Schadstoff belastet). Da die Ostsee fast den Charakter eines Binnenmeeres hat, ist sie auch durch die Anliegerstaaten viel mehr belastet, als die Nordsee, allein im finnischen Meerbusen hat sich innerhalb von 10 Jahren die Phosphatkonzentration mehr als verdoppelt und im Oberflächenwasser des Winters die Nitratkonzentration vervierfacht. Der Prozess der Eutrophierung (unerwünschte Nährstoffanreicherung), führt zur Artenveränderung. Der Sauerstoffgehalt des Tiefenwassers sinkt, das wenige Wasser, das von der Nordsee gelegentlich einbricht, hat auch an Sauerstoffgehalt verloren. So tritt wachsender Sauerstoffmangel ein.

Zur Zeit wird vor allem durch Abwasserreinigungsmaßnahmen versucht, die gesamte Qualität des Wasser zu verbessern. Über 90% der Wohnbevölkerung im alten Bundesgebiet dürften an kommunale Kläranlagen angeschlossen sein. Die Klärung erfolgt zu 87% biologisch. Die industrielle Abwassermenge ist zurückgegangen, die Gesamtabwasssermenge hält sich in etwa gleich, das Problem des entstehenden Klärschlamms ist immer noch nicht völlig gelöst, der meiste Klärschlamm (60%) wird noch deponiert, nur 25% gelangen in die Landwirtschaft. Die Entwicklung ist dahin gehend, dass weniger verschmutztes Abwasser entsteht.

Abfall

In der Bundesrepublik fallen jährlich mehrere hundert Millionen Tonnen Abfall an. Das sind:

Abraum aus Bergbau

Industrielle Abfälle

Klärschlämme

Haus- und Gewerbemüll

Straßenkehrricht

Landwirtschaftliche Abfälle

Es ist kaum sinnvoll, die Gesamtsumme darzustellen, da der Gefährdungsgrad der Abfälle sehr unterschiedlich ist. Der überwiegende Anteil des Abfalls wird von der Industrie erzeugt. Hausmüll (in der alten Bundesrepublik) wurden 1987 23 Millionen Tonnen eingesammelt aber mit fast 150.000 Kubikmetern ungeheuer voluminös, da es sich oft um Verpackungsmaterial handelt. 1977 wurden 57, Mio. Tonnen Abfallreste im Jahr deponiert, 1987 88,9 Mio. Tonnen. Der Zuwachs entstand vor allem durch Bauschutt.

Langsam greifen die neuen Abfallbeseitungsgesetze. Altpapier wird aus Haushalten (1988) 1,85 Mio. Tonnen verwertet, das ist etwa die Hälfte des verwertbaren Materials. Hier zeigt sich, dass die Verwertung von Abfall insgesamt bis hin zum Biomüll noch weiter ausbaubar ist. Gleiches gilt von der Altglasverwertung. Dieses Recyclingkonzept muss aber von allen mitgetragen werden.

Das beste Konzept ist auf Dauer die Abfallvermeidung. Die Müllberge werden immer höher, auch die Verbrennungsanlagen sind wegen der Emissionen keine dauerhafte Alternative. Kontrolliert werden nur die bekannten Schadstoffe, die unbekannten werden weiter unkontrolliert in die Luft entlassen.

Der Lärm ist eine weitere Umweltverschmutzung. Es werden zwar die Grenzwerte für Straßen, Eisenbahnen und Fahrzeuge festgelegt, aber die Lärmbelastung ist sehr groß. Die Grenzwerte wurden und werden bei Fahrzeugen gesenkt. Allein der Ferntransport hat sich aber in den letzten Jahren erheblich vermehrt vor allem durch das Konzept "just in time" (dadurch werden die Lager auf die Straße verlegt und immer nur dann angeliefert, wenn Ware gebraucht wird, außerdem wächst der internationale Austausch von Teilen der Produktion. Wer Bier (das gilt auch für andere Lebensmittel) nur aus einer bestimmten, mehrere hundert Kilometer gelegenen Brauerei trinkt, trägt zur Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung bei. Rund fünf Millionen Bürger finden auch nachts bei geschlossenem Fenster keine Ruhe. 40-60% fühlen sich durch den Verkehrslärm gestört, davon 20% stark gestört.

Bei Nahrung und Gesundheit kann nur ganz kurz auf das Problem der Nitratbelastung eingegangen werden. Die Nitratbelastung ist im Kopfsalat sehr hoch, besonders in Importen aus de Niederlanden. Die meisten sonstigen Belastungen liegen unter den Grenzwerten, das besagt aber wenig über mögliche Langzeitschäden, die gerade bei Schwermetallen möglich sind. Bestimmte Gifte lagern sich in der Nahrungskette ein und steigern sich im Verlaufe der Zeit.

Bei den durch Gentechnik (die Gene sind für die Erbinformation verantwortlich) veränderten Nahrungsmitteln wird zur Zeit heftig diskutiert, ob sie nicht zu Langzeitschäden führen, da ihre Wirkungen noch nicht hinreichend getestet sind. Gentechnisch soll die Haltbarkeit gesteigert, Resistenzen z.B. gegen Schädlinge in die Gene aufgenommen und der Ertrag gesteigert werden. Auf jeden Fall sollten sie deklariert werden, damit sie nicht mit Importen für den Verbraucher unerkannt auf den Markt kommen.

Strahlenbelastung tritt im Regelfall vor allem beim Röntgen auf. Hier muss die Dosis genau kontrolliert werden. Es gibt auch in der Natur vorkommende Strahlen und Emissionen aus industriellen Einrichtungen. Auf das Risiko durch den Supergau (GAU=Größter angenommener Unfall für den ein Kraftwerk ausgelegt ist, Supergau=Durchbrennen eines Kernkraftwerkes) und seine Folgen wie durch den Reaktor von. Tschernobil sei nur hingewiesen. Hier steckt ein ungeheuer großes Gefährdungspotential.

4.2.1 Die Bedrohung eine Herausforderung

Dieser kurze Überblick hat gezeigt, wo Umweltbelastungen drohen. Zu den für Deutschland genannten Belastungen, die in anderen Ländern ähnlich, ja sogar schlimmer sind, kommen die Belastungen, die global gelten, z.B. die Ausplünderung der Ressourcen, der ungeheure Energieverbrauch sowie die gravierenden Änderungen der Atmosphäre. Der Mensch hat in einem bisher nicht gekannten Maße die Bedingungen der Umwelt überwiegend zu deren und des Menschen Ungunsten verändert. Er trägt die Verantwortung für diese Entwicklung.

4.3 Zur Verantwortung gerufen

4.3.0 Hinführung

Im folgenden soll ausgehend von einem biblisch-theologischen Befund anhand neuerer kirchlicher Dokumente das Umgehen der Menschen mit der Schöpfung einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Es wird in diesem Schritt beurteilt (Urteilen).

An Literatur wird empfohlen: Michael Schlitt, Umweltethik, Paderborn 1992, Markus Vogt, Matthias Sellmann, Handeln für die Zukunft der Schöpfung, Bausteine für die Bildungsarbeit. Norbert Stennes, Friedhelm Zauner, Grenzen zu Chancen wenden, Bausteine für die Erwachsenenbildung (zu MISEREOR zukunftsfähiges Deutschland) Bonn 1996. An kirchlichen Texten stellt ein gute Darstellung, Bewertung und Schlussfolgerung zu dieser Thematik dar: Die Deutschen Bischöfe, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, Handeln für die Zukunft der Schöpfung, 53113 Bonn 1998 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Kaiserstr. 163.

4.3.1 Alle sind wir Geschöpfe, Aussagen der Bibel

Im priesterlichen (weil wohl im Bereich der alttestamentlichen Priesterschaft entstanden) Schöpfungsbericht wird im 1. Kapitel (Genesis 1; bitte nachlesen) der Bibel ein theologischer Schöpfungsentwurf auf der Basis damalige naturwissenschaftlicher Erkenntnisse gezeigt. An sechs Tagen erschafft Gott die Schöpfung.

Genesis 1.1 - 2.4b

"1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; 2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. 4 Gott sah, daß das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis, 5 und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag.

6 Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. 7 Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es, 8 und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: zweiter Tag.

9 Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es. 10 Das Trockene nannte Gott Land, und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, daß es gut war. 11 Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es. 12 Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin. Gott sah, daß es gut war. 13 Es wurde Abend, und es wurde Morgen: dritter Tag.

14 Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen; 15 sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, die über die Erde hin leuchten. So geschah es. 16 Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne. 17 Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten, 18 über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, daß es gut war. 19 Es wurde Abend, und es wurde Morgen: vierter Tag.

20 Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von lebendigen Wesen, und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen. 21 Gott schuf alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt, und alle Arten von gefiederten Vögeln. Gott sah, daß es gut war. 22 Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, und bevölkert das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren. 23 Es wurde Abend, und es wurde Morgen: fünfter Tag.

24 Dann sprach Gott: Das Land bringe alle Arten von lebendigen Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes. So geschah es. 25 Gott machte alle Arten von Tieren des Feldes, alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden. Gott sah, daß es gut war. 26 Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.

27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. 28 Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. 29 Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. 30 Allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, was Lebensatem in sich hat, gebe ich alle grünen Pflanzen zur Nahrung. So geschah es. 31 Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag.

2:1 So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefüge. 2 Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte. 3 Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte."

Die Schöpfung ist ein Werk Gottes. Er hat sie aus dem Chaos erschaffen und zur Vollendung geführt. Er allein ist Gott und keines der Geschöpfe. Der Menschen ist Mitgeschöpf. Er hat bar auch eine besondere Rolle in der Schöpfung. Die Schöpfung ist ihm übergeben. Er muss aber in die Bewegung Gottes mit eintreten, diese Schöpfung vom Chaos zum Kosmos zu führen und darf sie nicht zerstören. Da er ein Teil der Schöpfung ist, zerstörte er mit der Schöpfung auch seine Lebensgrundlage und damit letztlich sich selbst. Der Gedanke des Schöpfungssabbats ist ein Zeichen der Hoffnung für die ganze Schöpfung.

Der sogenannte zweite Schöpfungsbericht macht dies noch deutlicher. Gott schafft den Paradiesgarten und setzt den Menschen als Bebauer und Hüter ein.

Genesis 2,15

"15 Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte."

Die Bibel kennt auch die Folgen der Sünde des Menschen, die sich bis in die Schöpfung hinein erstrecken. Dies wird bei der Vertreibung aus dem Paradies deutlich (Genesis 3), So sieht auch es die Geschichte von Noah und der Sintflut, die aber letztlich im Friedensbogen Gottes endet, den er über seine Schöpfung wie ein Regenbogen ausspannt. (Genesis 6-9). Die Propheten sehen aber auch die Vision eines umfassenden Schöpfungsfriedens. Jesaja 11,6-10.

Jesus, als Mensch Teil der Schöpfung, ist zugleich der Erstgeborene und die ganze Schöpfung hat in ihm Bestand. Die Schöpfung hat an Sünde und Erlösung Anteil. Hier wird die umfassende Schicksalsgemeinschaft Mensch und Schöpfung noch deutlicher und zugleich auch die Verantwortung des Menschen für die Schöpfung auch aus seiner eigenen Hoffnung heraus.

Kollosser1:15-22

Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. 16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. 17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.

Die Erlösung der Kinder Gottes wird auch eine Befreiung der stöhnenden Schöpfung sein.

Römer 8.20-22
Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: 21 Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.

So sieht die Heilige Schrift eine tiefe Verbundenheit zwischen Mensch und Schöpfung, die Verletzung der Schöpfung durch die Sünde und die Beteiligung der Schöpfung an der Erlösung. Mensch unSchöpfung leben von der Hoffnung auf Vollendung. Diese Hoffnung muss der Mensch leben, gerade auch in und für die Schöpfung. Für beide wird es einmal einen neuen Himmel und eine neue Erde geben.

4.3.2 Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung

Päpstliche Verlautbarungen sprechen verschiedentlich vom Umweltschutz, am deutlichsten in der Botschaft vom Weltfriedenstag 1990. In dieser Botschaft ruft der Papst auf, auch die Schöpfung zu lieben. Eine Umweltenzyklika fehlt noch. In der Enzyklika "Centesimus annus" (100 Jahre nach Rerum novarum) 1991 führt der Papst dazu einiges kurz aus:

"Um aber die wahre Entwicklung zu erreichen, darf man den genannten Maßstab nicht aus den Augen verlieren: Er ist enthalten in der besonderen Natur des Menschen, der von Gott nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen worden ist (vgl. Gen 1, 26), in seiner körperlichen wie geistigen Natur, im zweiten Schöpfungsbericht symbolisiert durch die zwei Elemente der Erde, aus der Gott den Leib des Menschen formt, und des Lebensatems, der in seine Nase eingehaucht wird (vgl. Gen 2, 7).

Der Mensch erhält so eine gewisse Verwandtschaft mit den anderen Geschöpfen. Er ist berufen, sie zu gebrauchen, sich um sie zu kümmern, und ist - immer nach dem Genesisbericht (2,15)- in den Garten versetzt mit der Aufgabe, ihn zu bebauen und zu hüten, über allen anderen Geschöpfen, die von Gott seiner Herrschaft unterstellt sind (vgl. Gen 1, 25-26). Gleichzeitig aber muß der Mensch dem Willen Gottes ergeben bleiben, der Unterordnung der Güter und aus deren Verfügbarkeit für das "Sein" des ihm die Grenzen für den Gebrauch und die Beherrschung der Dinge vorschreibt (vgl. Gen 2,16-17), sowie er ihm auch die Unsterblichkeit verheißt (vgl. Gen 2,9; Weish 2, 23). Darum hat der Mensch, da er Bild Gottes ist, auch eine echte Verwandtschaft mit Gott."

Zur ökologischen Frage sind verschiedene Dokumente erschienen. 1980 gab die Deutsche Bischofskonferenz "Zukunft der Schöpfung - Zukunft der Menschheit heraus." Das zweite Dokument wurde von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 1985 gemeinsam herausgegeben: "Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung.".

Bedeutsam wurde vor allem der Konziliare Prozess der Kirchen "Gerechtigkeit - Frieden - Bewahrung der Schöpfung" der von Deutschland ausging und 1990 in Seoul endete. Die Frage danach der Umweltverträglichkeit muss nach diesem Text in Zukunft bei allen technologischen Entwicklungen gestellt werden. Es wird gegen Energieverschwendung und für den Einsatz erneuerbarer Energie gesprochen, Abfallverminderung verlangt. Der Export von Abfall in die Dritte Welt und das Benutzen des Meeres als Müllkippe werden verurteilt. Gen- und Biotechnik brauche dringen der Kontrolle. Die Artenvielfalt muss erhalten bleiben. Bedeutsam wurde in diesem Zusammenhang auch des vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen in mitgetragene Dokument von Basel 1989.

Die gesellschaftliche Kommission der deutschen Bischöfe gibt 1998 ein Schreiben mit dem Titel "Handeln für die Zukunft der Schöpfung heraus". Darin wird die Achtung der Mitgeschöpfe als Konsequenz der Gottesliebe bezeichnet.

"1.2.2 Achtung der Mitgeschöpfe als Konsequenz der Gottesliebe

(80) Unter der Voraussetzung einer in dieser Weise differenzierten Unterscheidung zwischen Gott und Welt läßt sich auch angeben, worin die "Sonderstellung" des Menschen, die in seiner "Gottebenbildlichkeit" begründet ist, genauerhin besteht: "Ebenbildlichkeit" bezeichnet schöpfungstheologisch ein Entsprechungsverhältnis von Mensch und Gott. Der von Gott verschiedene Mensch, der ganz auf Gott verwiesen ist, soll in seinem Unterschiedensein dem Weltverhältnis Gottes so entsprechen, daß er als sittliches Subjekt frei über sich selbst bestimmt, weder von Gott noch von den Dingen zwanghaft abhängig. Er soll seinen Mitgeschöpfen in freiem Wohlwollen gegenübertreten. Auf diese Weise entspricht er Gott, der sich zum Menschen in ein freiheits- und lebensermöglichendes Verhältnis setzt. So verweist der Mensch im Wohlwollen und in der Liebe über sich hinaus auf das göttliche Verhältnis zum Leben, das sich in seinem Dasein manifestiert.

(81) Der Mensch ist geschaffen als Partner Gottes bei der Vollendung seines Schöpfungsplanes, nicht als Handlanger oder Befehlsempfänger, sondern als eigenverantwortlicher Partner und Mitarbeiter (vgl. CA 37), befähigt, in Freiheit die Menschheitsgeschichte zu gestalten und in dem noch offenen Schöpfungsprozeß mitzuwirken. Als Ebenbild Gottes sind die Menschen, Mann und Frau gleichermaßen, zur Freiheit berufen, aber doch gebunden an das Treueversprechen einer verantwortlichen Sorge für die Schöpfung. Wenn die Menschen die Erde plündern, die Natur zerstören, kündigen sie diese "Schöpfungspartnerschaft".

(82) Aus dieser Signatur menschlicher Gottesbenbildlichkeit folgt auch, daß es für den Menschen kein rechtes Gottesverhältnis außerhalb eines Verhältnisses zur Schöpfung, d. h. zu den übrigen Geschöpfen, geben kann. Die freie und lebensbejahende Zuwendung zu Gott und zu den Geschöpfen bedingen sich wechselseitig: Die Liebe zu Gott, der nicht sichtbar ist, konkretisiert und bewährt sich in der befreienden Zuwendung zu seinen Geschöpfen, die die sichtbaren Mitgeschöpfe des Menschen sind (vgl. KEK S. 331f). Die Verbundenheit des Menschen mit seinen Mitgeschöpfen gewinnt in der Liebe zu Gott, der ein "Freund des Lebens" ist und allem, was er geschaffen hat, seinen "unvergänglichen Atem" verliehen hat (Weish 11,24-12,1), eine tiefere Dimension. Das Lob des Schöpfers öffnet den Blick für die jedem Lebewesen eigene Sinnhaftigkeit und Schönheit und wird so zum Lob der Schöpfung.

(83) Vom Menschen und seinen Mitgeschöpfen kann somit keine Verschiedenheit ausgesagt werden, die nicht von einer jeweils größeren Gemeinsamkeit übertroffen wird: der Gemeinsamkeit im Geschaffensein von Gott. Diese Gemeinsamkeit begründet eine Verbundenheit des Menschen mit allem Geschaffenen, die es verbietet, daß der Mensch seine Mitgeschöpfe nur als Mittel zum Erreichen seiner Ziele und Zwecke behandelt.

(84) Das einende Band der Mitgeschöpflichkeit zwischen allen Kreaturen verbietet selbstredend eine den Menschen und seine Bedürfnisse absolut setzende Anthropozentrik. Die schöpfungstheologische Sicht enthält vielmehr die Kritik einer Einstellung, die die Natur nur unter dem Aspekt der Ressource für menschliche Nutzungsinteressen wahrnimmt. Sie ist insofern ökologisch, als es ihr um die Bewahrung der Schöpfung als oikos, als "Lebenshaus", geht und damit um das Sich-Einordnen-Können in die lebensspendenden Beziehungen der Schöpfungswirklichkeit. Die dem Menschen übertragene Herrschaft ist nicht absolut. sondern verlangt "Ehrfurcht vor der Unversehrtheit der Schöpfung" . Dies ist etwas grundsätzlich anderes als die alten und neuen Formen einer Divinisierung oder Dämonisierung der Natur. Dem Schöpfungsglauben geht es vielmehr um eine Haltung der Liebe die Unversehrtheit, Schönheit und Sinnhaftigkeit der Schöpfung inmitten von Leid und Konflikt immer wider neu zu entdecken und zu schützen sucht."

Das Bischofswort "Gerechter Friede" http://dbk.de/schriften/fs_schriften.html   (2000) betrachte die Umweltzerstörung auch als Form einer Gewalt gegen die Schöpfung. Der Mensch ist trotz seiner Gebrochenheit fähig zu ethischem Handeln. Dieses Können geht dem Sollen voraus, eine verantwortliche Gestaltung seiner Beziehung zur Umwelt zu schaffen.

"(58) Im Schnittpunkt von kirchlichem Auftrag und politischer Aufgabe steht der Respekt gegenüber der Würde des Menschen. Nach christlichem Verständnis ist der Mensch als Gottes Ebenbild geschaffen und als das Gegenüber Gottes mit einer einzigartigen und unveräußerlichen Würde ausgezeichnet. Er ist dazu berufen, als vernunftbegabtes und verantwortliches Wesen in Beziehung zu Gott, zu den Mitmenschen und zu allen Geschöpfen zu leben. Die Berufung, das persönliche Leben und die Weltverhältnisse verantwortlich zu gestalten, gilt jedem einzelnen und jeder einzelnen, aber nicht als Vereinzelte, sondern in Gemeinschaft. Zwar sieht der Glaube klar, wie sehr sich der Mensch von seiner eigentlichen Bestimmung entfernt hat und seiner ursprünglichen Berufung untreu geworden ist, also sündigt. Aber trotz "der Gebrochenheit menschlicher Existenz ist dem von Gott berufenen Menschen mit der Schöpfung wie mit der Erlösung die Fähigkeit zu einer verantwortlichen Gestaltung der Welt geschenkt. Dieses Können geht allem Sollen voraus. Die ethische Forderung entspringt der von Gott gegebenen Befähigung zu einem vernünftigen und verantwortlichen Handeln. Solcher Zuspruch und solche Ermutigung ist in der gegenwärtigen Umbruchsituation in besonderer Weise vonnöten."

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Mensch zur Bewahrung der Schöpfung aufgerufen ist und die Perspektive der Hoffnung in sein Handeln einzubringen hat. Er hat unter seinen Mitgeschöpfen eine besondere Verantwortung für die ganze Schöpfung.

4.3.4 Für eine nachhaltige Entwicklung unseres Umgehens mit der Natur

Zwei ganz unterschiedliche Organisationen haben 1996 eine Studie herausgegeben mit der Überschrift: "Zukunftsfähiges Deutschland". Es sind dies der BUND und MISEREOR. Der BUND ist ein Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland, MISEREOR ist ein Aktion der deutschen Katholiken gegen Hunger und Krankheit in der Welt. Erstellt wurde die Studie vom Wuppertal Institut, einer Forschungseinrichtung finanziert vom Land Nordrhein-Westfalen.

MISEREOR beschäftigt sich eigentlich vor allem mit Fragen der Entwicklungshilfe, während der BUND sich mit der Ökologie in Deutschland auseinandersetzt. Was bringt diese beiden Organisationen zusammen? Es ist die Erkenntnis, dass die Fragen von Umweltschutz, Armut und Gerechtigkeit nur noch weltweit zu lösen sind, dass aber die Schlüssel für die Lösung viele Probleme in den Industrieländern, also auch in Deutschland liegen.

Der Studie liegt des Prinzip der "Nachhaltigkeit" zugrunde. Nachhaltig bedeutet, dass heute Entwicklungen eingeleitet werden müssen, die in Zukunft greifen und ein Überleben der Menschheit möglich machen, die Deutschland und der Welt Zukunft erhalten.

Unser bisheriges Wirtschaften erbringt dies nicht. Die weltweiten Probleme sind so nicht zu lösen, die Umweltkatastrophe ist unausweichbar. Es muss ein radikales Umdenken erfolgen. Der Verbrauch der Industrienationen geht auf Kosten kommender Generationen und der Länder der Dritten Welt. Würden diese auch nur ansatzweise den Verbrauch so entwickeln, wie es die Industrienationen tun, dann wäre der Untergang bald abzusehen.

Treibhauseffekt, Sommersmog, Gewässerbelastung durch die Landwirtschaft, Energieverbrauch, Materialverbrauch, Flächenverbrauch sind nur einige Stichworte. Wir verbrauchen das, was die Natur in Jahrmillionen geschaffen hat, in wenigen Jahren; was dann?

Allein der Schadstoffausstoß und die Kohlendioxidemissionen (Gas, das bei der Verbrennung entsteht) hat immense Dimensionen angenommen. Dadurch wandelt sich das Klima und die Ozonschicht, die vor Sonneneinstrahlung z.B. auf die Haut schützt, wird mehr und mehr zerstört.

Die Industrieländer produzieren 83,7% der Kohlendioxidemissionen, die Entwicklungsländer 16,3%. In den Industrieländer wohnen etwa 1/5. Der Menschheit. Wenn diese Länder in der Form der Industrienationen ihre Industrie entwickeln, dann bricht die Katastrophe aus. Nur haben sie das gleiche Recht auf die Natur.

Aus den verschiedenen Entnahmen und Belastungen müssen Reduktionsziele formuliert werden. Diese müssen zwei Kriterien genügen:

Alle haben da Recht auf gleiche Nutzung (auch die Völker der Dritten Welt)

Die Natur muss in ihrer Substanz erhalten bleiben auch für kommende Generationen.

Dies bedeutet z.B.:

Für den Kohlendioxidemission: Sie muss in Deutschland von jetzt 100% bis 2010 auf um 35%, bis 2050 um 80-90% gesenkt werden. Andere Emissionen müssen schon viel früher abgesenkt werden.

Der Verbrauch von Primärenergie aus fossilen Brennstoffen (z.B. Kohle, Erdöl, Erdgas) muss bis 2010 um 25%, bis 2050 um 80-90% abgesenkt werden, Atomenergie muss ganz verschwinden, erneuerbare Energien müssen um 3-5% pro Jahr steigen.

Der Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe muss im gleichen Umfang (2020=25%, 2050=80-90%) sinken.

Das geht aber nur, wenn neue gesellschaftliche Leitbilder zum tragen kommen. Dazu gehören unter anderem:

Die Gesellschaft muss entschleunigt werden, man muss nicht herumrasen, um etwa vom Leben zu haben. Der Lebensraum wird dann für den einzelnen unmittelbar kleiner, aber er verliert auch keine Zeit mehr im Verkehrsstau und im Auto. Er gewinnt Zeit für die Erfahrung dessen, was in seiner Nähe ist.

Der Markt muss ökologische Rahmenbedingungen bekommen. Risikoträchtige Aktivitäten müssen mit besonderen Haftungen belegt werden. Es bedarf einer ökologischen Steuerreform, die ökologisches Handeln fördert. Wer Natur schont, der muss steuerlich besser behandelt werden, als der der Natur verbraucht. Eine Energiesteuer könnte die Arbeitskraft verbilligen, weil die Sozialabgaben zum Teil auf diese abgewälzt werden könnten. Damit würde die Arbeitskraft preiswerter. Es würde wieder interessant, Menschen Arbeit anzubieten.

Abfall sollte erst gar nicht entstehen. Das derzeitige Abfallkonzept bringt nicht viel. Geräte sind z.B. nach Möglichkeit so zu erstellen, dass alle Teile wieder dem Verbrauch zugeführt werden können. Ansätze dazu gibt es schon, es ist bewiesen, dass dies im großen Umfang realisierbar ist.

Es geht darum, gut zu leben, anstatt viel zu haben. Wir müssen nicht alles haben. Was nützt mir eine Bohrmaschine, wenn ich sie nur einmal im Jahr nutze. Es muss aber Möglichkeiten geben, eine solche günstig zu leihen, wenn ich sie brauche. Das geht bis zum Auto vor allem in den Städten, in denen es ja heute schon kaum noch Parkraum gibt. Hier könnten Autopools gebildet werden, die ein Auto zur Verfügung stellen, wenn ich es benötige. Dazu gehört aber auch der zielstrebige Ausbau des Nahverkehrs.

Dazu gehört aber auch ein Wille zu internationaler Gerechtigkeit. Die Solidarität der Menschen endet nicht an den Grenzen eines Landes. Wobei auch klar ist, dass eine Entwicklung der Dritten Welt im europäischen Sinn zur Katastrophe führt. Wie können wir diese aber den Menschen in den armen Ländern versagen, wenn wir uns selbst nicht ändern.

Dies ganze Entwicklung kann nur zum Erfolg führen, wenn alle:

Die betroffenen Menschen

Die Wirtschaft

Die Politik

dabei mitmachen. Dazu gehört also eine Änderung der Einstellung der Menschen und eine Änderung der politischen und wirtschaftlichen Strukturen. Durch ein ökologisches Umgehen mit der Natur hört der Vernichtungskampf des Menschen gegen die Natur auf. Dieser Kampf richtet sich ja letztlich gegen den Menschen selbst. Die Kultur der Natur muss ein Kultur des Friedens mit dieser sein. Nur so kann die Natur und der Mensch auf Dauer überleben.

Ein großes Problem ist das internationale Handeln in diesem Bereich. In den Industrienationen geht der Abbau von Entlastung nur zögerlich - wenn überhaupt vonstatten. Die Entwicklungsländer beanspruchen im Vergleich mit den Industrienationen Nachholbedarf. Viele Probleme sind aber nur noch international zu erledigen. 1992 haben die Vereinten Nationen ein Rahmenabkommen über die Klimaänderungen verabschiedet. Die erst Überprüfung fand 1995 in Berlin statt, es wurde beschlossen, das Niveau der Emissionen bis 2000 auf den Stand von 1990 zu reduzieren. Dies führte 1997 zur Weltklimakonferenz in Kyoto. In einem Konsensprotokoll wurde verabschiedet, dass die Industrienationen ihre Treibhausemissionen von 2008 bis 2012 um 55 gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren haben. Diese rechtsverbindliche Verpflichtung könnte eine historische Umkehr bedeuten im Anstieg der Emissionen dieser Länder vor etwa 150 Jahren. Hoffentlich halten sich diese Länder auch an ihre verbindlichen Versprechungen, zur Zeit sieht es nicht sehr danach aus (12/2000).

4.4. Erste Erfolge - Ermutigung zum Handeln

4.4.3 Ein Umdenken hat begonnen

Der Begriff der Umwelt wurde etwa 1970 in die Umgangssprache aufgenommen. Er ist meistens mit einem Zusatz versehen wie z.B. Umweltschutz, Umweltzerstörung ... Die Wissenschaft von der Umwelt wird "Ökologie" genannt von griechisch das Haus und "logos" das Wort, die Lehre. Es geht um das Haushalten mit der Natur. Ökologie ist die Lehre von der Umwelt. Die Umwelt ist die Welt, die einen Menschen umgibt. Sie gehört aber nicht nur einem Menschen, sondern letztlich fast 5 Milliarden Menschen. Heute kann aber die Umwelt nicht mehr einseitig nur auf den Menschen bezogen werden, auch andere Lebewesen haben ihre Umwelt. Alle sind aufeinander bezogen.

Umwelt ist die Schicht der Biosphäre, einschließend die Luft, die Erde, das Wasser und die lebenden Organismen.

Diese Biosphäre (Bereich des Lebens) ist ein System, in dem alle Elemente aufeinander bezogen sind. Jedes hat darin seine besondere Funktion. Ein solches System kann auch umkippen, wenn es überfordert wird, wenn es einseitig belastet wird. Umwelt ist wie ein Schiff, das kentern kann. Viele sind heute der Auffassung, dass das Schiff der Umwelt so vielfältig belastet ist, das es in absehbarer Zeit kentern wird. Es wird nach dieser Auffassung zum Kentern kommen. Die auf die Umwelt zukommenden Probleme sind nicht mehr zu lösen.

Die Umweltproblematik tritt eigentlich erst mit dem massiven Bevökerungswachstum und der naturwissenschaftlich-technischen Welt auf. Der Mensch hat damit die Fähigkeit bekommen, die Bedingungen des Lebens in einer Umwelt unumkehrbar zu verändern. Er bewahrt und behütet die Schöpfung nicht mehr, um in der Sprache der Bibel zu reden, sondern er plündert und räubert sie aus, er vergiftet sie mit seinen Abfällen und entzieht sich damit die eigene Grundlage des Lebens.

Der Mensch muss es lernen, dass er in Abhängigkeit zu seiner Umwelt steht, sie ist nicht ein einfaches "Um-ihn-Herum", sondern Mitwelt ohne die er nicht leben kann und für die er Verantwortung trägt.

Während bis in die sechziger Jahre eine Fortschrittsgläubigkeit herrschte, besteht jetzt weithin Zukunftspessimismus. Damals glaubten die Menschen, sie könnten die Probleme der Welt technisch-naturwissenschaftlich lösen. Für alle Probleme gebe es schließlich eine Lösung. Es herrschte eine ausgesprochene Technikgläubigkeit. Die Weltkriege mit ihrem ungeheuren Einsatz von Technik hätten schon eine Warnung sein können. Sie waren es aber nicht.

Auf einmal wurde immer mehr deutlich, dass es mit der Lösung der Weltprobleme durch die Technik doch seine Probleme habe. Sie war mit zuviel Risiken verbunden. Großunfälle der Industrie wie der Unfall des Chemiewerkes in Bophal Indien, der Dioxinunfall in Sevesso/Italien 1976 und letztlich die Explosion des Atomreaktors von Tschernobil/Ukraine 1986 machten deutlich, welche Risiken mit der Technik gegeben waren. War der Mensch an seine Grenzen gekommen? Ein Soziologe nannte deshalb diese Form der Gesellschaft eine Risikogesellschaft. Ein Risiko wird bekämpft, indem neue und größere Risiken geschaffen werden. Der Ausstoß von CO2 (Kohlenstoff, entsteht bei Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Holz, Gas, Öl usw.) sollte reduziert werden durch Kernenergie. Deren Strahlungsrisiken erstrecken sich in unvorstellbare Zeiträume (Tschernobyl je nach Typ der Strahlung 700 000 bis 1 Million Jahre), dies ist auch nicht der Weg, der letztlich die Lösung bringt.

In den Industrieländern entstand die Umweltbewegung. Parteipolitische Vorkämpfer sind die grünen Parteien. Die Bewegung ging aber weit über diese hinaus. Die Berichte an den Club of Rome haben auch dazu beigetragen, diese Überlegungen zu fördern. Die Werke "die Grenzen des Wachstums" 1972 und "Die neuen Grenzen des Wachstums" 1992 sind Meilensteine dieser Überlegungen. Im Juni 1992 hat in Rio de Janeiro/Brasilien eine Weltkonferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung stattgefunden. Die Ergebnisse sind in der Agenda 21 zusammengefasst. 178 Nationen waren bei dieser Konferenz vertreten. Umwelt wird zu einer die Völker übergreifenden politischen Aufgabe.

Auch das Umweltbewußtsein bei den Menschen in Deutschland ist gewachsen. Daraus muss sich Umweltverhalten entwickeln. Diese könnte im privaten Bereich durch umweltschonendes Verhalten geschehen (nach W. Meyer, Handlungsrelevante Aspekte des Umweltbewußtseins, Diplomarbeit, Mannheim 1988) bei :

1. privatem Konsum und Abfallverhalten

2. Trinkwasserverbrauch

3. Energieverbrauch

4. umweltfreundliche Nutzung von Verkehrsmitteln

5. umweltfreundliches Verhalten in der Freizeit

Das Verhalten entspricht aber noch keineswegs dem Bewusstsein. Auch muss zwischen dem Individualverhalten, dem Verhalten der Wirtschaft und der Politik immer wieder ein Zusammenhang gesehen werden. In allen Bereichen tut sich die Realisierung des Umweltbewußtseins noch schwer, weil damit auch viele Einschränkungen gegeben werden. Es gibt aber auch hier Ansätze im entstehenden Umweltrecht und im wachsenden Bewusstsein der Industrie, dass umweltorientierte Produkte eine große Chance auf dem Weltmarkt darstellen.

Ökologie darf nicht ökonomiefeindlich sein und umgekehrt. Es muss das Konzept einer ökologischen Ökonomie entwickelt werden. Umweltprodukte haben auf dem Weltmarkt eine gute Chance. Nach Auffassung von Fachleuten muss der Umweltverbrauch, vor allem der Energieverbrauch versteuert werden. Das dort eingenomme Geld muss gezielt für ökologieverbessernde Maßnahmen eingesetzt werden. Weiterhin ist es wichtig, dass mit diesem Geld die Sozialabgaben subventioniert werden, um damit Arbeit preiswerter zu machen und en einzelnen Arbeitsplatz nicht zu stark mit Sozialabgaben zu belasten. Ein ökologisches Wirtschaften ist ein zukunftsorientiertes Wirtschaften, das auch die Folgen des Wirtschaftens mitbedenkt. Wer Energie verbraucht, muss auch an die Folgen denken und für die Schaffung von erneuerbaren Energien einen Beitrag leisten. In diesem Bereich entsteht dann z.B. auch wieder neue Arbeit.

Letztlich muss Ökologie ein umfassendes Konzept unserer Gesellschaft, von privatem Verhalten über Wirtschaft bis zur Politik sein. Wie aber lässt sich so etwas entwickeln?

Ökologie fängt an, zu unserem Alltag zu gehören. Ein tropfender Wasserhahn stört uns heute schon nicht mehr einfach wegen des unangenehmen Geräusches, oder der Kosten, sondern weil hier das kostbare Gut Wasser verschwendet wird. Ein tropfender Wasserhahn verschwendet etwa einen Liter Trinkwasser pro Stunde, das heißt 24 Liter pro Tag. Die meisten werden inzwischen auch einen Wasserstopper in der Spülung haben und damit den Wasserverbrauch drastisch reduzieren. Vor wenigen Jahren wurde der Katalysator am Auto noch verlacht, heute ist er eine Selbstverständlichkeit geworden. Wir wissen, was die Luftverschmutzung bewirkt, gerade dann, wenn über längere Zeit schönes Wetter ist und der Ozongehalt der Luft ansteigt. Ozonloch, es wird immer größer und in der Sonne liegen wird vor allem für Kinder zu einem Spiel mit Langzeitrisiko.

Und was kommt alles auf den Tisch? Wie gesund ist es eigentlich noch, was so schön frisch in der Auslage liegt. Wie wurde es behandelt und hat es Anteil daran, dass die Allergien in unserer Gesellschaft so zunehmen? Jetzt kommen auch gentechnisch veränderte Nahrungsmittel, bei Fachleuten sehr umstritten, weil keiner die Konsequenzen absehen kann. Der nahezu bedingungslose Glaube an Wissenschaftler ist schon längst nicht mehr vorhanden. BSE müsste doch die entscheidende Warnung sein. Oder sind genveränderte Lebensmittel wirklich notwendig?

Was stellen wir an, wenn wir neue Holzfenster einbauen lassen, echt südamerikanisches Holz aus dem Regenwald. Asbest wurde ja aus dem Bau schon verbannt, aber immer wieder werden neue Problemsubstanzen gefunden. Machen wir damit unsere Umwelt krank?

Wer in der Nähe einer befahrenen Autobahn wohnt, der kennt den unentrinnbaren Lärmschleier, der Tag und Nacht über der Gegend liegt. Der kann kaputt machen. Hinzu kommen noch viele andere, auch überflüssige Lärmquellen, wie die aufgebohrten Radios in Autos, die mit ihrem dröhnenden "Wumm, wumm" die Umgebung stressen. Ruhe ist ein hohes Gut, das oft durch Lärm sträflich missbraucht wird.

So langsam greifen die ersten Schritte, die Situation zu verbessern. Der Abfall wird recycelt, obwohl es besser wäre, den meisten Abfall erst gar nicht entstehen zu lassen. Die Bäche und Flüsse scheinen nicht zuletzt durch Änderung der Waschmittel und bessere Kläranlagen wieder gesünder zu werden. Aber ersetzten wir nicht oft ein Risiko durch ein neues, das wir noch kennen? Wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen.

Manches umweltbetonte Handeln ist uns schon selbstverständlich geworden. Wir denken uns schon nicht mehr dabei, wie bei vielem alltäglichen Handeln. Wir schrecken höchstens dann wieder auf, wenn eine riesengroße "Umweltschweinerei" ans Tageslicht kommt und wir uns fragen, ob unser Handeln überhaupt einen Sinn hat. Individuelles Handeln muss immer weitergeführt werden in politisches Handeln. Nur wenn viele dies mittragen, kann es politisch umgesetzt werden.

4.5 Zukunftsfähigkeit

Uns Menschen ist die Schöpfung anvertraut, wir sind Mitgeschöpfe und tragen Verantwortung für die Schöpfung. Dies betrifft den Einzelnen, die Verbände und Organisationen, die Völker und die ganze Welt. Auch die Kirche hat dies zu realisieren. Es gibt eine neue Solidarität, die weltweit ist und auch kommende Generationen mit einbezieht. Diese Solidarität kann auch für die ganze Schöpfung eingefordert werden, denn Solidarität heißt letztlich Verantwortung für das Ganze. In der Ökologie kommt das Ganze der Schöpfung in den Blick. Papst Johannes Paul II. hat einmal gesagt, dass wir die Schöpfung in unserer Liebe einbeziehen müssen. Aus dieser Liebe heraus erwächst das ständige Bemühen um die je zukunftsfähigere Lösung.

 

4.6 Fragen zum 4. Kapitel

4.6.0 Vorbemerkung

Die Fragen sind nach dem Schema: Sehen-Urteilen-Handeln aufgebaut.

Die erste Frage ist jeweils eine Frage zum Überlegen und sollte aus der persönlichen Erfahrung bearbeitet werden.

Die zwei weiteren Fragen sind aus dem jeweiligen Textabschnitt zu bearbeiten.

Alles weitere zur Methodik siehe 1.4.0!

 

4.6.1 Sehen (Die Zerstörung der Lebensräume)

1. Wo sind Ihnen schon negative Folgen der Umweltzerstörung aufgefallen?

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Nennen Sie Probleme, die die Zerstörung der Lebensräume deutlich machen?

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Welche Probleme zeigen sich vor allem in Deutschland?

 

 

 

 

 

 

4.6.2 Urteilen (Zur Verantwortung gerufen)

1. Wie fühlen Sie sich für die Erhaltung der Umwelt verantwortlich?

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Was ist der Mensch im Sinne der Schrift für den Schöpfungsgarten?

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Was bedeutet nachhaltiges Umgehen mit der Natur

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.6.3 Handeln (Erste Erfolge - Ermutigung)

1. Wo handeln Sie schon ökologisch?

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Ist das Umweltbewusstsein der Menschen in Deutschland gewachsen?

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Nennen Sie Punkte, bei denen Menschen heute schon ökologisch Handeln!

 

 

 

 

 

 

5 Dein Reich Gottes komme

5.0 Hinweise und eine Frage zum Überlegen

5.0.1 Hinweise

In Matthäus 6:10 lehrt Jesus seine Jünger im "Vater unser" in einer Doppelbitte beten: "dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde." Das Reich Gottes ist dann in Vollendung da, wenn im Himmel und auf der Erde der Willen Gottes geschieht. Wenn Menschen hier auf der Erde sich um die Durchsetzung des Willens Gottes bemühen, dann arbeiten sie am Kommen des Reiches Gottes, das verborgen schon da ist, in voller Herrlichkeit aber offenbar wird. "Gottes Herrschaft verwirklicht sich auf Erden dort, wo sie anerkannt und praktiziert wird." (Frankemölle, H.). Es geht beim Einsatz im Bereich der Katholischen (Christlichen) Soziallehre um den Zustand der Welt nach dem Willen Gottes. Die Einzelgedanken dieser Einheit werden unter dieser Rücksicht zusammengefasst und unter dem Gesamtgedanken der Ankunft des Reiches Gottes dargestellt.

So entsteht ein Entwurf von Katholischer Soziallehre vom Reich Gottes her. Lesen Sie zum besseren Verständnis vielleicht noch einmal die zusammenfassenden Gedanken am Abschluss einen jeden Kapitels durch.

 

5.0.2 Frage zum Überlegen

Versuchen Sie einmal in kurzen Worten darzustellen, was für Sie katholische Soziallehre ist!

 

 

 

 

5.1 Vom gelingenden Leben

Die in diesem Teil des Kurses angesprochenen kritischen Kriterien sind Menschenrechte, Frieden, Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit. An konkreten Beispielen wurde entwickelt, was sie bedeuten. Menschenrecht macht deutlich, dass jeder Mensch eine von Gott geschenkte Würde hat, die unverletzlich ist. Sie macht den Kern seines Lebens aus. Sie beinhaltet die Option auf ein erfülltes Leben hin, so wie es unter den Konditionen dieser Erdenzeit möglich ist. Damit sich aber die Menschen in ihrer Würde entfalten können brauchen sie den entsprechenden Lebensraum, der grundsätzlich lebensgünstig ist. Dies ist der Frieden. Frieden meint ja über die Abwesenheit von Krieg auch Wohlergehen und gutes Leben. Die Menschen lassen sich gegenseitig den Raum zum Leben und zur Entfaltung ihrer Möglichkeiten in gegenseitiger Rücksichtnahme. Wunden werden nach Möglichkeit geheilt. Alle haben sie den Anspruch zur Teilhabe an den Gütern dieser Welt. Nicht nur einige können sich alles aussuchen, sondern jeder muss die Chance bekommen, das ihm zugehörige und insgesamt mögliche Maß an Teilhabe zu bekommen. Diese Gerechtigkeit gilt auch für kommende Generationen. Auch die Menschen, die in Zukunft leben werden haben Anspruch auf eine intakte Schöpfung. Das macht die Zukunftsfähigkeit unseres Handelns aus.

Es geht um ein Leben, das in den Möglichkeiten irdischer Existenz als gelungen zu bezeichnen ist, besser um ein gelingendes Leben, weil das völlige Gelingen in den Bedingungen dieser Erdenzeit ausgeschlossen ist. Dies gelingende Leben steht allen zu. Jeder, auch kommende Generationen haben ein Recht darauf. Mit der Begründung dieses Anspruches aus der Verkündigung wollen wir uns in den folgenden Abschnitten beschäftigen. Dies wird im Ablauf Altes Testament, Neues Testament und heute erfolgen. Im Zentrum dieser Arbeit wird dann der Begriff vom Reich Gottes stehen.

Als Literaturverweis sei hier genannt: Urs Eigemann, Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit für die Erde, Die andere Vision vom Leben, Luzern 1998.

Schauen Sie in einer Wortkonkordanz zur Bibel unter den Stichwörtern "Reich", "Reich Gottes", "Herrschaft Gottes"und "Himmelreich", nach. http://www.nordem.com/bibel/start.htm auch mit Suchmaschinen.

5.2 Das Reich Gottes im Alten (Ersten) Testament

5.2.1 Der Bund als verheißene Zukunft

Ein wichtiger Gedanke für das Verhältnis von Gott zu den Menschen war der Gedanke des Bundes. Im Bündnis erhielt der Mensch, eine Zusage Gottes auf Zukunft. Die Zukunft wird offen für ihn. Er kann leben und das Volk überleben. Der Bund machte den Menschen, in der Gemeinschaft des Volkes zukunftsfähig. Die zwei wichtigsten Bundesschlüsse des Alten Testamentes (das auch neuerdings öfters "Erstes Testament" genannt wird, um es durch das Wort "alt" nicht abzuwerten) sollen hier aufgeführt werden. Das ist der Bund Gottes mit Abrahams und der Bundeschluss am Sinai.

5.2.1.1 Ein großes Volk wird im Land wohnen

Im Buch Genesis wird uns vom Stammvater Abraham berichtet. Abram ist eine andere Überlieferung des Namens, meint aber dieselbe Person. Dieser Abraham ist mit seiner Familie in Ur in Chaldäa aufgebrochen, um in ein neues Land zu ziehen. Dieser Bericht gehört in die Wanderungsbewegung um 1200 vor Christus in diesem Raum. Mit der Abrahamstradition sind die Einwanderer aus dem Norden her angesprochen, mit der Mosetradition die Einwanderer aus dem Süden vor allem auch aus Ägypten. Diese Ereignisse dürften etwas später zu datieren sein. Das Buch Genesis berichtet uns von den Ereignissen um Abraham (Lesen Sie dort einmal die Abrahamsgeschichte in den Kapiteln 12-25, dort war er auch in Ägypten, damit werden beide Traditionen verbunden).

Genesis 15,1-18 1

"1 Nach diesen Ereignissen erging das Wort des Herrn in einer Vision an Abram: Fürchte dich nicht, Abram, ich bin dein Schild; dein Lohn wird sehr groß sein. 2 Abram antwortete: Herr, mein Herr, was willst du mir schon geben? Ich gehe doch kinderlos dahin, und Erbe meines Hauses ist Eliëser aus Damaskus. 3 Und Abram sagte: Du hast mir ja keine Nachkommen gegeben; also wird mich mein Haussklave beerben.

4 Da erging das Wort des Herrn an ihn: Nicht er wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird dein Erbe sein. 5 Er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf, und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst. Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein. 6 Abram glaubte dem Herrn, und der Herr rechnete es ihm als Gerechtigkeit an. 7 Er sprach zu ihm: Ich bin der Herr, der dich aus Ur in Chaldäa herausgeführt hat, um dir dieses Land zu eigen zu geben. 8 Da sagte Abram: Herr, mein Herr, woran soll ich erkennen, daß ich es zu eigen bekomme?

9 Der Herr antwortete ihm: Hol mir ein dreijähriges Rind, eine dreijährige Ziege, einen dreijährigen Widder, eine Turteltaube und eine Haustaube! 10 Abram brachte ihm alle diese Tiere, zerteilte sie und legte je eine Hälfte der andern gegenüber; die Vögel aber zerteilte er nicht. 11 Da stießen Raubvögel auf die Fleischstücke herab, doch Abram verscheuchte sie. 12 Bei Sonnenuntergang fiel auf Abram ein tiefer Schlaf; große, unheimliche Angst überfiel ihn. 13 Gott sprach zu Abram: Du sollst wissen: Deine Nachkommen werden als Fremde in einem Land wohnen, das ihnen nicht gehört. Sie werden dort als Sklaven dienen, und man wird sie vierhundert Jahre lang hart behandeln. 14 Aber auch über das Volk, dem sie als Sklaven dienen, werde ich Gericht halten, und nachher werden sie mit reicher Habe ausziehen. Ex 12,35f 15 Du aber wirst in Frieden zu deinen Vätern heimgehen; in hohem Alter wirst du begraben werden. 16 Erst die vierte Generation wird hierher zurückkehren; denn noch hat die Schuld der Amoriter nicht ihr volles Maß erreicht.

17 Die Sonne war untergegangen, und es war dunkel geworden. Auf einmal waren ein rauchender Ofen und eine lodernde Fackel da; sie fuhren zwischen jenen Fleischstücken hindurch. 18 An diesem Tag schloß der Herr mit Abram folgenden Bund: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land vom Grenzbach Ägyptens bis zum großen Strom Eufrat. 19 der Keniter, der Kenasiter, der Kadmoniter, 20 der Hetiter, der Perisiter, der Rafaïter, 21 der Amoriter, der Kanaaniter, der Girgaschiter, der Hiwiter und der Jebusiter".

Abraham verzweifelt an seiner Situation. Er wird untergehen, weil er keinen Nachkommen hat. Damit stirbt er in seiner Auffassung endgültig. Der Herr (Jahwe wird hier immer so übersetzt) aber verheißt ihm einen Sohn. Ja er verheißt ihm ein großes Volk, wie die Sterne am Himmel. Da schließt der Herr einen Bund mit ihm in einer eigenartigen altorientalischen Form. Tiere werden gehälftet und hingelegt, so dass eine Gasse entsteht. Die Tauben teilte man nicht, weil nach damaliger Auffassung nur das Pärchen gemeinsam überleben konnte. Durch die Trennung des Pärchens war also die Teilung schon vollzogen. Im Warten auf den Bundeschluss ist Abraham nahe am Verzweifeln. Schwarze Tiere wollen den Bund unmöglich machen. Der Abschluss erfolgte normalerweise durch das gemeinsame Hindurchgehen durch die Tierhälftengasse von beiden Partnern. Dies sagte: Wenn du den Bund nicht hältst, soll es dir gehen wie diesen Tieren. Drastisch aber deutlich. Dann kommt nach langem Warten Gott endlich wie ein Schmelzofen und fuhr durch die Fleischstücke hindurch. Abraham wurde gar nicht dazu aufgefordert, wie man doch annehmen könnte. Dieser Abschluss geht von dem Wissen aus, dass der menschliche Partner immer wieder diesen Bund brechen wird, Gott steht trotzdem dazu, zu dieser Verheißung kann der Mensch ja auch nur wenig tun. Abraham muss glauben, auf Gott vertrauen, das ist seine Leistung.

Durch diesen Bund erhält Abraham von Gott Verheißung auf Zukunft in einem großen Volk und großem Land. Der Bund erschließt eine Zukunftsperspektive für ihn und sein Volk. Gott erweist sich als zukunftsfördernder Gott.

5.2.1.2 Ein Bündnis auf Gegenseitigkeit

Nach dem Auszug aus Ägypten kommt das Volk unter der Führung des Moses zum Berg Sinai. Dort begegnet Gott dem Moses und schließt einen Bund mit seinem Volk. Er erscheint auf dem Sinai mit Donner und Feuersglut. Das Volk versammelt sich am Fuße des Berges und dort schließt Gott dann den Bund, Exodus 20.2-17, 24,4-8

20.2 Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.

3 Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. 4 Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. 5 Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; 6 bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.

7 Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn der Herr läßt den nicht ungestraft, der seinen Namen mißbraucht.

8 Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! 9 Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. 10 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. 11 Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.

12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.

13 Du sollst nicht morden.

14 Du sollst nicht die Ehe brechen.

15 Du sollst nicht stehlen.

16 Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.

17 Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört.

24.4 Mose schrieb alle Worte des Herrn auf. Am nächsten Morgen stand er zeitig auf und errichtete am Fuß des Berges einen Altar und zwölf Steinmale für die zwölf Stämme Israels. 5 Er schickte die jungen Männer Israels aus. Sie brachten Brandopfer dar und schlachteten junge Stiere als Heilsopfer für den Herrn. 6 Mose nahm die Hälfte des Blutes und goß es in eine Schüssel, mit der anderen Hälfte besprengte er den Altar. 7 Darauf nahm er die Urkunde des Bundes und verlas sie vor dem Volk. Sie antworteten: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun; wir wollen gehorchen. 8 Da nahm Mose das Blut, besprengte damit das Volk und sagte: Das ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch geschlossen hat.

Hier werden die Grundlagen für eine Gemeinschaftsverfassung des Volkes im Angesichte Gottes gelegt. Zuerst wird die Hälfte des Blutes über den Altar geschüttet, das von den Menschen geopferte Blut wird zum damit symbolisch Gottes Blut, dann wird der Text verlesen und das Volk stimmt zu. Danach wird die andere Hälfte über das Volk gesprengt, Es ist so etwas wie eine Blutsverwandtschaft zwischen Gott und den Menschen eingetreten. Das Blut ist da Blut des Bundes zwischen Gott und den Menschen.

5.2.1.3 Die Botschaft vom Reich Gottes

Für das Volk eröffnet sich hier Zukunft auf der Basis dieses grundlegenden Rechtes. Wo Gott herrscht, da soll auch sein Gesetz verbindlich sein. Mit ihm die Gerechtigkeit Gottes. Dazu hat Gott das Volk aus Israel befreit und ihm neues Land verheißen. Der Exodus (Auszug aus Ägypten) wird zum Symbol der Befreiung für ein bessere Zukunft. Es ist Wirklichkeit, aber auch immer Verheißung, weil es in dieser Weltenzeit immer vorläufig bleibt. Deshalb rufen die Propheten immer wieder zum Leben nach diesem Gesetz der Befreiung auf und schildern in aussagekräftigen Bildern das kommendes Reich,

Jesaja 2

1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat. 2 Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. 3 Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen.

Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. 4 Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.

5 Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.

Dieses Reich soll schon in Israel leben, sie sollen im Lichte des heran gehen, wie der Text sagt. Verantwortung für die Herrschaft Gottes hat der König, der auch als Sohn Gottes bezeichnet wird. Der König ist der für sein Amt Gesalbte (Messias hebräisch, griechisch Christos). Nach dem Zusammenbruch des Königreiches wird daraus vor allem im ersten Jahrhundert vor Christus der göttliche Heilsbringer, mit seiner Ankunft wird das Gottesreich endgültig aufbrechen.

Vier wichtige Dimensionen des Gottesreiches sollen hier aufgezeigt werden.

1. Es ist ein umfassendes Reich des Friedens.

Die Schwerter werden zu Pflugscharen umgeschmiedet, es braucht keine Waffen mehr. Jesaja sagt 2,4: Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Es wird ewiger Frieden sein, das heißt, umfassendes Heil.

2. Die Wahrung der Menschenwürde

Der Mensch ist nach Gottes Bild geschaffen, er ist sein Bild in dieser Welt. Darin leicht seine Würde, die jedem Mann und jeder Frau zukommt. Dies wird im ersten Buch der Bibel, in der Schöpfungsgechichte dargestellt. Lesen Sie dazu Geneis 1-2,4a. Genesis 1:26 steht: Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. 27 Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Diese Würde ist vor allem auch in den Armen und Schwachen, den Kranken und auch den Fremden zu achten. Dies schärfen die Propheten besonders ein. In diesem Sinne kennt die das Alte (Erste) Testament eine Option für die Armen, weil dies eine Option Gottes ist.

3. Schaffen gerechter Verhältnisse

Zum Frieden gehört eine umfassende Gerechtigkeit. Nochmals sei hierzu ein Text von Jesaja 32 zitiert:

"15 Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten, und der Garten wird zu einem Wald. 16 In der Wüste wohnt das Recht, die Gerechtigkeit weilt in den Gärten. 17 Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer. 18 Mein Volk wird an einer Stätte des Friedens wohnen, in sicheren Wohnungen, an stillen und ruhigen Plätzen."

4. Die ganze Schöpfung hat Frieden

Dieser Friede und diese Gerechtigkeit zieht die ganze Schöpfung mit ein. So sieht es Jesaja im 11. Kapitel:

"5 Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib. 6 Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. 7 Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frißt Stroh wie das Rind. 8 Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. 9 Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist."

5.3 In Jesus ist das Reich Gottes angebrochen

Jesus nimmt Bezug auf diese messianischen Verheißungen z. B. im Lukasevangelium im 4. Kapitel.

16 So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, 17 reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: 18 Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze (siehe dazu Jes 61,1f; 29,18;8,6 19) und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. 2 Dann schloß er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. 21 Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

Das messianische Reich hat in Jesus begonnen. Er ist der Messias. Das wird dann später im Griechischen mit Christo und im Lateinischen mit Christus wiedergegeben. Er ist der Gesalbte Gottes. Er ruft ein Gnadenjahr aus, in dem die soziale Gerechtigkeit für alle wieder hergestellt wird. Er macht seine Option für die Armen und Zerschlagenen deutlich, umfassende Heil wird er bringen. Seine Botschaft ist die Botschaft vom Reich Gottes, ein Auftrag die er an seine Jüngerinnen und Jünger weiter gibt.

Er sammelt die Menschen am Berg und zeichnet die Vision des Zusammenlebens im Reich Gottes. Matthäus verwendet dafür das Wort "Himmelreich". Im 5. Kapitel seines Evangeliums lesen wir:

"1 Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. 2Dann begann er zu reden und lehrte sie.

3 Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.

4 Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.

5 Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.

6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.

7 Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.

8 Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.

9 Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.

10 Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.

11 Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.

12 Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt."

Diese Bergpredigt ist das neue Gesetz, es wird auf dem Berg gegeben genauso wie die 10 Gebote am Sinai. So sollen die Menschen leben, weil dies dann geoffenbartes Himmelreich ist.

Das Gesetz Jesu wird zusammengefasst in im Gebot der Liebe und knüpft damit an alttestamentliche Forderungen an gibt ihnen aber eine vertiefte und grundlegende Bedeutung für alle menschliche Handeln. Beziehungen unter Menschen können letztlich nur in der Beachtung dieses Gebotes gelingen.

"27 Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst."

Am Ende der Tage wird er sich als der Messias bei seiner Wiederkunft offenbaren und alle Menschen richten. Dies ist eindringlich in Matthäus 25 beschrieben:

"31 Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. 32 Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. 33 Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.

34 Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. 35 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; 36 ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? 38 Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? 39 Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

41 Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! 42 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; 43 ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis, und ihr habt mich nicht besucht. 44 Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder obdachlos oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen? 45 Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. 46 Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben."

Daraus ergibt sich als Handlungsperspektive der Einsatz für die Armen und Schwachen, für die Notleidenden und Kranken, und damit auch für soziale Gerechtigkeit. Verdeutlicht wird das noch einmal mit der Aussage, dass dieses Handeln an Handeln am Herrn selbst ist, der uns in den Notleidenden begegnet.

5.4. Unser Auftrag eine Option in unserer Zeit für das Reich Gottes

Die Kirche hat den Auftrag, diese Botschaft in alle Zeiten hinein zu verkünden und zu leben. Das Reich Gottes ist verborgen gegenwärtig. Es ist da, aber noch nicht endgültig offenbar. Es ist unsere Aufgabe, unserm Glauben an das angekommene Reich Gottes zu leben, indem wir uns für sein Offenbarwerden einsetzen. Damit bezeugen wir unserem Gauben.

Katholische Soziallehre wird damit zum gelebten Reich Gottes, zum Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, zur Achtung von Menschenwürde von Männern und Frauen und zur Verantwortung für die Schöpfung.

Die Botschaft vom Gottesreich ist eine ständige Option von Christen, die Zeit unter dem Anspruch dieser Botschaft zu prüfen und sich um die jeweils bestmögliche Lösung im Sinne dieser Botschaft einzusetzen. Die vollendete Lösung wird eines Tages Gott bewirken.

Ein Wort Jesu könnte so zur Handlungsanweisung für Christen werden: "Suchet zuerst das Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben" Mt 6:33. Es lohnt sich in diesem Sinne zu arbeiten, weil die letzte Vollendung von Gott garantiert wird.

 
Konzept Anfang Einheit 2